AG Erkelenz: Kosten der Beilackierung und Verbringungskosten bei fiktiver Abrechnung

Mit Urteil vom 22.03.2017, Az. 8 C 49/16, hat das AG Erkelenz bei fiktiver Schadensabrechnung (Kostenvoranschlag) die Kosten der Beilackierung und der Verbringung zugesprochen.

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Und hier das Urteil im Volltext:

8 C 49/16

Verkündet am 22.03.2017

Amtsgericht Erkelenz

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit
Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Busch & Kollegen, Schafhausener Straße 38, 52525 Heinsberg,

gegen

die HUK Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, Franzstraße 2, 52045 Aachen,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte:
hat das Amtsgericht Erkelenz

auf die mündliche Verhandlung vom 09.03.2017

durch die Richterin am Amtsgericht Baumeister-Finck

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 573,94 € nebst Zinsen i.H.v. 5
Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 08.03.2016 zu zahlen und die Klägerin
von den Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte Busch und
Kollegen aus 52525 Heinsberg in die Höhe von 78,90 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäߧ§ 313 Abs. 1, 511 Abs. 2
ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 573,94 € gegen
die Beklagte.

Die Parteien streiten über einen restlichen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus
einem Verkehrsunfall vom 12.02.2016 gegenüber der Beklagten. Die 100-prozentige
Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden
Fahrzeuges ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Klägerin hat ihr Fahrzeug nicht
reparieren lassen, sondern rechnet den Schaden fiktiv aufgrund eines
Kostenvoranschlages der Werkstatt Autohaus ab.

Die Klägerin hat noch einen Anspruch auf Zahlung eines restlichen
Schadensersatzanspruches in Höhe eines Betrages von 573,94 €gemäߧ§ 7 Abs.
1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nummer 1 VVG, 249 BGB gegen die Beklagte.
Gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist der Schädiger grundsätzlich verpflichtet, den Zustand
herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand
nicht eingetreten wäre. Gemäߧ 249 Abs. 2 BGB kann wegen Beschädigung einer
Sache der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag
verlangen.

Der Umfang der vom Schädiger zu ersetzenden fiktiven Reparaturkosten richtet sich
nach dem Betrag, der für eine Naturalrestitution “erforderlich” iSd § 249 Abs. 2 S. 1
ist. Hierfür kann sich der Geschädigte entweder auf das Gutachten eines
Sachverständigen oder bei einfach gelagerten Sachverhalten auf den
Kostenvoranschlag einer Kfz-Werkstatt stützen. Dem Schädiger bleibt es jedoch
unbenommen, die Erforderlichkeit der dort angeführten Reparaturen sowie die Höhe
der Aufwendungen zu bestreiten (vgl. Oetker, in: MünchKomm, 7. Auflage 2016,
Rdn. 370).

Die Kosten der Beilackierung der vorderen linken Tür des Fahrzeuges der Klägerin
sind erforderlich. In der Rechtsprechung ist es umstritten, ob die für eine
Beilackierung geschätzten Kosten auch bei einer fiktiven Abrechnung auf
Gutachterbasis zu ersetzen sind, wenn der Sachverständige sie in seinem Gutachten
ausweist und er sie für notwendig erachtet (vgl. dazu AG Brandenburg, NJW-RR
2016, 283 mit umfangreichen Nachweisen).

Das erkennende Gericht geht nach den allgemeinen Schadensgrundsätzen davon
aus, dass auch die Kosten für eine Beilackierung grundsätzlich im Rahmen der
fiktiven Schadenskostenabrechnung ersatzfähig seien können. Dagegen spricht
nicht, dass sich bei dieser Position möglicherweise bei der konkreten
Reparaturmaßnahme herausstellen könnte, dass diese nicht erforderlich ist. Vielmehr
liegt es gerade im Wesen der fiktiven Schadenskostenabrechnung, dass diese mit
gewissen Unsicherheiten belegt ist. Bei sämtlichen Positionen könnte die
Erforderlichkeit infrage gestellt werden, da es denktheoretisch möglich ist, dass der
Sachverständige den Schaden nicht vollständig überblickt hat und daher eine
gegebenenfalls kostengünstigerer Reparaturvariante bei der tatsächlichen
Schadensbehebung festgestellt wird.

