Der Kollege Andreas Gursch aus 71034 Böblingen hat mir ein interessantes Urteil des AG Nürnberg (vom 08.12.2009, Az. 18 C 5971/09) zur Verfügung gestellt, welches unten im Volltext und hier als PDF heruntergeladen werden kann.
Das Urteil läßt sich wie folgt zusammenfassen:
– Ein Autohaus betreibt bei der Geltendmachung von Mietwagenkosten zwar eine fremde Angelegenheit; dies ist aber im Rahmen des § 5 RDG erlaubt. Der Gesetzgeber wollte durch die Schaffung des § 5 Abs. 1 RDG Fälle wie den vorliegenden regeln (in diesem Sinne hatte sich bereits das LG Offenburg mit Urteil vom 26.08.2009, Az. 1 S 60/09, geäußert: “Nach der amtlichen Begründung des Rechtsdienstleistungsgesetzes im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BR Drucksache 623/06 S. 110f .) wird als Anwendungsfall der als Nebenleistung zulässigen Inkassotätigkeit ausdrücklich die Geltendmachung von Mietwagenkosten im Bereich der Unfallschadenregulierung genannt.In dieser Begründung heißt es ausdrücklich: Soweit die Rechtsprechung unter Geltung des Artikel 1 § 5 RBerG bis heute ganz überwiegend daran festhält, dass die Einziehung abgetretener Kundenforderungen durch den gewerblichen Unternehmenr nur dann zulässig ist, wenn es diesem wesentlich darum geht, die ihm durch Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen (vgl. zuletzt BGH, VI ZR 268/04 v 15.11.2005), soll dies künftig nicht mehr gelten.”)
– Die erforderlichen Mietwagenkosten werden anhand der Schwacke-Mietpreisliste 2008 geschätzt; die Fraunhofer-Untersuchung sei – entgegen OLG München – keine taugliche Grundlage, das zweistellige PLZ-Raster für den vorliegenden Fall zu grob ist und mehrere Bundesländer und Regionen erfasse.
– Abzug einer Eigenersparnis von 3 %
– das Gericht legt eine etwas gewöhnungsbedürftige Berechnung der Zeiteinteilung zugrunde (warum hat denn die Schwacke-Liste die Unterteilung in den 1-Tages, 3-Tages- und Wochentarif gewählt? Wie das Gericht an anderer Stelle bemerkt: Wenn schon Schwacke-Liste, dann auch vollständig !)
– Die Kosten für Winterreifen sind zu erstatten, da Zusatzleistung
– Die Kosten für die Haftungsbefreiung sind zuzusprechen
Hier der Volltext:
Verkündet am 8.12.2009
Amtsgericht Nürnberg
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
Autohaus
– Klägerin ,..
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Marc Wennberg u. Kollegen, Hanns-Klemm-Str. 5, 71034 Böblingen , Gz.: 4480/09
Rechtsanwälte Jürgen Lawrenz & Partner, Wiesbadener Str. 21, 90427 Nürnberg als Unterbevollmächtigte
gegen
HDI-Gerling Industrie Versicherung AG, Dürrenhbfstr. 6, 90402 Nürnberg, Gz.: 85-201-10425-089 A, vertr. durch d. Vorstandsvors. Dr. Christian Hinsch u.a.
– Beklagte –
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Michael Ficht & Koll., Theodorstr. 5, 90489 Nürnberg , Gz.:, 2009/06084
wegen Forderung
erläßt das Amtsgericht Nürnberg durch Richterin Schobert
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2009 folgendes
Endurteil:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 508,09 € nebst 5 %- Punkte Zinsen hieraus über dem Basis zinssatz. seit dem 20.02.2009, sowie weitere 70,20 € außergerichtliche Rechtsanwaltkosten nebst 5 %Punkten Zinsen hieraus -über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.06.2009 zu bezahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 508,09 € festgesetzt.
