Mit dem Titel “Unter falscher Flagge” hat der Kollege Rechtsanwalt Werner Dory, Christophstr. 1, 73033 Göttingen in der Zeitschrift “Der Verkehrsanwalt”, Ausgabe 3/2009, S. 92 ff., einen bemerkenswerten Aufsatz zum Fair-Play-Konzept der Allianz-Versicherung veröffentlich. Er nimmt hierbei nicht nur kritisch zu diesem Konzept Stellung, sondern legt auch dar, wie sich überhaupt das aktive Schadensmanagement entwickelte. Seinem Schluß – grobes Foul statt Fair-Play – kann uneingeschränkt zugestimmt werden und ist auch auf andere Konzepte übertragbar. Der Aufsatz sollte Pflichtlektüre sein für Anwälte, Sachverständige, Autohäuser, Autovermietungen, Abschleppunternehmer und alle, die an der Abwicklung eines Verkehrsunfalls beteiligt sind.
Der Artikel kann nachfolgend im Volltext gelesen oder hier heruntergeladen werden. Ich darf mich an dieser Stelle beim Autor herzlich für die Genehmigung zur Wiedergabe bedanken!
Unter falscher Flagge
Das Allianz-Fairplay-Konzept und andere
Schadenmanagementsysteme der Versicherungswirtschaft
in Theorie und Praxis
RA Werner Gory, DV 3/2009, S. 92 ff.
Mit großen Worten und erheblichem Werbeaufwand
versucht sich die Allianz mit ihrem Allianz-Fairplay-
System als Interessenvertreter der Versichertengemeinschaft,
der Verbraucher und ihrer Rechte
darzustellen. Bei näherer Analyse stellt dieses Fairplay-
Konzept nichts anderes als eine fortgeschrittene
Variante der hinlänglich bekannten Schadensmanagementsysteme
der Versicherungswirtschaft dar. Im Endeffekt
wird versucht, über diese Schadenmanagementsysteme
das deutsche Schadensrecht auszuhöhlen und
im Regulierungsbereich französische Verhältnisse zu
schaffen. Zur Erreichung dieses Zieles ist es erforderlich,
Störfaktoren wie unabhängige Sachverständige
und freie Rechtsanwälte im Schadensregulierungsbereich
auszuschalten, und zwar ausschließlich mit
dem Ziel der Gewinnmaximierung zu Gunsten der Versicherungswirtschaft.
Somit stellt das Allianz-Fairplay-
Konzept – ebenso wie die anderen Schadensmanagementsysteme
der Versicherungswirtschaft – nichts
anderes als einen Großangriff der Versicherungswirtschaft
auf das deutsche Schadensrecht und die Verbraucherrechte
dar.
Zur Begründung dieser Thesen erlaubt sich der Verfasser
des Artikels zunächst einen Blick in die Vergangenheit
zu werfen.
In der Zeit vor Änderung des Kraftfahrtversicherungsrechtes
durch Umsetzung der einschlägigen EU-Regelungen
und seinen daraus resultierenden Wettbewerbsverzerrungen
und Preiskämpfen zeichnete sich die
deutsche Versicherungswirtschaft – im Gegensatz zu
den Versicherungsgesellschaften in anderen Ländern,
wie z.B. in Italien oder Frankreich – dadurch aus, dass
sie versuchte, kooperativ mit Rechtsanwälten und
freien Sachverständigen für eine ordnungsgemäße und
sachgerechte, sowie zügige Schadensregulierung Sorge
zu tragen. Streitigkeiten wegen Bagatellbeträgen
wären im Grunde die Ausnahme. Hauptstreitpunkt
waren seinerzeit allenfalls Haftungsquoten. Selbst im
Mietwagenbereich gab es eine sehr großzügige HUKMietpreisempfehlung,
welche über Jahrzehnte hinweg
sauber funktionierte. Erste dunkle Wolken zogen auf,
als das zwischenzeitlich in die Insolvenz gegangene,
Mietwagenunternehmen Kussberger eine Genehmigung
nach dem Kreditwesengesetz erhielt, mit dieser Genehmigung
versuchte, überhöhte Mietpreise durchzusetzen
und – mit diesen überhöhten Mietpreisen über Provisionszahlungen
u.Ä. – ihre Marktstellung massiv auszubauen.
Dies führte zu einer ersten Serie von weit
über 100.000 Rechtsstreiten zum Thema “angemessener
Mietpreis”.
