AG Heinsberg verurteilt erneut VHV-Kunden zur Zahlung der vollen Sachverständigenkosten

Mit Urteil vom 06.10.2014 (Az. 18 C 227/14) hat das AG Heinsberg einen VN der VHV-Versicherung zur Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten sowie Auslagenpauschale verurteilt. Bekanntlich kürzt die VHV derzeit die Sachverständigenkosten in willkürlicher Weise und lässt sich auch nicht durch Urteile wie das vorliegende beeindrucken. Es muss also in jedem Einzelfall geklagt werden. Auch die Auslagenpauschale wurde von der VHV rechtswidrig auf 20 € gekürzt. Hier zeigt sie sich außergerichtlich ebenfalls völlig belehrungsresistent.

Leider wurde die Klage hinsichtlich der weiter geltend gemachten Rechtsanwaltsvergütung abgewiesen. Es war zunächst ein Mandat gegenüber der VHV erteilt worden und, nachdem diese nicht zahlte, gegenüber deren VN. Hierdurch waren erneut Rechtsanwaltsvergütungsansprüche angefallen. Entgegen der Auffassung des AG liegen verschiedene Angelegenheiten vor. Das AG hat dann ebenso unzutreffend auch noch eine Kostenquote wegen des angeblichen Unterliegens gebildet; dabei sind die Rechtsanwaltskosten keine streitwerterhöhende Nebenforderung. Leider ist es eine sehr häufige Erfahrung (z.B. auch in Mietwagensachen), dass zwar in der Hauptsache gewonnen wird, dann aber auf der Kostenseite nach einem Weg gesucht wird, dem Klägervertreter “eins mitzugeben”. Schade.

 

Hier das Urteil im Volltext (Download hier):

 

18 C 227/14

Amtsgericht Heinsberg

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit
Prozessbevollmächtigte:
Klägerin,
Rechtsanwälte Busch & Kollegen, Schafhausener Straße 38, 52525 Heinsberg,

gegen

Prozessbevollmächtigte:
Beklagte,
Rechtsanwälte Dr. Sina & Kollegen, Aachener- und Münchener Allee 1, 52074 Aachen,

hat das Amtsgericht Heinsberg
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
06.10.2014
durch die Richterin am Amtsgericht Lürkens für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 80,88 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2014 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte Busch & Kollegen aus 52525 Heinsberg in Höhe von 54,14 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 40%, die Beklagte zu 60%.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(ohne Tatbestand gemäß § 313a ZPO)

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 80,88 € aus §§ 7 Abs.1, 17 Abs.1,2 StVG.
Unstreitig ist der klägerische Pkw bei einem durch die Beklagte allein schuldhaft verursachten Verkehrsunfall beschädigt worden.

Der Höhe nach besteht ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung weiter Sachverständigenkosten von 75,88 €.
Von dem Schädiger sind die Kosten von Sachverständigengutachten zu erstatten, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtverfolgung notwendig sind. Vorliegend ist für die Klägerin die Einholung eines Gutachtens eines Kfz-Sachverständigen erforderlich gewesen, um die erforderlichen Reparaturkosten für sein unfallbeschädigtes Kfz substantiiert beziffern zu können.

Die von dem Sachverständigen abgerechneten Kosten von 379,31 € brutto sind auch insgesamt erstattungsfähig. Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen
bzw. Freistellung hiervon verlangen. Es ist einem Geschädigten vor Erteilung des Gutachterauftrags nicht zuzumuten, „Marktforschung“ zu betreiben und in jedem Fall mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen. Ein Preisvergleich dürfte ohne vorherige Begutachtung des Fahrzeugs durch mehrere Sachverständige auch nur schwer möglich sein. Zudem fehlen Tarifübersichten, anhand derer der Kunde sich informieren könnte, Der Streit über die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten kann daher nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.01.2006, Az. 4 U 49/05, zit. nach juris).
Vorliegend ergibt sich aus einem Vergleich des von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. unter dem 30.06.2014 abgerechneten Honorars mit dem Ergebnis der Honorarbefragung des BVSK aus dem Jahr 2013, dass der Sachverständige sich mit dem von ihm abgerechneten Honorar bzgl. der Grundgebühr und der abgerechneten Nebenkosten (bis auf die Position Schreib- und EDV-Kosten) innerhalb des „HB V Korridors“ bewegt, in dem zwischen 50 und 60% der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen bzw. diesen Korridor sogar unterschreitet. Dann kann jedoch von einer willkürlichen Festsetzung des Honorars durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. keine Rede sein.

Abzüglich des von der Haftpflichtversicherung der Beklagten bereits gezahlten Betrags von 303,43 € verbleibt eine Restforderung der Klägern von 75,88 €.

II.

Zudem hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Kostenpauschale von 25,00 €. Abzüglich von der Haftpflichtversicherung der Beklagten bereits gezahlter 20,00 € verbleibt eine Restforderung von 5,00 €.
Die Zinsforderung beruht auf §§ 286, 288 BGB. Die Klägerin hat die Haftpflichtversicherung der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 01.07.2014 unter Fristsetzung bis zum 15.07.2014 erfolglos zur Zahlung aufgefordert.

III.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zudem einen Anspruch auf Freistellung von weiteren Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 54,15 € für das anwaltliche Aufforderungsschreiben vom 01.07.2014 aus §§ 7 Abs.1, 17 Abs.2 StVG. Unter Berücksichtigung der beiden o.g. Forderungen von 80,88 € ergibt sich ein Gesamtstreitwert von 1.054,31 € und dementsprechend eine Gebührenforderung von 201,71 €. Abzüglich von der Haftpflichtversicherung der Beklagten gezahlter 147,56 € ergibt sich eine Restforderung von 54,15 €.

IV.

Dagegen hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freistellung von weiteren Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 83,54 € aus §§ 7 Abs.1, 17 Abs.1, 2 StVG für das anwaltliche Aufforderungsschreiben vom 15.07.2014. Dem Gericht liegt allein ein anwaltliches Aufforderungsschreiben vom 15.07.2014 vor, mit dem die Klägerin die Haftpflichtversicherung der Beklagten unter Fristsetzung bis zum 18.07.2014 zur weiteren Erstattung auffordert. Selbst wenn mit inhaltsgleichem Schreiben auch die Beklagte zur Zahlung aufgefordert worden ist, handelt es sich nicht um verschiedene Angelegenheiten im Sinne des RVG. Es sind dann weiterhin dieselben Schadenspositionen gegenüber demselben Anspruchsgegner und einem weiteren Gesamtschuldner geltend gemacht worden und damit die Bearbeitung ein und derselben Angelegenheit erfolgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.11, 713 ZPO. Es hat keine Grundlage dafür bestanden, die Kosten nach § 92 Abs.2 Nr.1 ZPO insgesamt der Beklagten aufzuerlegen. § 92 Abs.2 Nr.1 ZPO setzt neben einer Veranlassung keiner oder nur geringfügig höherer Kosten auch eine verhältnismäßig geringfügige Zuvielforderung voraus. Die geltend gemachten Kosten von 83,54 € betragen 40% des fiktiven Streitwertes aus Hauptforderung, Zinsen und Kosten und stellen damit keine geringfügige Zuvielforderung mehr dar (vgl. Zöller/Herget, 27. Auflage, § 92 ZPO, Rn 11).

Streitwert: 63,29 €.

Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung
dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 90, 52070 Aachen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Aachen zu begründen.
Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Aachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vörgelegt werden.

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