Urteil des AG Heinsberg zur Beilackierung, Erneuerung einer Türdichtung sowie Kosten der ergänzenden sachverständigen Stellungnahme

Das AG Heinsberg hat mit Urteil vom 16.12.2015, Az. 18 C 37/15 einem Unfallgeschädigten die Kosten einer Beilackierung zugesprochen sowie einer ergänzenden sachverständigen Stellungnahme nach der Kürzung durch die Haftpflichtversicherung. Nicht zugesprochen wurden die Kosten der Erneuerung einer Türdichtung. Das Urteil enthält auch Ausführungen zur Höhe der Sachverständigenkosten für die ergänzende Stellungnahme. Der Hinweis auf das JVEG ist allerdings kritisch zu sehen. Die Nebenkosten eines Sachverständigen können nicht am JVEG gemessen werden, da das JVEG die Kosten mit einer anderen Struktur abrechnet.

 

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Hier der Volltext:

 

18 C 37/15
Verkündet am 16.12.2015

Amtsgericht Heinsberg

IM NAMEN DES VOLKES!

Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägers,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Busch & Kollegen,
Schafhausener Straße 38, 52525 Heinsberg,
gegen

die HD  V  AG,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Breidenich & Kollegen,Oppenhoffallee 90, 52066 Aachen

hat das Amtsgericht Heinsberg

im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 09.12.2015 durch die Richterin am Amtsgericht Lürkens

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 382,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2015 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber dem Sachverständigen Dipl.-Ing. H zu RechnungsNr. von einer Forderung in Höhe von 471,24 € freizustellen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von restlichen Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen in Höhe von 78,89 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 15%, die Beklagte zu 85%.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen den Beklagten restliche Schadensersatzansprüche geltend nach einem Verkehrsunfall vom 23.12.2014 in Heinsberg.

Der Kläger ist Eigentümer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen HS-. Der klägerische Pkw wurde am 23.12.2014 bei einem Verkehrsunfall in Heinsberg, der allein schuldhaft durch einen Versicherungsnehmer der Beklagten verursacht worden ist, beschädigt. Der Kläger beauftrage den Kfz-Sachverständigen Dipl.-Ing. H mit der Erstellung eines Gutachtens bzgl. der unfallbedingten Schäden seines Pkw. Der Sachverständige bezifferte in seinem Gutachten die Reparaturkosten mit 2.030,41 € netto sowie die merkantile Wertminderung des klägerischen Pkw mit 100 €. Für das Gutachten zahlte der Kläger einen Betrag in Höhe von 524,79 € an den Sachverständigen. Die Beklagte zahlte lediglich Reparaturkosten von 1.519,56 € an den Kläger. In ihrem Abrechnungsschreiben vom 09.01.2015 begründete sie den Abzug mit einem Verweis auf den beigefügten Prüfbericht vom 08.01.2015 (Bl. 11 d.A.), aus dem sich ergibt, dass der Abzug sich zusammensetzt aus den Kosten für die Erneuerung einer Türdichtung von 125,78 € netto (+ 2,51 € netto Anteil Kleinersatzteile 2%) und Beilackierkosten in Höhe von 382,56 €. Der, Kläger beauftragte nach Erhalt des Abrechnungsschreibens nebst Prüfbericht den Sachverständigen Dipl.-Ing. H mit der Erstellung einer ergänzenden Stellungnahme zu ,den in Abzug gebrachten Positionen. Der Sachverständige erstellte die ergänzende Stellungnahme unter dem 15.01.2015 (Bl. 16 ff. d.A) und stellte dem Kläger insoweit einen weiteren Betrag von 471,24 € brutto in Rechnung (Bl. 21 d.A.). Diesen Betrag erstattete die Beklagte nicht an den Kläger. Die Klageforderung entspricht der Summe aus den in Abzug gebrachten Reparaturkosten von 510,85 € und den weiteren Sachverständigenkosten von 471,24 €.

Der Kläger behauptet, die Türdichtung sei bei der unstreitig erforderlichen Erneuerung einer Tür stets auszuwechseln. Eine Beilackierung sei vorliegend in jedem Fall erforderlich, um Farbschattierungen und Farbunterschiede zu vermeiden. Die von dem Sachverständigen abgerechnete Vergütung von 108,00 € / Stunde sei ortsüblich und angemessen.