Dementsprechend obliegt es zunächst dem Geschädigten darzulegen, welche
Kosten nach der Sicht eines objektiven Dritten erforderlich seien werden. Dieser
Pflicht kommt der Geschädigte in der Regel durch die Vorlage eines entsprechenden
Gutachtens nach. Vorliegend hat die Klägerin einen Kostenvoranschlag vorgelegt,
der von der Erforderlichkeit einer entsprechenden Beilackierung im konkreten
Einzelfall ausgeht.

Zudem steht nach der Beweisaufnahme fest, dass die Kosten für eine Beilackierung
erforderlich sind. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom
20.07.2016, BI. 58 ff. der Akten, ausführlich dargelegt, dass die Beilackierung der
vorderen linken Tür im Entscheidungsfall erforderlich ist. Der Sachverständige hat
ausgeführt, dass eine Beilackierung angrenzender Karosserieteile vor Durchführung
der Reparatur als erforderlich anzusehen ist, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt
sind: es handelt sich um eine Effektlackierung (Metallic-, Perleffekt-,
Mineraleffektfarben), der Schaden befindet sich im Randbereich eines Karosserieteils
oder das beschädigte Karosserieteile muss erneuert werden, das oder die
unmittelbar angrenzenden Karosserieteile befinden sich in gleicher Ebene und dem
optisch wahrnehmbaren Bereich.

Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen des Sachverständigen
im Entscheidungsfall sämtlich vor. Denn es handelt sich vorliegend um
eine Perleffektlackierung, der linke Kotflügelflügel muss unstreitig erneuert werden
und die angrenzende vordere linke Tür befindet sich in gleicher Ebene sowie
aufgrund ihrer Größe und Lage im optisch unmittelbar wahrnehmbaren Bereich.
Daher ist nach den Feststellungen des Sachverständigen H für eine
fachgerechte und vollständige Instandsetzung die Beilackierung der vorderen linken
Tür als erforderlich anzusehen.

Die Feststellungen des Sachverständigen sind überzeugend. Der Sachverständige
hat seine Feststellungen gut nachvollziehbar dargestellt und auch im
Ergänzungsgutachten widerspruchsfrei erläutert.

Danach steht fest, dass die Klägerin die Beilackierungskosten für erforderlich halten
durfte und die Beklagte verpflichtet ist, diese Kosten der Klägerin zu ersetzen.
Die Beklagte ist ferner verpflichtet, die Kosten für die Erneuerung des Stoßfängers
vorne zu ersetzen. Der Sachverständige hat festgestellt, dass selbst der
der von der Beklagten eingesetzte Gutachter des DEKRA von einer schweren
Beschädigung des Kunststoffmaterials des Stoßfängers ausgegangen ist. Denn es
sei eine lnstandsetzungszeit des Stoßfängers von 1 Stunde angesetzt worden.
Danach sei davon auszugehen, dass eine schwere Beschädigung des
Kunststoffmaterials vorliegen würde. Anhand der vorliegenden Fotos sei der
Beschädigungsumfang annäherungsweise einzugrenzen. Die deutlich veränderte
Kontur der Stoßstange lasse grundsätzlich eine Erforderlichkeit der Erneuerung
vermuten. Erfahrungsgemäß sei bei dem vorliegenden Verformungsumfang auch
nicht auszuschließen, dass an der Innenseite der Stoßfängerverkleidung die
Aufnahmen der Stoßfängerführung beschädigt wurden. Die Erforderlichkeit einer
Erneuerung der Stoßfängerverkleidung sei wesentlich wahrscheinlicher als eine
fachgerechte Instandsetzung der Stoßfängerverkleidung. Demnach durfte die
Klägerin von Erforderlichkeit der Erneuerung des Stoßfängers ausgehen. Denn nach
den Feststellungen des Sachverständigen Hagmanns ist es wahrscheinlicher, dass
eine Erneuerung erforderlich ist und eine fachgerechte Instandsetzung nicht möglich
ist.