Tatbestand:
Von der Abfassung konnte gemäß §§ 313 a, 495 a ZPO abgesehen werden.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadenersatz aus abgetretenen Recht in Höhe von 508-,09 €, vgl. §§ 7 StVG, 823,249,398 BGB.
1)
Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
Der Geschädigte hat seine Ansprüche gegenüber der Beklagten wirksam an die Klägerin nach § 398 BGB abgetreten. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Abtretungserklärung nicht gemäß § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen das RDG, das seit dem 01.07.2008 zur Anwendung kommt, nichtig.
Nach § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder durch oder auf Grund anderer Gesetze erlaubt ist. Rechtsdienstleistung ist zunächst einmal nach § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert.
Darüber hinaus handelt es sich nach § 2 Abs. 2 RDG bei der Einziehung fremder oder zum Zwecke der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderung um eine Rechtsdienstleistung, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Klägerin unterhält einen Neu- und Gebrauchtwagenhandel. Der Forderungseinzug wird von der Klägerin nicht als eigenständiges Geschäft betrieben.
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 RGD liegen allerdings vor. Bei der von der Klägerin vorgenommenen Geltendmachung der Mietwagenkosten handelt es sich um eine Tätigkeit in einer fremden Angelegenheit. Entscheidend für die Beurteilung ist die Abtretungserklärung im Einzelfall und, ob die Forderung endgültig auf den Erwerber übertragen wird und er auch das Bonitätsrisiko übernimmt. Die Abtretung ist vorliegend nicht an Erfüllungs statt sondern lediglich erfüllungshalber erfolgt. Aus der Formulierung der Abtretungserklärung folgt, dass die Klägerin nicht das wirtschatliche Risiko der Beitreibung übernimmt, sondern der Geschädigte selbst zur Zahlung verpflichtet ist, wenn und soweit die Versicherung nicht ab Rechnungsstellung innerhalb von drei Wochen die Forderung begleicht. Die Klägerin hält sich durch diese Formulierung vor, ihre Forderung weiter gegen den Zedenten geltend zu machen. Es ist hier lediglich von einer Abtretung zu Einziehungszwecken auszugehen.
Eine Einzelfallprüfung gemäß § 2 Abs 1 RDG ist im vorliegenden Fall erforderlich. Hieran dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden.
Die von der Klägerin vorgenommene Tätigkeit erfüllt jedoch die Voraussetzungen des § 5 RDG und ist damit nach dem RDG erlaubt. § 5 Abs. 1 RDG erlaubt solche Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung Zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebentätigkeit vorliegt ist gem. § 5 Abs. 1S. 2 RDG nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichem Zusammenhang nut der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist bezüglich der Geltendmachung von Mietwagenkosten durch die Klägerin aus abgetretenem Recht von einer Nebentätigkeit im Sinne des § 5 RDG auszugehen.
Gerade in den Fällen, in denen es wie hier zu Streit über die Höhe der in Ansatz gebrachten Mietwagenkosten kommt, zeigt sich die Zugehörigkeit der Geltendmachung der Forderung zu der eigentlichen Hauptleistung deutlich. In diesen Fällen wird eine Rechtfertigung der eigenen Leistung und Abrechnung der Klägerin als Mietwagenunternehmen erforderlich. Dem Kunden ist dies mangels entsprechender Kenntnisse oftmals gar nicht möglich.
Dementsprechend wollte der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 5 Abs. 1 RDG die Einziehung von Kundenforderungen in bestimmten Fällen, in denen eine Abtretung erlüllungshalber stattgefunden hat, zulassen (AG Merzig Urteil vom 19.06.2009).
Das Gericht schätzt die erforderlichen Mietwagenkosten nach.§ 287 ZPO auf der Basis der Schwacke-Mieptreisliste zum Anmietungszeitraum. Zugrundezulegen war die Schwacke-Liste 2008. Die durch die Beklagtenpartei vorgebrachten Bedenken gegen diese Schätzgnmdlage stellten keine so erheblichen Zweifel dar, dass von der Schätzgrundlage abzuweichen war. Mit Entscheidung des OLG Nürmberg vom 27.01.2009 (AZ: 1 U 1878/08) geht auch das Oberlandesgericht Nürnberg von der Anwendbarkeit der Schwacke-Mietpreisliste aus.