Der Kläger beantragt,

1. ) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 987,09 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2015 zu zahlen;
2. ) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von restlichen Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen in Höhe von 78,89 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger den Betrag von 471,24 € an den Sachverständigen H gezahlt hat.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen L vom 03.10.2015, Bl. 79 ff. d.A.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

A.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 382,56 € sowie Freistellung von Sachverständigenkosten in Höhe von 471,24 € aus §§ 7 Abs.1, 17 Abs.1,2 StVG in Verbindung mit § 115 VVG.

Es ist unstreitig, dass der klägerische Pkw bei einem allein schuldhaft von einem Versicherungsnehmer der Beklagten verursachten Verkehrsunfall beschädigt worden ist.

Der Höhe nach besteht eine weitere Schadensersatzforderung des Klägers von 853,80 €:

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung weiterer Reparaturkosten in Höhe von 382,56 €. Dieser Betrag ist von der Beklagten ausweislich des Prüfberichts vom 08.01.2015 mit der Begründung in Abzug gebracht worden, dass die von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. H einkalkulierte Beilackierung der hinteren linken Türe und des Kotflügels nicht zwingend erforderlich sei. Die Erforderlichkeit lasse sich erst im Rahmen der Repäratürdurchführung verbindlich beurteilen. Das Gericht hat nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen L die Überzeugung gewonnen, dass vorliegend für eine sach- und fachgerechte Reparatur der unfallbedingten Schäden des klägerischen Pkw in jedem Fall eine Beilackierung der hinteren linken Türe und des Kotflügels erforderlich ist. Der Sachverständige L ist in seinem Gutachten vom 03.10.2015 in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass es vorliegend nicht möglich sei, den Farbton der komplett zu erneuernden Türe so zu treffen, dass ein Farbtonunterschied bei der Betrachtung der angrenzenden Teile nicht erkennbar ist. Deshalb ist bei Ausführung einer Reparatur des klägerischen Pkw in jedem Fall eine Beilackierung der hinteren linken Türe und des Kotflügels vorzunehmen. Deshalb sind diese Kosten auch bei der vorliegend erfolgenden fiktiven Schadensabrechnung erstattungsfähig.

Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 08.12.2014 unter Fristsetzung bis zum 23.01.2015 zur Zahlung aufgefordert.

Dagegen hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Reparaturkosten in Höhe von 128,29 €, entsprechend den Kosten für die Erneuerung der Türdichtung von 125,78 € zzgl. 2% für Kleinersatzteile (= 2,51 €).

Das Gericht hat nicht die Überzeugung gewonnen, dass ein Austausch der Türdichtung vorliegend für eine sach- und fachgerechte Reparatur des klägerischen Pkw in jedem Fall erforderlich ist. Der Sachverständige L hat in seinem Gutachten vom 08.01.2015 ausgeführt, dass die Kalkulationssoftware bei einer Demontage einer Türdichtung nur ein Erneuern vorsehe und keinen Aus- und Einbau. Zudem zeige die Praxis, dass eine gebrauchte Dichtung „oftmals“ nach dem Umbau an ein neues Teil nicht mehr die einwandfreie Abdichtung gewährleiste. Die Kalkulationssoftware beruht nach Angabe des Sachverständigen – aüf Herstellervorgaben. Allein die Tatsache, dass die Hersteller bei der Demontage einer Türdichtung allein Erneuern der Dichtung empfehlen, ergibt sich jedoch nicht, dass zwingend eine Erneuerung erforderlich ist und kein Aus- und Einbau erfolgen kann. Allein aus der Angabe des Sachverständigen L, dass gebrauchte Dichtungen nach einem Umbau „oftmals“ nicht mehr die einwandfreie Funktion gewährleisten, ergibt sich ebenfalls nicht, dass bei Ausführung der Reparatur des klägerischen Pkw in jedem Fall eine Erneuerung der streitgegenständlichen Türdichtung erforderlich ist. „Oftmals“ bedeutet gerade nicht in jedem Fall und deütet darauf hin, dass Dichtungen auch nach einem Aus- und Einbau durchaus noch ihre Funktion ordnungsgemäß erfüllen können. Kosten für die Ausführung von Reparaturarbeiten, die nicht in jedem Fall erforderlich sind, sondern deren Notwendigkeit sich erst im Rahmen der tatsächlichen Reparaturausführung zeigen, sind jedoch bei fiktiver Schadensabrechnung nicht erstattungsfähig. Dies ist auch nicht unbillig, da der Geschädigte nach erfolgter Reparatur zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und den Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen kann (so auch LG Aachen, Urteil vom 24.08,2012, Az. 6 S 60/12).
Der Kläger hat zudem gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 471,24 €, die für die Einholung der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen H vom 15.01.2015 angefallen sind.
Ob die Kosten für die Einholung eines solchen Ergänzungsgutachtens zu dem nach § 249 BGB ersatzfähigen Schaden zählen, beurteilt sich nach den Grundsätzen über die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten. Danach sind die Kosten dann ersatzfähig, wenn die Begutachtung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich gewesen ist.

Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Der seitens der Beklagten vorgelegte Prüfbericht vom 08.01.2015 hat technische Einwände beinhaltet, und zwar bzgl. der Erforderlichkeit einer Erneuerung der Türdichtung und – einer Beilackierung. Dementsprechend hat der Sachverständige H in seinem Ergänzungsgutachten vom 08.01.2015 zu diesen technischen Fragen Stellung genommen. Diese Angaben sind für den Kläger erforderlich gewesen, um beurteilen zü können, inwieweit die Einwände der Beklagten berechtigt sind und eine weitere Rechtsverfolgung erfolgsversprechend ist. Dem Kläger als technischem Laien ist eine eigene Beurteilung nicht möglich gewesen. Es ist ihm auch aufgrund des dann bestehenden Kostenrisikos nicht zumutbar gewesen, ohne weitere Beauftragung des Sachverständigen H Klage zu erheben und die Einschätzung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen abzuwarten.

Die von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. H abgerechneten Kosten von 471,24 € brutto sind auch insgesamt erstattungsfähig. Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen. Es ist einem Geschädigten vor Erteilung des Gutachterauftrags nicht zuzumuten, „Marktforschung“ zu betreiben und in jedem Fall mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen. Ein Preisvergleich dürfte ohne vorherige Begutachtung des Fahrzeugs durch mehrere Sachverständige auch nur schwer möglich sein. Zudem fehlen Tarifübersichten, anhand derer der Kunde sich informieren könnte. Der Streit über die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten kann daher nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.01.2006, Az. 4 U 49/05, zit. nach juris). Vorliegend ist eine willkürliche Festsetzung des Honorars nicht ersichtlich. Insbesondere ist es üblich, dass Sachverständige ihr Honorar nach Zeitaufwand abrechnen und Schreib- und Telefonkosten zusätzlich in Rechnung stellen. Auch die Höhe des Honorars von 108,00 € überschreitet den Betrag von 100,00 €, der nach dem JVEG für die Honorierung der Sachverständigentätigkeit im Bereich Kraftfahrzeugschäden und -bewertung vorgesehen ist, nur geringfügig und ist daher nicht als willkürliche Festsetzung einzustufen.

Der Kläger hat trotz ausdrücklichen Bestreitens der Beklagte nicht vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass er die Rechnung des Sachverständigen H vom 15.01.2015 ausgeglichen hat. Es besteht daher lediglich ein Freistellungsanspruch.
Die Zinsforderung beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Bei diesem handelt es sich nicht um eine Geldschuld im Sinne von § 288 BGB, so dass er nicht verzinslich ist.

B.

Zudem hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 78,98 € aus §§ 7 Abs.1, 17 Abs.1, 2 StVG in Verbindung mit § 115 VVG für das anwaltliche Aufforderungsschreiben vom 16.01.2015. Der Betrag entspricht einer 1,3 Geschäftsgebühr nach einem Streitwert von 3.028,15 €, entsprechend der gesamten berechtigten Schadensersatzforderung des Klägers, zzgl. Auslagenpauschale und MwSt. sowie abzüglich von der Beklagten gezahlter 334,75 €.

C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 987,09 €.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
1. wenn der Wert des Beschwerdegegenständes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 90, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Aachen zu begründen.
Die Parteien müssen sich vordem Landgericht Aachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Lürkens

(C) Vorschaubild Hagen Görlich  / pixelio.de

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