AG Erkelenz zur Fußgängerhaftung und fiktivem Nutzungsausfall

Das AG Erkelenz hat mit einem interessanten Urteil vom 18.09.2015 (Az. 14 C 35/13) einen Fußgänger zum vollen Schadensersatz verurteilt, hierunter auch fiktivem Nutzungsausfall. Der Fußgänger war der von mir vertretenen PKW-Fahrerin plötzlich vor das Auto gelaufen.

Die Klägerin hatte auch ohne Rechtsschutzversicherung den Mut, trotz der diversen Störmanöver der eintrittspflichtigen Versicherung (Allianz), des Bevollmächtigten des Beklagten (Flucht in die Widerklage) und eines widerspenstigen gerichtlichen Sachverständigen den Rechtsstreit zu führen. Diese Sache dürfte die mit der längsten Bearbeitungsdauer seit langem sein; der eigentlich recht simpel gestrickte Unfall ereignete sich bereits im Jahr 2012. Die von den Beklagten provozierten Gutachten verlängerten den Rechtsstreit völlig unnötig. Die Klägerin hätte im Laufe des Rechtsstreit fast schon “hingeschmissen”, da sie altersbedingt die Sache fast nicht mehr verarbeiten konnte. Wie gut. dass sie auf mein Zureden hin die Sache weiter betrieben hat und auch die Kostenvorschüsse aufgebracht hat.

Hier das Urteil im Volltext (Download hier):

Beglaubigte Abschrift (Telekopie gemäß § 169 Abs. 3 ZPO)
Verkündet am 18.09.2015

14 C 35/13

AMTSGERICHT ERKELENZ
IM NAMEN DES VOLKES

Urteil
ln dem Rechtsstreit
Klägerin und Widerbeklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Busch & Kollegen,
Schafhausener Straße 38, 52525 Heinsberg,

gegen

Beklagten und Widerkläger,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt,

hat das Amtsgericht Erkelenz
auf die mündliche Verhandlung vom 28.08.2015
durch den Richter am Amtsgericht Foerster
für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.746,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.348,26 € seit dem 22.08.2012 und aus weiteren 397,82 € seit dem 18.01.2013 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte Busch und Kollegen aus 52525 Heinsberg in Höhe von 316,18 € freizustellen.

Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von weiteren Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte Busch und Kollegen aus 52525 Heinsberg in Höhe weiterer 39,27 € freizustellen.

Im Übrigen werden die Klage und die Wider Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien machen wechselseitig Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 23.07.2012 gegen 10:45 Uhr in Hückelhoven auf der Straße zwischen dem im Eigentum der Klägerin stehenden, von dieser geführten PKW mit dem amtlichen Kennzeichen HS-W 276 und dem am 04.02.1994 geborenen Beklagten als Fußgänger ereignete.

Die Klägerin befuhr mit ihrem Ford Escort die Straße aus Fahrtrichtung Ackerstraße kommend in Richtung Kleingladbach. Der Beklagte beabsichtigte, zu Fuß in Höhe der Hausnr. 20 und der Einmündung Ecke die Fahrbahn -aus Fahrtrichtung der Klägerin von rechts nach links zwischen geparkten Fahrzeugen – zu überqueren. Dabei kam es zur Kollision zwischen dem rechten Frontbereich des klägerischen Fahrzeugs mit dem Beklagten.

Der Beklagte befand sich vom 23.07. bis 26.07.2012 in stationärer Behandlung im Hermann-Josef-Krankenhaus.
Die Klägerin forderte von der hinter dem Beklagten stehenden Haftpflichtversicherung mit Anwaltsschreiben vom 07.08.2012 (Bl. 9f. GA) unter Fristsetzung zum 21.08.2012 die Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.198,26 €, bestehend aus Nettoreparaturkosten in Höhe von 1.846,26 € gemäß Kostenvoranschlag der Firma Autohaus Königs GmbH & Co. KG, Nutzungsausfall für 14 Tagen in Höhe von 322,00 € sowie eine Auslagenpauschale von 30,00 €. Ein von der Haftpflichtversicherung der Beklagten beauftragter Gutachter ermittelte einen Widerbeschaffungswert des Fahrzeugs von 1.100,00 € und einen Restwert von 200,00 € (Bl. 15ff. GA). Die Haftpflichtversicherung zahlte sodann 850,00 € an die Klägerin.

