Die NJW (Ausgabe 40/2011, NJW aktuell, S. 10) berichtet von der amtsgerichtlichen Entscheidung des AG Ratzeburg (Urteil vom 30.12.2010, Az. 15 C 313/09), die vom LG Lübeck (Urteil vom 08.07.2011, Az. 1 S 16/11) bestätigt wurde. Der fahrradfahrende Unfallgeschädigte erhielt für 35 Tage Nutzungsausfall in Höhe von 195,90 € (also täglich ca. 5,60 €). Hierzu wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt und der hierbei ermittelte Mietzins um den Gewinn des Vermieters in Höhe von 40 % gekürzt. Zutreffenderweise hat das Gericht dem Grunde nach einen Anspruch auf Nutzungsausfall anerkannt. Die Rechtsprechung bejaht zwar nur in wenigen Fällen eine Entschädigung in Form des Nutzungsausfalls, wenn eine Sache beschädigt wird. Der BGH (in BGHZ 40, S. 345 ff.) hatte damals festgestellt:
„Die Möglichkeit, jederzeit und sofort einen Kraftwagen, der in der Garage oder vor der Tür des Hauses steht, benutzen zu können, wird heute allgemein als ein wirtschaftlicher Vorteil angesehen, gleichgültig, ob und wie oft man von dem Wagen Gebrauch macht.
Deshalb erleidet der Eigentümer durch den Ausfall seines Wagens wirtschaftlich gesehen einen Schaden bereits in dem Augenblick, indem der Wagen beschädigt wird und infolge dessen eine gewisse Zeit nicht nutzbar ist.“
Die damalige Erwägung des BGH
“Noch stärker als in dem vom erkennenden Senat entschiedenen Seereisefall (Urteil v. 07.05.1956, III ZR 243/54, in NJW 1956, 1234) gilt hier der Satz, dass die Benutzungsmöglichkeit des Wagens angesichts dessen, dass sie in aller Regel nur durch entsprechende Vermögensaufwendungen „erkauft“ werden kann, tatsächlich „kommerzialisiert“ worden ist, so dass eine Beeinträchtigung dieser Benutzungsmöglichkeit auch eine Beeinträchtigung des – mit den gemachten Vermögensaufwendungen erstrebten – vermögenswerten Äquivalentes darstellt.“
kann also auch auf Fahrräder übertragen werden.
Wegen der Ermittlungs des Ausfalls im Einzelfall kann die Entscheidung wegen der Höhe nicht generalisiert werden.
Sehr geehrter Herr Kollege Frese,
zunächst einmal ein Kompliment für Ihre überaus informative Seite zu allen Fragen rund um das Verkehrsrecht.
Bei der Frage des Nutzungsausfalls für Fahrräder kann ich auch aus eigener Erfahrung berichten, dass die Versicherer einen solchen vorgerichtlich praktisch nie zahlen.
Ich habe für meinen Mandanten kürzlich ein Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte erstritten, das sogar eine Nutzungsausfallentschädigung von 15,00 EUR pro Tag für den gesamten Wiederbeschaffungszeitraum von 14 Tagen zusprach (AG Mitte, Urteil vom 24.02.2011, 10 C 3021/10).
Das zuvor eingeholte Privatgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für das Zweiradmechanikerhandwerk ermittelte diesen Wert. Das Gericht schloss sich dieser Einschätzung an.
Es handelte sich hierbei um ein hochwertiges, ca. 3.200,00 EUR teures Carbon-Rennrad, das erst ein halbes Jahr alt war, fast täglich für die Fahrt zur Arbeit und das Training genutzt und durch einen Unfall irreparabel am Carbon-Rahmen und weiteren Teilen beschädigt wurde.
Interessant an dieser Entscheidung war auch, dass das Gericht mit der Unsitte der Versicherer aufräumte, wonach bei einem wirtschaftlichen Totalschaden eines Fahrrads ähnlich wie bei Kfz ein Restwert anzusetzen sei, da intakte Teile – die hier durchaus und unbestritten noch vorhanden waren – noch veräußert werden könnten.
Mit erfreulicher Klarheit erteilte das Gericht dieser Argumentation eine Abfuhr und stellte richtigerweise fest, dass anders als im Kfz-Bereich ein professioneller Markt für Restwertaufkäufer nicht existiert und sich der Geschädigte nicht auf private Verkaufsbemühungen (ebay o.ä.) verweisen lassen muss.
Insgesamt ein guter Tag für geschädigte Radfahrer. Bleibt zu hoffen, dass sich diese Erkenntnis auch bei den Versicherern durchsetzt.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen aus Königs Wusterhausen
Jeschke, Rechtsanwalt
Hi, vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel. Ich habe ohne Rechtsanwalt 7€/Tag bekommen für einen Schaden meines 2600€ teuren Mountainbikes. Solche Artikel sind wichtig, damit normale Menschen wie ich wissen, was ihnen zusteht.
Mit freundlichem Grüßen
Philipp