Beitrag vom 12.05.2009:
Der BGH hat mit Urteil vom 12.03.2009, Az. VII ZR 88/08, einen interessanten Fall aus dem Kaskoversicherungsrecht und Haftpflichtrecht entschieden.
Das Fahrzeug des Klägers wurde zunächst in der Waschstraße der später Beklagten im Bereich der Frontschürze beschädigt. Ob die Beklagte hierfür eintrittspflichtig ist, ist streitig. Sodann erlitt der Kläger einen selbstverschuldeten Auffahrunfall, bei dem die Frontschürze vollständig funktionsuntüchtig wurde. Die Reparatur dieses Schadens hat er über seine Vollkaskoversicherung abgewickelt, die er allerdings nicht über den bereits vorher eingetretenen Schaden informierte. Von der Beklagten verlangte der Kläger Schadensersatz auf der Basis eines Kostenvoranschlags.
Der BGH gab dem Kläger grundsätzlich Recht, was sein Verlangen nach Schadensersatz angeht. Es sei zunächst irrelevant, dass der Schaden zum Zeitpunkt des weiteren Unfalls nicht repariert gewesen sei; durch die später erfolgte Reparatur ist dieser Anspruch insbesondere nicht untergegangen. Der Kläger könne mit dem Geldbetrag, den er ersetzt verlange, anfangen was er wolle. Er sei insbesondere nicht zu einer Reparatur verpflichtet gewesen.
Die Zahlung des Kaskoversicherers führe nicht dazu, dass der Schaden des Klägers weggefallen sei. Insbesondere liege kein Forderungsübergang gem. § 67 VVG (a.F.) vor. Die Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Schadensersatz gegen die Beklagte und sein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag gegen seine Kaskoversicherung seien nicht gleichstufig, deswegen bestehe auch keine Gesamtschuld zwischen den beiden, zumal es sich auch um unterschiedliche Lebensvorgänge handele.
Der BGH lehnt auch eine Anrechnung unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsanrechnung ab. Er bestätigt seine ständige Rechtsprechung, wonach nicht alle durch das schadensbedingte Ereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen sind. Dies sind vor allem Vorteile, die sich der Geschädigte durch eigene Anstrengungen “erkauft” hat (hier: Zahlung der Versicherungsprämie für die Vollkaskoversicherung). In diesen Fällen wäre eine Anrechnung eine unzumutbare Entlastung des Schädigers.
Sehr deutlich führt der BGH aus, dass eine Erfüllungswirkung der Zahlung der Kaskoversicherung nicht angenommen werden könne. Dies hat Auswirkungen auch auf andere Fälle. Ich erlebe es sehr häufig, dass in Unfallsachen zunächst die gegnerische Haftpflichtversicherung klageweise in Anspruch genommen wird und, nachdem die Verteidigungsbereitschaft erklärt wird, der Kläger seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nimmt. Bis auf den Rest des dann nach dem sog. Quotenvorrecht verbleibenden Betrags wird die Klage für “erledigt” erklärt. Dieser “vergütungsoptimierte” Weg dürfte nunmehr versperrt sein, denn die Zahlung der Kaskoversicherung ist damit kein erledigendes Ereignis im Sinne des § 91a ZPO. Man sollte sich also schon außergerichtlich dafür entscheiden, ob man die Vollkaskoversicherung in Anspruch nimmt.
Update 14.01.2014:
Mit Urteil vom 13.12.13, Az. 1 U 51/13, hat das OLG Karlsruhe entschieden, dass die Zahlung eines Kaskoversicherers kein erledigendes Ereignis darstellt. Bestenfalls kann der Kläger dann gem. § 269 Abs. 3 S. 3 eine Klagerücknahme mit Kostenantrag vornehmen. Allerdings sei nach Ansicht des OLG selbst dann eine Kostenteilung vorzunehmen, wenn sich die gegnerische Versicherung in Verzug befunden hat.