Die Klägerin beauftragte daraufhin einen eigenen Gutachter. Mit Anwaltsschreiben vom 03.01.2013 (Bl. 42ff. GA) forderte die Klägerin unter Fristsetzung bis zum 17.01.2013 die Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe 1.751,08 €, ausgehend von einem von Gutachter ermittelten Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 1.850,00 € (Bl. 25ff. GA), Gutachterkosten in Höhe von 514,08 € (Bl. 41 GA), Nutzungsausfall für 9 Tagen in Höhe von 207,00 € sowie eine Auslagenpauschale von 30,00 € abzüglich der Zahlung der Haftpflichtversicherung.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte sei plötzlich und für sie nicht vorhersehbar von rechts auf die Fahrbahn getreten. Trotz einer eingeleiteten Bremsung habe sie den Zusammenstoß nicht vermeiden können.
Der von ihr beauftragte Sachverständige habe zutreffend einen Wiederbeschaffungswert von 2.000,00 € und einen Restwert von 150,00 € ermittelt. Es sei eine Nutzungsausfallentschädigung für 9 Tagen anzusetzen, weil sie das Fahrzeug für neun Tage mangels Verkehrssicherheit nicht habe benutzen können.

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.751,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 22.08.2012 zu zahlen,

den Beklagten zu verurteilen, sie von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte Busch und Kollegen aus 52525 Heinsberg in Höhe von 361,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.01.2013 freizustellen,

den Beklagten zu verurteilen, sie von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte Busch und Kollegen aus 52525 Heinsberg in Höhe weiterer 39,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.11.2012 freizustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen, an ihn 500,00 € zuzüglich Prozesszinsen zu zahlen,

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin ein Mitverschulden in Höhe von 50 % treffe. Die Klägerin habe den Unfall vermeiden können, wenn sie an der Unfallstelle mit der gebotenen Sorgfalt gefahren wäre. Von der Klägerin gefahrene 40 km/h seien an der Unfallstelle aufgrund der räumlichen Nähe zu einer Grundschule und der Frequentierung der durch Kinder als zu schnell zu bewerten. Bei einer aufmerksamen Fahrt habe die Klägerin ihn am Straßenrand sehen müssen. Die Klägerin habe erkennen können, dass der Beklagte die Straße überqueren wolle.

Ein klägerischer Anspruch auf Erstattung von Sachverständigenkosten bestünde nicht, weil eine gerichtliche Auseinandersetzung absehbar gewesen sei, so dass die Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen habe.

Er – der Beklagte – habe unfallbedingt ein Schädelhirntrauma Grad 1, eine Thoraxprellung, ein stumpfes Bauchtrauma und eine Knieprellung rechts erlitten und sei drei Wochen erwerbsunfähig gewesen. Es sei ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 1.000,00 € angemessen, welches um 50 % zu kürzen sei.

Das Gericht hat die Parteien informatorisch angehört und Beweis erhoben gemäß Beweisthema in der Verfügung vom 15.04.2013 (Bl. 73 d.A.) i.V.m. den Beschlüssen vom 04.12.2013 (Bl. 110 GA), 11.06.2014 (Bl. 152 d.A), 11.07.2014 (Bl. 159 GA) und 13.01.2015 (Bl. 196f. GA). Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Protokolle der Sitzungen vom 21.08.2013 (Bl. 94ff. GA) und 04.12.2013 (Bl. 109ff. GA) sowie die Gutachten der Sachverständigen vom 25.03.2014 (Bl. 128ff. GA) und hausen vom 19.12.2014 und 28.05.2015 (Bl. 169ff., 209ff. GA).Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach, Az.: 601 Js 905/12, sind beigezogen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.

Entscheidunqsqründe

Die Klage ist zulässig und in der Sache weitgehend begründet. Die Widerklage ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.

I.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von restlich 1.746,08 € gemäß §§ 823 Abs. 1, 249ff. BGB wegen des Unfallereignisses vom 23.07.2012 zu.

