Anrechnung der Geschäftsgebühr – Fragen über Fragen

Der BGH hat bekanntlich mit Urteil vom 07.03.2007, Az. VIII ZR 86/06, entschieden, daß nicht die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG, sondern im Falle des nachfolgenden Rechtsstreits die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG zu kürzen ist.  Auf Klägerseite kann also bei Vorliegen eines Kostenerstattungsanspruchs die volle Geschäftsgebühr eingeklagt werden.

So weit, so gut. Die Entscheidung stürzt die Praxis in Schwierigkeiten bei der Beantwortung diverser Folgefragen. Der BGH wird sich zu einigen dieser Folgefragen noch äußern müssen. Was ist z.B. in dem Fall, daß jemand die Geschäftsgebühr, obwohl er könnte, nicht einklagt; was ist mit dem Kläger, der nach wie vor nur die gekürzte Geschäftsgebühr eingeklagt hat ? Wird auch in diesen Fällen die Verfahrensgebühr gekürzt – was bei Obsiegen die Konsequenz hat, daß der Kläger auf einem Teil der außergerichtlichen Vergütung “sitzenbleibt” ?

Das OLG Karlsruhe (vom 18.9.2007, Az. 13 W 83/07) will dies wie folgt lösen:

“Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr.2300 auf die
Verfahrensgebühr nach Vorbem.3 Abs.4 RVG-VV kommt nur in Betracht, wenn
diese im Hauptverfahren tituliert oder der Anrechnungeinwand im
Festsetzungsverfahren unstreitig ist.”

Das OLG München (Beschluß vom 07.08.2007, Az. 11 W 1999/07) ist der Auffassung, daß eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nur dann zu erfolgen hat, wenn die Geschäftsgebühr tituliert oder unstreitig vom Gegner gezahlt ist.

Da die Entscheidung des BGH eher Verwirrung denn Klarheit gestiftet hat, wird jetzt sogar schon der Ruf nach dem Gesetzgeber laut. So meint der Kollege Gerold Skrabal aus München in einem “Standpunkt” in der aktuellen NJW, Heft 40/2007, S. XVI, daß der Gesetzgeber durch eine “verhältnismäßig kleine Korrektur in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG und § 34 II RVG” einige Folgen vermeiden kann. Der Kollege weist zu Recht darauf hin, daß auf jeden Fall der obsiegende oder unterliegende Beklagte die außergerichtliche entstandene Vergütung tragen muß; lediglich im Falle eines in aller Regel nicht gegebenen Kostenerstattungsanspruchs (ungerechtfertigte Inanspruchnahme laut BGH NJW 2007, 1458 “allgemeines Lebensrisiko” !)  kann der Beklagte mit einer Widerklage reagieren, wobei sich dann die Folgefrage stellt, ob die oben zitierte Entscheidung des BGH auch für ihn gilt (ich meine: ja).

Es bestehen auch Zweifel dahingehend, ob die Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden kann. Der Rechtspfleger könne in aller Regel die Angemessenheit und Höhe der Rahmengebühr nicht überprüfen.  Der BGH ist insoweit (NJW-RR 2005, 1731) auch der klaren Auffassung, daß sich die Geschäftsgebühr nicht zur Eignung im Kostenfestsetzungsverfahren eigne.

Ich schätze nicht, daß der Gesetzgeber in dieser Frage etwas unternehmen wird. Bevor uns der BGH wieder “Steine statt Brot” gibt, dürfte es näherliegen, sich auf Abrechnungsmodalitäten zu verständigen. Ob und wie man allerdings die verschiedenen Interessen der einzelnen Beteiligten unter einen Hut bringen kann, wird schwierig.

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