In der Folge gab es zwar keine HUK-Mietpreisempfehlung
mehr, allerdings beruhigte sich die Szene wieder
bis zur Öffnung des EU-Binnenmarktes im Berejch des
Versicherungsrechtes.
Dies führte nunmehr zu Preiskämpfen und damit einhergehend
zu einem massiven Kostendruck, welcher die
Versicherungswirtschaft zur Durchführung von Sparmaßnahmen
im Schadensbereich zwang und so unmittelbar
auf das Regulierungsverhalten durchschlug. Seit
Mitte der 90ziger Jahre musste festgestellt werden,
dass sich die Bearbeitungszeiten bei der Versicherungswirtschaft
verlängerten und das Regulierungsverhalten
massiv “kleinlicher” wurde.
In dieser Phase wurde erkennbar, dass die Versicherungswirtschaft
Sparprogramme und Schadenssteuerungssysteme
entwickelte und testete. Eine der ersten
Aktivitäten dieser Art war eine von über 60 Versicherungsgesellschaften
gegründete Mietwagenvermittlungsgesellschaft,
welche die Aufgabe hatte, mit mehr
oder weniger legitimen Mitteln die Mietwagenpreise
nach unten zu entwickeln. Dies scheiterte indes am
Einschreiten des Bundeskartellamtes, weshalb die Versicherungswirtschaft
nunmehr versuchte, neue Wege zu
gehen.
Dieser Einstieg erfolgte 2-stufig über folgende Schienen:
Zunächst ist es dem HUK-Verband gelungen, die Notrufsäulen
zu übernehmen. Mit der Übernahme dieser
Notrufsäulen hatte der HUK-Verband die Kontrolle über
den wesentlichen Teil des Unfallabschleppmarktes
erhalten. Damit wurde er in die Lage versetzt, unterschwellig
Einfluss auf das Abschleppverhalten der
Abschleppunternehmer zu nehmen. Dies blieb im Übrigen
nicht beschränkt auf die Abschleppvorgänge auf
der Autobahn, sondern galt selbstverständlich auch in
der näheren und weiteren Umgebung, da man zwischen
gefälligen und weniger gefälligen Unternehmen sehr
wohl zu unterscheiden vermochte. Darüber hinaus
hatte die Versicherungswirtschaft damit ein Lenkungsinstrument
in der Hand, vermittels dessen auch Einfluss
auf den weiteren Geschehensablauf nach Unfallschäden
genommen werden konnte. Man konnte
nunmehr zwischen gefälligen und weniger gefälligen
Sachverständigen, Werkstätten usw. unterscheiden,
wobei man von dem Abschluss diverser Kooperationsverträge
mit teilweise rechtswidrigen Inhalten Gebrauch
zu machen suchte.
Der Durchbruch gelang mit dem Inkrafttreten des
neuen Rechtsdienstleistungsgesetzes, da man nunmehr
– von den Zwängen des Rechtsberatungsgesetzes
befreit – völlig ungeniert bislang eindeutig verbotene
Aktivitäten entwickeln konnte. Begünstigt wurde dies
auch noch durch die – von der Versicherungswirtschaft
mit verursachte – Finanzkrise, welche bekanntermaßen
zu massiven Umsatzeinbrüchen bei Kfz-Werkstätten
und Händlern führte.
Damit sind wir in der Gegenwart angelangt.
Aktuell kann die Versicherungswirtschaft rücksichtslos
Zugeständnisse von ihren Kooperationspartnern (Au1o.
häLl~em,Werksiätten, Sachverständigen, Mietwagenunternehmen)
verlangen und durchsetzen, von
welchen sie vor 10 Jahren noch nicht zu träumen
wagte. Insbesondere ist es der Versicherungswirtschaft
binnen kürzester Zeit gelungen, die Anwaltschaft
nahezu aus dem Regulierungsmarkt hinauszudrängen.
Während zu früheren Zeiten die Schadensregulierung
schwerpunktmäßig unter anwaltlicher Betreuung
erfolgte, findet heute die Regulierung in ca. 80 % aller
Fälle ohne rechtsanwaltlichen Beistand statt, was im
Ergebnis mit eindeutigen wirtschaftlichen Nachteilen
für sämtliche Beteiligte (unter Einschluss der Versicherungswirtschaft)
verbunden ist.