Der Beklagte hat durch sein Verhalten bei der Überquerung der am 23.07.2012 Eigentum der Klägerin verletzt, indem er unter Missachtung des vorrangigen Straßenverkehrs und insbesondere der sich mit ihrem PKW annähernden Klägerin auf die Fahrbahn getreten und hierbei mit dem klägerischen Fahrzeug kollidiert ist, was zu einer Sachbeschädigung am klägerischen Fahrzeug geführt hat. Das Verhalten des Beklagten war rechtswidrig und schuldhaft, weil dieser gegen § 25 Abs. 1,3 StVO verstoßen und zumindest fahrlässig gehandelt hat. Demgegenüber war der Unfall für die Klägerin unvermeidbar. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest.

Der Beklagte hat bei der Überquerung der den Vorrang des die Fahrbahn benutzenden klägerischen Fahrzeugs verletzt und damit gegen § 25 Abs. 1,3 StVO verstoßen.

Aus § 25 Abs. 1, 3 StVO folgen die Pflichten von Fußgängern. Danach hat der Fahrzeugverkehr auf der Fahrbahn außerhalb von Fußgängerüberwegen grundsätzlich Vorrang vor Fußgängern. Fußgänger müssen die Gehwege benutzen und haben sich vor Überschreiten der Fahrbahn nach links zu vergewissern, dass kein Fahrzeug naht und dürfen die Fahrbahn nicht kurz vor einem Fahrzeug betreten.

Diese Verpflichtung hat der Beklagte zumindest aus Unachtsamkeit verletzt, indem er ohne ausreichende Vergewisserung auf die Fahrbahn der getreten ist, als sich die Klägerin mit ihrem Fahrzeug annäherte.
Dies ergibt sich bereits aus den eigenen Erklärungen des Beklagten im Rahmen seiner informatorischen Anhörung. Der Beklagte hat angegeben, dass er sich nur nach rechts umgedreht habe, ob dort ein anderes Auto komme. Nach links umgedreht habe er sich nicht, da er geglaubt habe, dass er den Bereich schnell verlassen werde. Das Fahrzeug der Klägerin habe er nicht gesehen.

Zudem hat der Sachverständige in seinem nachvollziehbaren und in sich stimmigen Gutachten festgestellt, dass der Beklagte in jedem Fall das Unfallgeschehen hätte vermeiden können, wenn er nicht nur den rechten, sondern auch den linken Verkehrsraum aufmerksam beobachtet und seine Überquerungsabsicht zurückgestellt hätte, um das sich von links annähernde und bevorrechtigte Klägerfahrzeug passieren zu lassen.

Ein Mitverschulden im Sinne von § 254 BGB ist der Klägerin nicht anzulasten. Es sind keinerlei Umstände ersichtlich, die daraufhindeuten, dass die Klägerin ihrerseits einen Verkehrsregelverstoß begangen hat. Insbesondere hat der insofern darlegungs- und beweisbelastete Beklagte keinen solchen Verstoß bewiesen.
Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Klägerin eine Geschwindigkeit von 35 bis 45 km/h gefahren sei. Der Unfallort befindet sich innerorts (50 km/h), ergänzende Geschwindigkeitsbegrenzungen durch Gebotsschilder existieren nicht. Eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit ist ihr nicht nachzuweisen. Auf die Beschilderung in der Nähe der Unfallstelle mit Warnhinweisen auf Kinder kann sich der volljährige Beklagte nicht berufen.
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Die Klägerin war auch nicht gehalten, allein wegen einer etwaigen Sichtbarkeit des volljährigen Beklagten am Straßenrand ohne besondere Warnsignale die Geschwindigkeit ihres Fahrzeugs herabzusetzen. Die Klägerin durfte vielmehr darauf vertrauen, dass der Beklagte – der keinen Vorrang gegenüber der Klägerin hatte -nicht plötzlich auf die Fahrbahn laufen würde. Es ist nicht erkennbar, dass besondere Hinweise auf ein konkret bevorstehendes verkehrswidriges Verhalten des Beklagten bestanden. Ohne konkrete Anhaltspunkte oder Auffälligkeiten für ein verkehrswidriges Verhalten besteht für einen Verkehrsteilnehmer jedoch keine Veranlassung, die Geschwindigkeit herabzusetzen oder die Aufmerksamkeit (Bremsbereitschaft) zu erhöhen.
Darüber hinaus ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen , dass der Beklagte in einer Zeitspanne von ca. 0,4 Sek auf die Straße lief und die Klägerin, ausgehend von einer Reaktionszeit von 1 Sek, keinesfalls hätte ausweichen können. Das Unfallgeschehen sei für die Klägerin unvermeidbar gewesen und zwar unabhängig davon, dass keine Anhaltspunkte dahingehend vorliegen, dass die Klägerin schneller als 35-45 km/h fuhr. Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht an.

