Das OVG Münster (Beschluss vom 24.01.2008, 16 B 1269/07, VRR 2008, S. 276) hat entschieden, dass der nachträgliche Wegfall aufgrund der Einstellung eines Bußgeldverfahrens rückwirkend in einem Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis zu berücksichtigen ist. Dem Antragsteller wurde im entschiedenen Fall die Fahrerlaubnis wegen Überschreitens der 18-Punkte-Grenze (§ 4 Abs. 3 S. 1 Ziffer 3 StVG) entzogen; zu diesem Zeitpunkt waren im Punktekonto 3 Punkte wegen eines bestimmten Verkehrsverstoßes enthalten. Der Antragsteller schaffte es aber, durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dieses Verfahren wieder aufnehmen und einstellen zu lassen. Das OVG hat die damit zusammenhängende Punktereduzierung berücksichtigt, obwohl sie sich erst im laufenden Beschwerdeverfahren ergab.
Dieser Fall ist zu unterscheiden von Fällen, in denen aufgrund der sog. Tilgungsreife eine Reduzierung des Punktestandes entsteht. Es ist umstritten, ob und wie sich eine Reduzierung des Punktestandes im Widerspruchsverfahren auswirkt, wenn die Behörde zuvor beispielsweise die Fahrerlaubnis entzogen hatte. Man war eigentlich aufgrund einer “Faustformel” der Ansicht, dass entscheidend der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung sein sollte. So hat das OVG Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 29.07.2002, zfS 2003, 321) in einem entsprechenden Fall vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis gewährt. Es war also angebracht, die Entscheidung im Widerspruchsverfahren hinauszuzögern, um ggf. die bevorstehende Tilgungsreife von Entscheidungen herbeizuführen. Nach einer Entscheidung des VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 17.02.2005, zfS 2005, 418) ist diese Auffassung allerdings in’s Wanken geraten. Auch das hiesige OVG Münster hat sich der Auffassung angeschlossen, dass es allein auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der behördlichen Verfügung ankomme (DAR 2007, 164).
Ebenfalls umstritten ist die Frage, auf welchen Zeitpunkt es für das Erreichen eines bestimmten Punktestandes ankommen soll. Dies ist z.B. in Fällen zu berücksichtigen, in denen eine Punktereduzierung wegen eines Aufbauseminars zu berücksichtigen ist, gleichzeitig bzw. zeitlich überlappend (Tattag – Rechtskraft) aber auch weitere Punkte wegen eines Verkehrsverstosses hinzukommen. Favorisiert wird in diesen Fällen das Rechtskraftprinzip, d.h. abzustellen ist bei den neu hinzugekommenen Punkten auf das Datum der Rechtskraft des (neuen) Bescheids. Die Punktereduzierung ist also zunächst zu berücksichtigen (wobei darauf hinzuweisen ist, dass es kein Eintragungsdatum für die Punktereduzierung gibt).
Einen sehr guten Überblick über die damit zusammenhängenden Probleme gibt RA Ziegert, “Rechtsfragen zum Punktsystem”, u.a. abgedruckt in der Schriftenreihe ARGE Verkehrsrecht, Homburger Tage 2007.