Das OLG Braunschweig (Urteil vom 27.07.2010, Az. 7 U 51/08, VRR 2010, 466) ist der Auffassung, dass ein Geschädigter auch nach erfolgter Reparatur auf eine gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit verwiesen werden kann, es sei denn, er hat das Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt repariert.
Es handelt sich hierbei um eine der wenigen Fragen, die der BGH im Rahmen der “fiktiv/konkret-BMW, Porsche, VW, Mercedes-usw”-Rechtsprechung noch nicht entschieden hat. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn mich entsprechende Kürzungsschreiben einer Versicherung erreichen, die den Geschädigten im Rahmen der fiktiven Abrechnung auf eine andere günstigere Werkstatt verweisen wollen. Wenn aber die Rechnung einer markengebundenen Fachwerkstatt vorgelegt werde, dann würden deren Kosten erstattet. So hatte sich der BGH wohl auch in der Entscheidung vom 20.10.2009 (VI ZR 53/09), dort Rnr. 15 etwas missverständlich ausgedrückt:
“Deshalb kann auch dieser Umstand es rechtfertigen, der Schadensabrechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen, obwohl der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer dem Geschädigten eine ohne Weiteres zugängliche, gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit aufzeigt. Dies kann etwa auch dann der Fall sein, wenn der Geschädigte konkret darlegt (zur sekundären Darlegungslast vgl. etwa Senatsurteil BGHZ 163, 19, 26), dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder – im Fall der konkreten Schadensberechnung – sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch die Reparaturrechnung belegt.”
Wenn ich diesen Passus richtig verstehe, soll eine Kürzung nicht möglich sein, wenn der Geschädigte – nicht nur für die Vergangenheit – sondern gerade im aktuellen Schadensfall eine Reparaturrechnung der Markenwerkstatt vorlegt. Das ist meines Ermessens völlig inkonsequent. Entweder kann verwiesen werden oder nicht – nur wenn die übrigen Voraussetzungen für die Geltendmachung der Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt vorliegen, ist auf deren Basis abzurechnen. Andernfalls gibt man der Vermutung Vorschub, dass die Entscheidungen des BGH darauf beruhen, ein Geschädigter wolle sich mit der fiktiven Abrechnung auf Basis des Gutachtens an den Stundensätzen der markengebundenen Fachwerkstatt “bereichern”.
Hallo Herr Kollege Frese,
ich meine, dass der 7. Zivilsenat des OLG Braunschweig in obigem Urteil das BGH-Urteil konsequent umgesetzt hat. Eine “Bereicherung”, wie Sie sie annehmen, kann es nicht geben, da der Geschädigte ja aufgrund des § 249 BGB den grds. Anspruch auf die Stundensätze der Markenfachwerkstatt hat, und zwar insbesondere dann, wenn er sein Restitutionsinteresse dadurch belegt, dass er die Rep-Rechnung der Markenwerkstatt vorlegt (vgl. BGH VI ZR 53/09). Ihm ist es aber gleichgestellt, ob er konkret oder fiktiv abrechnen will. Rechnet er foktiv av, kann er unter den Voraussetzui8ngen des VW-Urteils auf preisgünstigere gleichwertige Reparaturmöglichkeiten verwiesen werden, wenn sein Fahrzeug äkter als drei Jahre ist, das Fahrzeug nicht “scheckheftgepflegt” und wenn keine Garantieverluste drohen. Wenn die Stundensätze auf Vereinbarungen mit dem Versicherer beruhen und nicht marktübliche Preise sind, ist eine Verweisung ebenfalls nicht möglich.
Im Falle der Vorlage der Rep-Rechnung hat der Geschädigte seinen erlittenen Schaden dargelegt. Wenn der Versicherer meint, der Geschädigte habe mit der Reparatur in der Markenwerkstatt seine Schadensgeringhaltungspflicht berletzt, § 254 BGB, so muss er darlegen und beweisen, dass der Geschädigte gerade in seiner Situation (subjektbezogene Schadensbetrachtung) die Markenwerkstatt nicht hätte beauftragen müssen. Schon bei längeren Garantien kann und muss der Geschädigte als Laie davon ausgehen, dass eine Reparatur in der Markenfachwerkstatt gerade für sein Fahrzeug und den eingtretenen Schaden genau das richtige ist. Dabei kann er sich auch auf das Schadensgutachten beziehen, in dem der Sachverständige gerade die Stundensätze der markengebundenen Fachwerkstatt eingesetzt hat.
Ich bin gerade nicht der Auffassung, dass sich der Geschädigte bereichern will. Ich denke nur, dass das die Stoßrichtung der Versicherungswirtschaft ist. Wer nur fiktiv abrechnet und dann woanders (günstiger) reparieren lässt – “das geht gar nicht”. Dabei wird dann wie immer ignoriert, dass der Geschädigte mit dem gezahlten Schadensersatz machen kann, was er will. Ob und wie viel er für die Reparatur einsetzt, ist seine Sache. Mir geht es hauptsächlich um die Inkonsequenz. Für ein nicht entsprechend der BGH-Rechtsprechung privilegiertes Fahrzeug kann es doch – egal ob fiktiv oder konkret – nur die Stundensätze einer günstigeren, gleichwertigen Werkstatt geben. Wer in diesem Fall bei Vorlage der Rechnung die Stundensätze der Markenwerkstatt zahlt, entlarvt sein fiktives Abrechnungsmodell als reine Schadenkürzungsmaßnahme.
Sehr geehrter Herr Kollege,
mit Ihrem letzten Satz gehe ich vollkommen konform. Ich verweise insoweit auf das Urteil des AG Kerpen und die Berufungsentscheidung des LG Köln, zuletzt bei Captain-Huk eingestellt. Lesenswert ist die Kritik an der Rechtsprechung des VI. Zivilsenates.
Mit freundl. koll. Grüßen