Im Ergebnis trägt danach der Beklagte die alleinige Haftung für den Verkehrsunfall vom 23.07.2012. Die allgemeine Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs tritt vollständig hinter dem Verkehrsregelverstoß des Beklagten zurück.

Der Höhe nach kann die Klägerin den Ersatz eines Schadens von restlich 1.746,08 € verlangen.
Ursprünglich bestand ein Gesamtschadens in Höhe von 2.596,08 €.

In Hinblick auf das beschädigtes Fahrzeug der Klägerin besteht ein Anspruch auf Erstattung eines Betrages in Höhe von 1.850,00 €.

Es liegt unstreitig ein wirtschaftlicher Totalschaden am klägerischen Fahrzeug vor, so dass die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwands hat, der sich vorliegend unter Berücksichtigung eines Wiederbeschaffungswertes in Höhe von 2.000,00 € und eines Restwertes in Höhe von 150,00 € auf 1.850,00 € beläuft.

Der Wiederbeschaffungswert beträgt vorliegend auf 2.000,00 €, wie zur Überzeugung des Gerichts nach den Ausführungen des Sachverständigen hausen in den Gutachten vom 19.12.2014 und 28.05.2015 sowie unter Berücksichtigung der Position „Reifen“, die der Sachverständige hausen außer Acht gelassen hat.
Der Sachverständige hausen hat eine Wertermittlung auf Basis diverser Internetportale und des Classic Data Marktspiegels durchgeführt und im Ergebnis einen Wiederbeschaffungswert von 1.850,00 € ermittelt.
In angemessener Weise hat der Sachverständige in diesem Zusammenhang den Zustand und die Vorschäden am klägerischen Fahrzeug berücksichtigt. Nicht berücksichtigt hat er jedoch die Position „Reifen“, wie sich aus seinen Ausführungen im Ergänzungsgutachten vom 28.05.2015 ergibt.

Gegenüber der Wertermittlung des Privatgutachters , der den Wiederbeschaffungswert anhand der DAT-FahrzeugbeWertung und eines Artikels aus der Zeitschrift „Oldtimer Markt“ ermittelt hat, war dem Gutachten des Sachverständigen hausen der Vorzug zu geben aufgrund der Auswertung der Angebote in Internetbörsen, wobei er 6 Angebote zwischen 1.099,00 € und 2.999,00 € recherchiert hat, die einen Mittelwert von 1.834,00 € ergeben.
Bei Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes können zwar regionale Besonderheiten eine Rolle spielen. Es kommt aber nicht die Rechtsprechung zur Ermittlung des Restwertes zur Anwendung (vgl. hierzu BGH, NJW 2010, 605, 606; BGH, NJW 2010, 2722, 2723). Dass vorliegend derartige regionale Besonderheiten bestehen, die eine Abweichung von dem Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert rechtfertigen, kann nicht erkannt werden.

Dass der Sachverständige zunächst nicht den für Bewertungsstichtag maßgeblichen Classic Data Marktspiegel für 2012/2013, sondern 2013/2014 herangezogen hat, geht nicht zu Lasten des Gutachtens. Es gab insofern nur eine geringe Abweichung von 100,00 € (zugunsten der Klägerin), die sich jedoch aufgrund der weiteren Parameter zur Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes verflüchtigt.

Zutreffend hat der Sachverständige hausen ausgeführt, dass der Wert des im vom Sachverständigen zugrunde gelegten Zeitschriftenartikel eine andere, ältere Baureihe betrifft.

