AG Viersen spricht erneut Verbringungskosten zu

Das Amtsgericht Viersen hat mit Urteil vom 30.11.2018, Az. 31 C 149/18, die rechtswidrig gekürzten Verbringungskosten zugesprochen. Damit hat diese Abteilung des Amtsgerichts die Rechtsprechung der anderen Abteilung fortgeführt. In dem Rechtsstreit wurden alle Angestellten der Reparaturfirma bis hin zur Buchhaltung zu Ausforschungszwecken als Zeugen benannt und tatsächlich auch vom Gericht befragt. Es ist unfassbar, mit was für einem Aufwand selbst minimale Forderungen erstritten werden müssen.

Hier das Urteil (Download hier möglich) im Volltext:

31 C 149/18

Amtsgericht Viersen

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

Prozessbevollmächtigte:

Klägerin,

Rechtsanwälte Hans-Peter Busch u.a.,
Schafhausener Str.38, 52525 Heinsberg,

gegen

die HUK Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter
Deutschlands a.G. in Coburg, vertr.d.d. Vorstandvors. Wolfgang Weiler, Martin-Greif-Straße 1, 80222 München,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte LLH, Königstraße 4, 47051
Duisburg,

hat das Amtsgericht Viersen

im vereinfachten Verfahren gemäߧ 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
30.11.2018

durch den Richter am Amtsgericht Eckert

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 128,50 €nebst Zinsen i.H.v. 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.02.2018
zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Ohne Tatbestand (gemäߧ 313a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WG begründet. Die Klägerin hat gegen die
Beklagte einen Anspruch auf Erstattung restlicher Verbringungskosten aus dem
streitgegenständlichen Unfall vom 03.01.2018.
Die Klägerin ist hinsichtlich der restlichen Verwaltungskosten aktivlegitimiert. Das
folgt daraus, dass sie (beides ist Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs) den
Reparaturauftrag auf ihre Kosten erteilt hat und Eigentümerin des verunfallten PKW
ist. Das Eigentum am Unfallwagen ist von der Beklagten zwar bestritten worden. Das
Eigentum der Klägerin ist aber nach § 1006 Abs. 1 BGB zu vermuten, denn unstreitig
hat der Fahrer des Fahrzeuges zum Unfallzeitpunkt, ein Herr , das Fahrzeug
für die Klägerin (i.S.d. § 855 BGB oder § 868 BGB) “besessen”. Die Vermutung hat
die Beklagte nicht widerlegt.
Die dem Grunde nach volle Verantwortung der Beklagten steht zwischen den
Parteien außer Streit, so dass sich der ersatzfähige Schaden nach den §§ 249ff.
BGB richtet. Zum gern. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Wiederherstellung erforderlichen
Geldbetrag zählen auch die restlichen Verbringungskosten.
Es ist anerkannt, dass der Geschädigte im Rahmen dieser Vorschrift die
Aufwendungen ersetzt verlangen kann, die ein verständiger wirtschaftlich denkender
Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte.
Im Rahmen der Überprüfung von ihm gegenüber abgerechneten Beträgen – wie hier
den Verbringungskosten – sind die Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des
Geschädigten zu berücksichtigen.
Hieraus folgt, dass die Verbringungskosten dann ersatzfähig sind, wenn tatsächlich
eine Verbringung stattgefunden hat und diese dem Geschädigten – hier der Klägerin

  • in Rechnung gestellt worden ist (vgl. AG Bremen Urt. v. 28.4.2017 – 19 C 509/16,
    BeckRS 2017, 149149, beck-online). Demgegenüber ist irrelevant, ob die
    Verbringungskosten im Innenverhältnis zwischen Reparaturwerkstatt und
    Lackiererbetrieb angefallen sind und in welcher Höhe sie abgerechnet wurden. Denn
    dieses Rechtsverhältnis ist für den Geschädigten regelmäßig weder einsehbar noch
    könnte er darauf Einfluss nehmen.
    Dass die Verbringungskosten der Klägerin in Rechnung gestellt worden sind, ist
    zwischen den Parteien unstreitig. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das
    Amtsgericht auch m’it überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) davon
    überzeugt, dass eine Verbringung tatsächlich stattgefunden hat.
    Dies folgt aus einer Würdigung des gesamten Streitstoffs unter besonderer
    Berücksichtigung der Zeugenaussagen.
    Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das klägerische Fahrzeug lackiert worden
    ist.
    In ihrer schriftlichen Vernehmung haben folgende Zeugen ausgesagt, dass die Firma
    Hölter über keine eigene Lackiererei verfügt: der Sachverständige (Blatt 73
    der Akten), der Angestellte E t (Blatt 75 der Akten), der kaufmännische Leiter der
    Firma (Blatt 78 der Akten), der Kfz-Meister er (Blatt 87
    der Akten), der Zeuge J (Blatt 92 der Akten). Der Sachverständige
    hat auch ausgeführt, er habe mehrmals beobachtet, dass zum Lackierer
    abgeschleppt worden sei oder von dort kommend abgeladen.
    Demgegenüber hat kein einziger Zeuge die mit der Gestaltung der Internetpräsenz
    begründete Vermutung der Beklagten bestätigt, die Firma verfüge über eine
    eigene Lackiererei.
    Dass all die vorgenannten Zeugen geschlossen (durch eine Ortsbegehung leicht
    überprüfbar) falsche Angaben machen und sich damit dem Risiko der Strafverfolgung
    aussetzen, hält das Gericht für sehr unwahrscheinlich, zumal die Zeugen teilweise –
    z.B. der Zeuge N n (Blatt 78 der Akten) – durch Bezugnahme auf ihm vorliegende
    Rechnungen weitere Mittel zur Überprüfbarkeit ihrer Aussage sogar mitbekundet
    haben.
    Der Höhe nach ist auch der eingeklagte Restbetrag ersatzfähig. Auf die Frage der
    Ortsüblichkeit der Verbringungskosten kommt es nicht an, weil nicht fiktiv
    abgerechnet wird, sondern konkret. Bei der konkreten Abrechnung ist der
    Rechnungsbetrag allenfalls im Rahmen der zulasten des Geschädigten
    durchzuführenden Plausibilitätskontrolle nach unten zu korrigieren. Hierbei ist bei
    Verbringungskosten allerdings Zurückhaltung geboten, weil Unfallgeschädigte
    regelmäßig nicht über Erfahrungswerte in diesem Bereich verfügen, die sie zur
    Überprüfung der Rechnung fruchtbar machen könnten. Die Plausibilitätskontrolle
    kann hier zudem bereits deshalb nicht zu einem negativen Ergebnis für die Klägerin
    führen, weil die Verbringungskosten in streitgegenständlicher Höhe für den Kläger
    auch aus dem vorprozessualen Sachverständigengutachten (BI. 17 der
    Akten) als erforderliche Reparaturkosten ausgewiesen waren. Anhaltspunkte,
    weshalb das Gutachten in diesem Punkt falsch hätte sein sollen und die Klägerin
    dies hätte erkennen können müssen, sind nicht ersichtlich. Da es aber hierauf
    ankommt und nicht auf eine Ex-post-Beurteilung der Marktsituation, musste auch das
    von Beklagtenseite angebotene Sachverständigengutachten nicht eingeholt werden.
    Die zugesprochenen Zinsen folgen aus § 288 Abs. 1 BGB.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Absatz 1 S. 1,708 Nr.
    11,713ZPO.

Der Streitwert wird auf 128,50 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Eckert