Gerade in Fällen, in welchen eine rechtsanwaltliche
Betreuung nicht erfolgt, wird häufig die einschlägige
Gesetzes- und Rechtssprechungslage zu Lasten des
Geschädigten missachtet.
Die Allianz bewirbt ihr neues Konzept damit, Ziel sei,
die Kosten einer Schadensabwicklung über einheitliche
Prozesse zu senken und die Abwicklung zu beschleunigen.
Mit einem am 18.7.2008 im “Autohaus Online”
veröffentlichten Artikel erlaubt sich der zuständige
Allianz Schadensvorstand Michael Wagner auch noch
Folgendes zu erklären:
“Fairplay ist das diametrale Gegenteil von Schadenssteuerung.”
Dieser Werbeaussage muss ebenso entgegengetreten
werden, wie den weiteren vorbenannten Erklärungen.
Fairplay ist nicht das diametrale Gegenteil von Schadenssteuerung,
sondern vielmehr die nächste gezündete
Stufe in Sachen Schadenssteuerung. Der Allianz-
Vorstand hat nämlich schlicht die Information
unterdrückt, dass auch die Allianz Schadenssteuerungsverträge
geschlossen hatte, welche nunmehr durch das
vorliegende Konzept ersetzt werden. Es stellt sich
zunächst die Frage, warum wurde dieses System durch
ein anderes ersetzt?
Die Antwort lässt sich einfach geben. Wenn ein Unternehmen
wie die Allianz mit einer Vielzahl von Werkstattsteuerungsverträgen
operiert, führt dies zu interessanten
Kalamitäten.
Beispielhaft sei die Situation in Stuttgart beschrieben:
Von jedem namhaften Hersteller befindet sich zumindest
ein großer Vertragshändler vor Ort, teilweise sind
sogar Werksniederlassungen ansässig.
Unterstellt, dass diese Unternehmen über einen Schadenssteuerungsvertrag
mit der Allianz verbunden
gewesen sein sollten, so hätte doch jedes dieser
Unternehmen Anspruch darauf gehabt, dass ihm Fahrzeuge,
insbesondere auch Fremdfahrzeuge eingesteuert
wurden.
Die Frage ist nur, welche, etwa
Opel zu Ford, Ford zu BMW, BMWzu Mercedes, Mercedes
zu Porsche und Porsche zu Fiat und Fiat wiederum zu
VW?
Folgt daraus nicht zugleich, dass die Zusteuerung zum
Vertragspartner “A” gleichzeitig die Wegsteuerung vom
Vertragspartner “B” oder “C” bedeutet?
Dass derartige Werkstattsteuerungsverträge gelegentlich
zu Missvergnügen auf der Vertragsgegenseite führten,
bedarf keiner weiteren Erörterungen.
Diesem Umstand wurde seitens der Allianz Rechnung
getragen, allerdings nur mit der latenten Drohung:
“Wer nicht spurt, wird möglicherweise nicht bedacht”.
Soweit die Allianz behauptet, dass es ihr lediglich um
Beschleunigung der Schadenabwicklung gehe, so stellt
sich die Frage, weshalb Voraussetzung für eine Zahlung
innerhalb von 8 Arbeitstagen ab Rechnungsstellung ist,
dass weder ein Rechtsanwalt, noch ein unabhängiger
Sachverständiger eingeschaltet wurde. Weder der
Rechtsanwalt, noch der unabhängige Sachverständige
stehen einer schnellen Regulierung im Wege, sondern
dienen vielmehr sogar einer beschleunigten Abwicklung
und Aufklärung eines Schadensfalles. Dies müsste
sogar den Verantwortlichen der Allianz Versicherung AG
bekannt sein. Die gewählte Formulierung in der veröffentlichten
Version des Fairplay-Konzeptes bringt
dies sogar mit folgenden Worten versteckt zum Ausdruck:
“Entscheidet sich der Geschädigte für die Einschaltung
eines Anwaltes oder eines unabhängigen Sachverständigen,
erfolgt die Abwicklung wie bisher.”
In dem im “Kfz-Betrieb” Heft Nr. 12, 19.3.09, auf Seite
39 veröffentlichten Artikel wird das von Wenz wörtlich
etwas deutlicher formuliert und zwar wie folgt:
“Allerdings kommen diese schnellen Vergütungszeiten
nur zum Tragen, wenn es sich um einen sog. Fairplay-
Fall handelt, bei dem weder ein unabhängiger Sachverständiger
noch ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden
dürfen.”