Nicht berücksichtigt hat der Sachverständige hausen die Position „Reifen“, die der Privatgutachter in seinem Gutachten vom 21.12.2012 mit 158,00 € veranschlagt hat. Nach Auffassung des Gerichts ist diese, vom Verkaufswert nach Marktbeobachtung unabhängige Position derart beachtlich, dass vorliegend von einem Wiederbeschaffungswert von insgesamt 2.000,00 € auszugehen war.

Abzuziehen war von dem vorgenannten Wiederbeschaffungswert ein Restwert in Höhe von 150,00 €. Das diesbezügliche Bestreiten der Beklagtenseite mit Nichtwissen ist unerheblich.
Die Ersatzbeschaffung steht als Variante der Naturalrestitution unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Dies bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat. Das Wirtschaftlichkeitspostulat gilt auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeugs bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss. Denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs muss sich der Geschädigte im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten (vgl. BGH, NJW2010, 2722, 2723).
Die Klägerin trägt als Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie bei Veräußerung des verunfallten Fahrzeugs dem Gebot der Wirtschaftlichkeit genügt und sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 Abs. 2 S. 1 BGB bewegt hat (vgl. BGH, NJW 2010, 605, 606). Dabei genügt es im Allgemeinen, wenn der Geschädigte die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH, NJW 2010, 605, 606; BGH, NJW 2010,2722, 2723).
Der von der Klägerin eingeschaltete Gutachter hat in seinem Gutachten vom 21.12.2012, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, einen Betrag in Höhe von 150,00 € angegeben, so dass vorliegend dieser Restwert auch anzusetzen
war.

Letztlich können die Differenzen zwischen den Gutachten und hausen bezüglich des Wiederbeschaffungswertes dahingestellt bleiben, denn selbst unter Zugrundelegung des Wiederbeschaffungswertes des Gutachten hausen bestünde ein Erstattungsanspruch in Höhe von 1.850,00 €.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte zum Ausgleich des durch einen Unfall verursachten Fahrzeugschadens bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes ohne Abzug des Restwertes verlangen, wenn er das Fahrzeug – gegebenenfalls unrepariert – mindestens 6 Monate nach dem Unfall weiter nutzt (BGH, NJW 2006, 2179; NJW 2003, 2085). Unbestritten hat die Klägerin das Fahrzeug nach dem Unfall mehr als 6 Monate behalten, wovon auch angesichts der langen Schadensregulierung, die im Januar 2013 noch nicht abgeschlossen war, auszugehen ist. Die Klägerin kann demnach Reparaturkosten in Höhe des Wiederbeschaffungswertes, nämlich 1.850,00 €, verlangen.

Die Klägerin hat ferner einen Anspruch auf Erstattung von Sachverständigenkosten
in Höhe von 514,08 €.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehören die Kosten eines Sachverständigengutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist. Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt beim Geschädigten (vgl. BGH NZV 2005,139f. m.w.Nachw.).

Die Klägerin durfte vorliegend die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten halten angesichts der Schadenshöhe, aber auch der fehlenden Anerkennung des von ihr eingereichten Kostenvoranschlags durch die Haftpflichtversicherung des Beklagten. Sie durfte nach Schadensüberprüfung durch einen Gutachter der Haftpflichtversicherung des Beklagten ein eigenes Schadensgutachten in Auftrag geben. Das Anstehen eines Rechtsstreits ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Die Höhe der Sachverständigenkosten wurde beklagtenseits nicht angegriffen.

Der Klägerin hat ferner einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 207,00 € gemäß § 251 BGB.
Im Falle der Beschädigung eines privat genutzten Kraftfahrzeugs kann ein Geschädigter Nutzungsausfallentschädigung für den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit verlangen, auch wenn er keine besonderen Aufwendungen zur Überbrückung der ausgefallenen Nutzungsmöglichkeiten, wie insbesondere Mietwagenkosten, getätigt hat. Regelmäßig ist jedenfalls für den Zeitraum einer Reparatur oder Ersatzbeschaffung Nutzungsausfallentschädigung zu leisten (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2008, 1711, 1712 m.w.Nachw.).

