Beitrag vom 06.08.2008:
In letzter Zeit häufen sich bei mir die Verkehrsunfälle, in denen der eigentlich vorfahrtsberechtigte Fahrzeugführer mit nach rechts eingeschalteten Fahrtrichtungsanzeiger an einer Einmündung nicht abbiegt, sondern geradeaus weiterfährt. Man bleibt besser stehen, bis dieses Fahrzeug eindeutig abbiegt. Andernfalls droht eine erhebliche Mithaftung. Ist nur der Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet und der andere Fahrzeugführer macht sonst in keiner Form deutlich, dass er abbiegen will, wird ihm in der Regel nur die Betriebsgefahr angerechnet; er erhält also eine Quote von 75 % seiner Ansprüche. Dies hat jüngst das OLG Saarbrücken in seinem Urteil vom 11.03.2008, Az. 4 U 228/07, entschieden:
“Der Wartepflichtige darf trotz eingeschalteter rechter Blinkleuchte des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs nur dann auf dessen Abbiegen vertrauen, wenn sich dieses außer durch Betätigung der Blinkleuchte in der Gesamtschau der Fahrsituation – sei es durch eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit, sei es durch den Beginn des Abbiegens selber – zweifelsfrei manifestiert (§ 8 StVO).”
Als Wartepflichtiger hat man selten eine Chance, diese anderweitigen Umstände darzulegen und zu beweisen. Dem von mir vertretenen Beklagten im Verfahren vor dem Amtsgericht Mönchengladbach, Az. 36 C 133/08 (Urteil vom 31.07.2008, noch nicht rechtskräftig), ist dies gelungen, weil er sich unmittelbar nach dem Unfall die Daten von Unfallzeugen aufgeschrieben hatte. Die herbeigerufene Polizei hatte dies nicht für nötig befunden. Die beiden Zeuginnen haben dann zur Überzeugung des Richters die beiden Tatsachen geschildert, dass der vorfahrtsberechtigte Fahrzeugführer nicht nur den rechten Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte, sondern auch langsamer wurde, als er sich auf die einmündende Straße zubewegte. Das Gericht tendiert laut den Urteilsgründen sogar dazu, eine Alleinhaftung des Klägers anzunehmen. Dies wurde letztendlich nicht entschieden, weil die Haftpflichtversicherung des vorfahrtsverletzenden Fahrzeugs bereits 50 % des Schadens bezahlt hatte. Im Ergebnis wurde die Klage abgewiesen.
Update 23.01.2014:
Das LG Saarbrücken (Urteil vom 07.06.2013, AZ. 13 S 34/13, NJW 2014, S. 235) hat entschieden, dass ein Vorfahrtsberechtigter bei einer Kollision mit 20 % haftet, wenn er durch das Setzen eines falschen Blinksignals eine Gefahrenlage schafft.
Der Quotenanteil des OLG Saarbrücken scheint mir sehr hoch, oder?! Ich selbst bin zwar seit Jahren kein Zivilrechtler mehr im Bereich des Verkehrsrechts, doch kenne ich solche diskussionen mit Kollegen und Anwälten. Ich denke rein gefühlsmäßig über 50 % darf der Quotenanteil in eibnem solchen Fall kaum gehen. Natürlich kommt es auf die vom OLG Saarbrücken genannte “Gesamtschau” an. Vielleicht ergeben sich ja noch andere Besonderheiten im Rahmen des zugrundeliegenden Sachverhaltes…
Die Haftungsquote hing wohl auch damit zusammen, dass der Kläger den Blinker vor Erreichen der Kreuzung wieder ausgeschaltet hatte.