Damit wird klar, dass vermittels dieses Systems
sowohl Rechtsanwälte als auch unabhängige Sachverständige
ausgeschaltet werden sollen. Augenscheinlich
hat die Allianz vor unabhängigen Sachverständigen
und Rechtsanwälten Angst. Dass dies nicht an
den direkten Kosten für Rechtsanwälte und unabhängige
Sachverständige liegt, wurde im Übrigen schon
einmal im Jahre 2001 in den “Verkehrsrechtlichen
Mitteilungen” bekannt gemacht. Seinerzeit wurde
eine Grafik mit dem sog. “Schadenskuchen” veröffentlicht.
-Grafik-
Ausweislich dieser Grafik setzte sich seinerzeit der
Schadensaufwand wie folgt zusammen:
Rechtsanwälte 2,2 %, Sachverständige 4,0 %, Personenschäden,
Mietwägen, sonstige Nebenkosten
35,8 %, Reparaturkostenaufwand 58 %.
Somit stellt sich die ernsthafte Frage, warum sollen
unabhängige Sachverständige und Rechtsanwälte ausgeschaltet
werden?
Es liegt nicht an den direkten Kosten, sprich Gebühren,
sondern an denjenigen Schadenspositionen, die den
Großteil des Schadenskuchens ausmachen; d.h. es wird
schlicht erwartet, dass bei Einschaltung eines unabhängigen
Sachverständigen und eines Rechtsanwaltes
der Gesamtschadensaufwand höher wird.
Denn vermittels rechtsanwaltlicher Hilfe wird in der
Regel ein besseres Regulierungsergebnis für den
Geschädigten realisiert, sei es betreffend Haftungsquote
und Nutzungsausfall oder Wertminderung, Restwert,
usw.
Zur Vermeidung dieser Kosten nimmt die Allianz ggf.
eine Eigenschädigung in Kauf.
Worin besteht diese Eigenschädigung?
Ganz einfach:
Im Interesse einer schnellen Schadensregulierung
unter Ausschluss von unabhängigen Sachverständigen
und Rechtsanwälten wird schnell ohne eine Plausibilitätsprüfung
auf bloßen Zuruf hin – so sich der Versicherungsnehmer
nicht massiv wehrt – ein scheinbar
klarer Sachverhalt reguliert und damit Tür und Tor für
Betrugsmanöver zum Nachteil der Versicherungswirtschaft
eröffnet. In einer vom GDV für das Jahr 2002
veröffentlichten Statistik gab der GDV bekannt, dass
8 % aller K-Schäden, 7 % aller Vollkaskoschäden und
10 % aller Teilkaskoschäden unter die Rubrik Versicherungsbetrug
zu buchen sind, dies mit einem Gesamtschadensvolumen
von ca. 1,6 Milliarden EUR.
Durch die mit dem vorliegenden Fairplay-Konzept einhergehende
Ausdünnung der Kontrolle dürfte zumindest
der Personenkreis der Versicherungsbetrüger das
vorliegende Konzept wohlwollend zur Kenntnis genommen
haben.
Schließlich führen sowohl das Allianz Fairplay-Konzept
als auch die anderen Schadensmanagementsysteme zu
erheblichen Nachteilen für die weiteren Beteiligten.
Dies wir anhand der nachfolgenden Beispiele offenbar:
1. Position des Verbrauchers
Die Position des Verbrauchers wird nachhaltig
geschwächt. Wie allgemein bekannt ist, deckt sich die
Haftungsvorstellung der Unfallbeteiligten nicht immer
mit der Realität, weshalb durch den Wegfall einer
anwaltlichen Beratung die Disposition über die Art
und Weise der Schadensbeseitigung durch den Geschädigten
auf einer ungesicherten Basis stattfindet und
oftmals für diesen zu kostenträchtigen Fehlentscheidungen
führt. Auch fehlt es an einer objektiven und
neutralen Beratung bezüglich der Abwicklungsalternativen,
soweit es um die Themen fiktive Schadenabrechnung,
Abgrenzung zwischen Abrechnung auf
fiktiver Totalschadenbasis, Leasing- und Finanzierungsproblematik
oder Reparaturkostenabrechnung
und ähnlichem geht. Ferner unterbleibt eine sachgerechte
Beratung zum Thema Schadensfolgekosten, wie
Auslagen, Nutzungsausfall, Wertminderung, Mietwagenkosten
sowie der gesamte Personenschadensbereich.