Ferner hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der Verbringungskosten i.H.v.
99 €. Auch bei einer fiktiven Abrechnung sind Verbringungskosten ersatzfähig. Die
Ersatzfähigkeit wird bejaht, wenn ein öffentlich bestellter vereidigter KfzSachverständiger unter Berücksichtigung der örtlichen Gepflogenheiten zu dem Ergebnis gelangt, dass im Falle einer Reparatur in der Region bei
markengebundenen Fachwerkstätten typischerweise LI PE-Aufschläge und
Verbringungskosten erhoben werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2012, Az. 1
1 U 108 / 11, zitiert nach juris). Zwischen den Parteien ist zum einen unstreitig, dass
es sich bei der Werkstatt, welche den Kostenvoranschlag erstellt hat, um die
Fachwerkstatt handelt, bei welcher die Klägerin ihr Fahrzeug regelmäßig reparieren
lässt. Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, dass diese Fachwerkstatt keine eigene
Lackiererei hat. Weil die Klägerin ihr Fahrzeug bei der Werkstatt, welche den
Kostenvoranschlag erstellt hat, reparieren lassen durfte, hat sie auch einen Anspruch
auf Zahlung der Verbringungskosten. Denn diese würden im Falle der Reparatur
angefallen. Zudem ist gerichtsbekannt, dass im Großraum Heinsberg die
markengebundenen Kfz Werkstätten typischerweise über keine eigene KfzLackiererei
verfügen, so dass weitere Fahrzeugverbringungskosten anfallen.
Von dem Kostenvoranschlag der Werkstatt der Klägerin sind allein Kosten i.H.v.
62,50 € abzuziehen. Denn der Sachverständige ist zu dem Ergebnis
gekommen, dass zunächst zu klären sei, ob die Fehlstellung der Achsgeometrie im
Zusammenhang mit dem Schadensereignis steht und welche Teile der
Radaufhängung und Lenkung klassisch verformt und überlastet wurden und
demnach auszutauschen seien. Der Sachverständige kommt daher zu dem
Ergebnis, dass der Abzug von den Lohnarbeiten für die Position „Spur Vorderräder
einstellen” aus dem Kostenvoranschlag abzuziehen sei.

Der Sachverständige kommt insgesamt zu dem Ergebnis, dass
Reparaturkosten in Höhe eines Betrages von 2176,60 € netto für die Reparatur des
Fahrzeuges der Klägerin erforderlich sein. Weil die Beklagte nach dem Vortrag der
Klägerin 1602,66 € auf die Reparaturkosten gezahlt hat, hat die Klägerin noch einen
Anspruch auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 573,94 € gegen die Beklagte.

Die Klägerin hat ferner einen Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen
Anwaltskosten. Die Klägerin hatte einen Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen
Anwaltskosten zu einem Gegenstandswert i.H.v. 2176,60 €. Dies war ein Betrag
i.H.v. 334,75 €. Weil die Beklagte hierauf 255,85 € gezahlt hat, steht der Klägerin
noch ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 78,90 € zu.
Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 286, 288 BGB. Mit anwaltlichem Schreiben der
Klägerin vom 24. 2. 2016, BI. 11 der Akten, wurde die Beklagte zur Zahlung des für
die Reparatur erforderlichen Betrages bis zum 07.03.2016 aufgefordert. Ab dem
08.03.2016 befand die Beklagte sich demnach in Verzug mit der Zahlung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den§§ 92 Abs. 1, 713 ZPO.

Streitwert: 636,44 €

Baumeister-Finck
Rechtsbehelfsbelehrung:

[…]


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