Der Visiertest, das Messprotokoll und der gottähnliche Messbeamte

Dem Mandanten wurde vorgeworfen, zu schnell gefahren zu sein. Er wurde mit einer “Laserpistole” Riegl FG 21 P gemessen. Der ordentliche Messbeamte erstellte ein Protokoll über die Messung, die heute ca. 10 Monate zurückliegt. Den Nulltest und den Test der Visiereinrichtung habe er auf das Verkehrszeichen 415 gemacht. Da musste ich erst einmal nachschauen, was das ist. Es handelt sich um den gelben rechteckigen Wegweiser mit Ortsnamen.

Dem Mandanten ging es eigentlich um etwas anderes. Er war nämlich erst kurz vor der Messung (ca. 40-50 m) auf die Straße aufgefahren. Dort kann er unmöglich eine Geschwindigkeit von 81 km/h erreicht haben.

Der Messbeamte versuchte die Richterin von seiner Perfektion zu überzeugen. Auch von seinem völlig ungetrübten Erinnerungsvermögen. Höchst selten ist die Spezies anzutreffen, die offen und ehrlich zugibt, sich nicht mehr konkret erinnern zu können und seine Aussage nur anhand der schriftlichen Aufzeichnungen machen zu können.

Leider sagte er heute aus, er habe die Nullmessung auf die Rückseite des “70er”-Schilds gemacht. Das ist bekanntlich Zeichen 274. Das kannte er auf Zuruf nicht. Ich habe ihn dann etwas überspitzt gefragt, wenn ich ihn (Dunkelheit einmal außer acht lassend) um 3 Uhr nachts aus dem Bett hole, ob er dann Nulltest und Visierüberprüfung hinkriegt. Ja, lautete die Antwort. Ebenfalls bejaht wurde die Frage, dass er immer an dieser Messstelle auf das 70er-Schild halte. Aha. Kritische Nachfragen, ob es mit seinem Erinnerungsvermögen vielleicht doch nicht so gut bestellt sei, wischte er weg.

Daraufhin habe ich dem Zeugen das Messprotokoll vorhalten lassen. Ich hätte auch die Aussage so stehen lassen können mit der Folge, dass der Mann danach wahrscheinlich als Zeuge verbrannt gewesen wäre. So ein Strafverfahren wegen uneidlicher Falschaussage macht sich nicht gut in einer Polizeibeamtenkarriere. Wer jetzt ein Wort der Entschuldigung oder Korrektur erwartete, sah sich getäuscht. Wenn er das damals so aufgeschrieben habe, dann sei das so gewesen. Auch die Hinweise darauf, dass ich zigmal genau nach diesem Punkte gefragt hatte und der Zeuge bei seiner ursprünglichen Aussage geblieben war, vermochte keine Einsicht zu erzeugen. Im Gegenteil: er mache halt so 700-900 Messungen im Jahr, da könne er sich doch nicht an jede einzelne erinnern – entrüstete er sich. Aber die Frage nach dem Erinnerungsvermögen zu Anfang ohne Einschränkung bejahen…sicher.

 

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