2. Reparaturwerkstatt/Autohandelshaus:
Durch die Übernahme der Schadensabwicklung droht
diesem Unternehmen eine Haftung aus einer möglichen
Falschberatung im Zusammenhang mit der Schadensabwicklung.
Ferner kommt auch eine Haftung durch die
von Versicherungsseite vorgeschlagene Art und Weise
der Reparaturdurchführung in Betracht.
Ebenso drohen Forderungsausfälle durch eine fehlerhafte
Beurteilung der Haftungsquote und daraus resultierend
nicht nur die vorerwähnten Schadensersatzansprüche,
sondern auch noch der Verlust des
Vertrauens des Kunden oder gar des Kunden selbst.
3. Eigentümer/Bank/Leasinggesellschaft
Im Zuge dieser schlanken Schadensabwicklung bleibt
oftmals der tatsächliche Eigentümer des Fahrzeuges auf
der Strecke, da ihm unter Umständen weder vom Fahrzeugnutzer
noch vom Versicherer oder der Werkstatt
vom eingetretenen Schadensereignis Mitteilung
gemacht wird.
Im Falle einer später erfolgenden Veräußerung des
Fahrzeuges drohen dem Eigentümer möglicherweise
Schadenersatzansprüche wegen unterlassener Aufklärung
betreffend Unfallvorschäden.
4. Gebrauchtwagenkäufer
Auch dessen Position wird gefährdet oder beeinträchtigt,
soweit dieser – infolge eines nicht vom Voreigentümer
gemeldeten Unfallschadens – diesen vom Vorbesitzer
als unfallfrei erwirbt.
5. Ein weiteres gravierendes Problem für sämtliche vorbenannten
Parteien ist das Problem der mangelhaften
Reparaturqualität durch Wahl eines fehlerhaften Reparaturweges
oder durch schlichten Pfusch. So wird schon
übersehen, dass die Schadenskalkulation auf der Basis
von per Internet übermittelten Schadenslichtbildern
durchaus problematisch ist und zu erheblichen Kalkulationsirrtümern
und Fehldispositionen führen kann.
Sodann entspricht bedauerlicherweise nicht jede
“selbst ernannte” Fachwerkstatt den heutigen Qualitätsanforderungen
in punkto Verwendung von Ersatzteilen,
Arbeitsleistung und Abrechnung. Dieses Problem
lässt sich lediglich durch eine sachgerechte
Schadenskalkulation und Nachbesichtigung durch
einen unabhängigen Sachverständigen eingrenzen.
Nicht unbedeutend ist auch die Gefahr des Verlustes
von Gewährleistungs- und/oder Garantieansprüchen
gegenüber dem Fahrzeughersteller durch Durchführung
von Reparaturmaßnahmen bei nicht autorisierten Fachwerkstätten
oder durch Wahl des falschen Reparaturweges.
Soweit hier bspw. die WGV wie folgt wirbt:
“Sie erhalten von der Fachwerkstatt eine erweiterte
Garantie auf 6 Jahre auf alle ausgeführten Arbeiten
und erforderlichenfalls Eintritt in die Herstellergarantie”,
suggeriert die WGV dem Geschädigten das Vorliegen
einer angemessenen Garantie. Dabei wird schlicht
ignoriert, dass die Garantie nur so viel Wert sein kann,
wie der Garantiegeber, der hinter dieser Erklärung
steht. Dies ist regelmäßig die mehr oder weniger qualifizierte
und solvente (?) Fachwerkstatt. Ferner vergisst
die WGV zu erwähnen, dass die Werksgarantien teilweise
12 oder gar 30 Jahre Laufzeit haben, sofern sich
der Autobesitzer an die einschlägigen Bedingungen des
Herstellers hält.
Zu diesem Thema äußert sich die Allianz in ihrem Fairplay-
Konzept indes nicht. Soweit in dem Leitfaden zum
Fairplay-Konzept der Eindruck erweckt wird, dass eine
sachverständige Überprüfung der gewählten Reparaturwege
über die Fa. (ontrol Expert erfolgen würde, wird
in diesem Zusammenhang unterdrückt, dass diese
Gesellschaft lediglich auf elektronischem Wege die
Schlüssigkeit und Plausibilität eines Kostenvoranschlages
und einer Rechnung überprüft, nicht jedoch die
Reparaturqualität an sich.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass dieses
Unternehmen, jedenfalls bei Schadensfällen, die nicht
nach dem Fairplay-Konzept bearbeitet werden, im Zuge
der Rechnungsprüfung häufig die zum Ansatz gebrachen
Lohnstundenverrechnungssätze und Ersatzteilaufschläge
oder Ähnliches auf der Basis irgendwelcher,
angeblich ortsüblicher Lohnstundenverrechnungssätze,
teilweise auch entgegen der Rechtssprechung, kürzt.