Die Anspruchsvoraussetzungen einer hypothetischen Nutzungsmöglichkeit und eines entsprechenden Nutzungswillen der Klägerin sind vorliegend erfüllt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgericht Düsseldorf, der sich das Gericht anschließt, spricht bei einer Privatperson eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie ihr – unbegrenzt – zum Straßenverkehr zugelassenes Fahrzeug ständig nutzen will und somit auch während der unfallbedingten Ausfallzeit genutzt hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.08.2007, Az.: I 1 U 258/06 m.w.Nachw.).

Die der Höhe nach unstreitige Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 23,00 € pro Kalendertag kann die Klägerin für die Dauer vom 9 Tagen verlangen.

Die Klägerin kann Nutzungsentschädigung seit dem 23.07.2012 beanspruchen, denn das Fahrzeug war nach dem Unfall nicht mehr verkehrssicher, wie sich aus dem Gutachten vom 21.12.2012 und den dortigen Lichtbildern zum beschädigten klägerischen Fahrzeug ergibt. Angesichts dessen, dass in dem Gutachten von einer Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen die Rede ist und selbst der von der Haftpflichtversicherung des Beklagten beauftragte Gutachter von einer Reparaturdauer von 3 Tagen ausgeht, ist unter Berücksichtigung der regelmäßig dem Geschädigten einzuräumenden Bedenkzeit der Ansatz einer
Nutzungsausfallentschädigung für 9 Tage nicht zu beanstanden.

Eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 € hält das Gericht nach Schätzung gemäß § 287 ZPO für angemessen.
Bezüglich des ursprünglichen Gesamtschadens in Höhe von 2.596,08 € steht nach Zahlung der Haftpflichtversicherung des Beklagten von 850,00 € noch ein Betrag in Höhe von 1.746,08 € zur Zahlung offen.
Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB.

Die Klägerin hat schließlich einen Anspruch auf Freistellung der durch die Inanspruchnahme ihres Prozessvertreters entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 316,18 €, ausgehend von einem nach dem unfallbedingten Schaden zu bemessenden Gegenstandswert in Höhe von 2.601,08 €. Der auf § 823 BGB beruhende Anspruch der Klägerin erstreckt sich auch auf die im Rahmen der vorprozessualen Rechtsverfolgung entstandenen Anwaltskosten, soweit sie nach der berechtigten Ersatzforderung angefallen sind. Eine Vergütung über einem Gebührenansatz von 1,3 war vorliegend nicht gerechtfertigt. Weder das Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung des Beklagten, noch die Einschaltung eines Sachverständigen führen dazu, dass es sich um eine überdurchschnittliche und schwierige Angelegenheit gehandelt hat. Daneben hat die Klägerin noch einen Anspruch auf Freistellung von einer Dokumentenpauschale Höhe von 39,27 €, nachdem seitens der Haftpflichtversicherung des Beklagten das Vorliegen der Ermittlungsakte der gefordert worden war.
Hinsichtlich der Freistellungsansprüche besteht kein Anspruch auf Zinsen. Nur eine Geldschuld ist verzinslich. Mit einer solchen ist jedoch eine Freistellungsverpflichtung nicht identisch. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihre Gebührenschuld gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten wegen dessen vorprozessualer Tätigkeit -sei es wegen eines Zahlungsverzuges (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB), sei es aus einem anderen rechtlichen Grund – zu verzinsen sind.

Der Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch gemäß §§ 7, 18 StVG, 823 BGB auf Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 € wegen des Unfallereignisses vom 23.07.2012.

Den Beklagten trifft die alleinige Haftung an dem Verkehrsunfall. Es wird insofern auf die entsprechenden Erörterungen zur Klage Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung zu vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Streitwert:
Klage
Widerklage
2.251.08 €
1.751.08 €;
500,00 €)

Rechtsbehelfsbelehrunq:
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung
dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Mönchengladbach, Hohenzollernstr. 157, 41061 Mönchengladbach, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Mönchengladbach zu begründen.
Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Mönchengladbach durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Foerster

 

Vorschaubild (C) Peter Smola  / pixelio.de

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