Auch vermag die Allianz keine plausible Erklärung dafür
abzugeben, weshalb lediglich in sog. “Fairplay” Fällen
der kurze Zahlungslauf möglich sein soll. Dieses Verhalten
erweckt den Eindruck, dass Werkstätten für ihr
Wohlverhalten prämiert und für ihre Verweigerungshaltung
in entsprechender Weise abgestraft werden sollen.
Dieser Verdacht wird dadurch genährt, dass auch
andere Versicherer in ihren Schadensmanagement- oder
Steuerungssystemen ähnliche Regelungen haben.
Schon die Namenswahl “Fairplay-Konzept” stellt ein
“Segeln unter falscher Flagge” dar, da mit der
Namenswahl der Eindruck erweckt werden soll, dass
eine interessen- und sachgerechte Regelung im Sinne
aller, an einem Schadensfall beteiligten Personen
gewährleistet werden soll. Allerdings wird hierbei übersehen,
dass es sich bei dem Fairplay-Konzept um die
zweite Stufe des Schadensmanagementsystems der Allianz
Versicherungs AG handelt. Da – wie oben bereits
ausgeführt – die Zusteuerung zu bestimmten Werkstätten
angesichts der Vielzahl der geschlossenen Verträge
nicht mehr machbar war, sah man sich augenscheinlich
veranlasst, das vorliegende Bonus-/Malussystem in
Sachen Zahlungstechnik und Zahlungsablauf zu installieren.
Soweit die Allianz behauptet, dass das Fairplay-Konzept
die Margen der Werkstätten nicht angreifen, die
Qualität der Reparatur nicht mindern und es auch nicht
gezielt die Einschaltung von Rechtsanwälten und Sachverständigen
ausschließen würde, zeigt sich in der
Realität ein anderes Bild. Dass die gewählten Formulierungen
im Fairplay-Konzept mit gerichtlichen Mitteln
nicht angreifbar sind, versteht sich von selbst. Allerdings
musste der Verfasser in der letzten Zeit diverse
Beratungsgespräche im Umgang mit rechtsschutzversicherten
Mandanten führen, welche kurz gefasst folgenden
Inhalt hatten:
Der Mandant erklärte,
dass er rechtsschutzversichert ist,
dass er einen Verkehrsunfall erlitten
und sich in eine Werkstatt begeben habe, die am Allianz
Fairplay-Konzept teilnehme. Da er sich über die
Haftungslage nicht völlig im Klaren war, bat er jeweils
um einen Rechtsrat. Die Übertragung des Schadensregulierungsmandates
wurde indes abgelehnt mit der
Erklärung, dass ihm seitens der Werkstatt gesagt worden
sei, wenn er einen Rechtsanwalt oder einen freien
Sachverständigen einschalte, komme das Fairplay-Konzept
nicht zur Anwendung, er habe dieserhalben mit
erheblichen Nachteilen zu rechnen, da sich die Zahlungen
verzögern würden.
Der Verfasser dieses Artikels geht davon aus, dass es
vielen Kollegen wohl schon ähnlich ergangen sein dürfte.
Er schlägt deshalb vor, dass die betroffenen Kollegen
eine entsprechende Mitteilung an die ARGE machen,
damit eine repräsentative Statistik erstellt werden
kann.
Soweit die Margen der Werkstätten nicht angegriffen
werden sollen, vermag der Verfasser des Artikels allerdings
nicht zu verstehen, weshalb zum Beispiel zum
“Thema Regeln für Scheiben reparatur und -austausch”
Folgendes angegeben ist:
UPE-Aufschläge individuell,
Glasreparatur erster Steinschlag max. EUR 75,-, 2. Steinschlag
max. EUR52,-, 3. Steinschlag wird nicht berechnet,
kein Scheibenabkleben, keine Entsorgungskosten, keine
Containergebühren,
keine glasfremden Positionen, wie z.B. Vignette, Regensensor
u.a.m.
Wie die Kalkulationen der Fa. Control Expert aussehen,
dürfte in den Kreisen der Mitglieder der ARGE ohnehin
bekannt sein.
Dass andere Versicherer noch weiter gehen, soll in diesem
Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Ein
gewisses Unwohlsein ist ersichtlich auch auf Seiten der
Versicherungswirtschaft vorhanden. Deutlich wird das
dadurch, dass in so manchem Schadensmanagementvertrag
eine Verschwiegenheitsverpflichtung mit aufgenommen
ist.
Schlussendlich stellt sich die Frage, wie auf die vorliegenden
“Konzepte” reagiert werden sollte:
1. Notwendig ist eine über die ARGE veranlasste,
umfassende Verbraucher-Unternehmeraufklärung, ggf.
durch Regionalveranstaltungen in Abstimmung mit den
Kfz-Innungen und Verbraucherverbänden.
2. Die konsequente und zügige Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen
auf dem Klagewege auch bei Vorliegen
von Bagatellabzügen unter Einbeziehung von
Verzinsungsansprüchen.
3. Eine intensivere Kooperation zwischen Rechtsanwälten,
versicherungsunabhängigen Sachverständigen und
Werkstätten.
4. In Prozessverfahren sollten zudem die Gerichte auf
die unterschiedlichen Bearbeitungsgeschwindigkeiten
zur Begründung der Verzinsungsansprüche hingewiesen
werden, da es für diese noch weniger sachlich gerechtfertigte
Gründe gibt, als für die von der Versicherungswirtschaft
angekreideten Mietpreisunterschiede zwischen
Normal- und Unfallersatztarif.
Die Allianz hat ein Eigentor geschossen. Anwälte sollten nunmehr sofort Klagen, wenn die Versicherung nicht entsprechend des Allianz Fair Play Konzepts regulieren. Begründung ist, dass gem. § 3a PflVG die Haftpflichtversicherung verpflichtet ist, unverzüglich ein Regulierungsangebot zu machen.
Unverzüglich heißt nach den Vorgaben der Allianz Schadensregulierungsangebote innerhalb von acht Arbeitstagen. Wenn die Allianz innerhalb von acht Tagen einen Unfallschaden, der von Laien dargelegt wurde, regulieren kann, dann kann sie dies ebenso, wenn der Sachverhalt von einem Anwalt dargelegt wurde und ein Sachverständigengutachten vorliegt.
Darf man fragen, worin der Unterschied besteht, wenn die Werkstätten mit den freien Sachverständigen und den Rechtsanwälten zusammenarbeiten? Dann kommt es dazu, dass bei jedem Bagatellschaden ein Gutachten (unter Berücksichtigung der Rechtssprechung) und ein Rechtsanwalt eingeschaltet wird. Ist das nicht dasselbe in grün? Irgendwelche Vereinbarungen gibt es irgendwie immer. So schneidet sich jeder seinen Teil vom Kuchen ab und… dennoch ist keiner zufrieden. Natürlich kann und soll ein Geschädigter seine Rechte wahrnehmen sofern es um die Wahrung seiner berechtigten Ansprüche geht. Oft sind es ja gerade die fiktiven Abrechnungen, die Anlass für so viel Diskussion geben…
Kaum zu glauben, und das von einem Anwalt der die R&V Versicherung ständig vertritt! Man hängt halt sein Fähnchen immer in den richtigen Wind 😀
[…] Aktives Schadensmanagement am Beispiel des Allianz-Fair-Play Konzepts […]
Ist ein logischer Schritt der Versicherungen, bedenkt man wieviel Schindluder von Autohäusern, Werkstätten und Sachverständigen in der Vergangenheit getrieben wurde. Da wurden aus Bagatellschäden Teure Reparaturen kreiert. Mietwagenrechnungen in die Höhe getrieben. u.s.w. Letztendlich hat der Versicherungsnehmer draufgelegt. In jedem Bericht zu diesem Thema ist immer wieder zuhören, das Werkstätten die dem System angehören, schlecht arbeiten oder auch pfuschen und nicht kompotent genug sind einen Schaden richtig einzuschätzen. Dazu möchte ich sagen, daß dies nicht ganz richtig ist. Denn dieses gibt es in allen Bereichen und davor ist auch kein Kunde geschützt. Es gibt Unternehemen die ihre Fachkompotenz einfach überschätzen. Und das kann auch die Fachwerkstatt um die Ecke sein.