Zudem ist folgendes auszuführen:
Die Frauenhofer-Liste ist keine geeignete Schätzgrundlage, da diese nicht am örtlich relevanten Mark erhoben wurde. Die Auffassung einiger Gerichte (z.B. OLG München im Urteil vom 25.07.2008) kann diesseits nicht geteilt werden. Basis einer Schätzgrundlage ist der örtlich relevante Markt. Die Fraunhofer-Liste enthält im einstelligen PLZ-Bereich weite Gebiete der Bundesländer Bayern, Thüringen, Baden-Württemberg. Der zweistellige PLZ-Bereich ist ein Sondermarkt, da er im Internet erhoben wurde. Auf diesen Sondermarkt “Internet” muss sich der Geschädigte nicht verweisen lassen. Zudem wurden weniger örtliche Anbieter im Vergleich zur Schwacke-Mietpreisliste herücksichtigt. Dem Gericht ist aus zahlreichen Verfahren bekannt, dass alleine im Raum Nümberg- Fürth- Erlangen die örtlichen Mietpreise erheblich differieren. Wie in einer Liste, welche drei Bundesländer umfasst, ein örtlich relevanter Markt dargestellt werden kann, lässt sich hieraus nicht erschließen; hierzu nimmt auch nicht das oben zitierte Urteil des OLG München Stellung.
Bei der hier vorzunehmenden Schätzung war von Gruppe 4 als anzumietende Klasse auszugehen.
Abzuziehen war eine Eigenersparnis von 3 %. Das Gericht legt dem Modustarif zugrunde. Nach dem Vortrag waren Aufschläge für Winterreifen zu gewähren. Zudem waren die Kosten für die Haftungsbeschränkung zu berücksichtigen. Abzuziehen waren bereits außergerichtliche 437,62 €.
Für den Anmietzeitraum von 9 Tagen ergibt das folgende Berechnung:
(525,00 €/7) x 9
abzgl. 3 % Eigenerspamis
Wmterreifen 15,00 € x 9
100 % Haftungsbefreiung (132,00 €l7) JC 9
abzgl.
675,00 €
20,25 €
654,75 € ‘.
+ 135,00 €
169,71 €
959,46 €
– 437,62 €
521,84 €
Zu dem Rechenwerk sei folgendes bemerkt:
Das Gericht schätzt einen Zeitraum welcher die jeweilige Zeiteinteilung überschreitet nach der entsprechenden Quote des nächst höheren Zeitraumes (z. B. werden bei acht Tagen nicht der Wochentarif und zusätzlich die Tagespauschale, sonder 8/7 des Wochentarifs zu Grunde gelegt. Diese Schätzung verhindert, dass der letzte (oder erste) angemietete Tag besonders teuer ist. Dieser überzählige Tag ist sonst im Verhältnis zum Wochentarif erheblich teurer.
Das Gericht schätzt den Abzug für die Eigenerspamis auf 3 %. Dies entspricht der ständigen Rechtssprechung des Landgerichts Nürnberg/Fürth. Aufgrund der technischen Entwicklung ist ein geringerer Abzug für die Eigenerspamis vorzunehmen.
Die Schwacke-Mietpreisliste weist einen eigenen Betrag für Wmterreifen auf. Dies zeigt, dass bereits im Grundbetrag kein solcher Aufschlag einberechnet ist. Es ist durchaus plausibel und nachvollziehbar, dass für Winterreifen Zusatzkosten entstehen (erhöhter Lageraufwand; Umbaukosten).
Das Landgericht Nütnberg/Fürth gibt den Zuschlag für Winterreifen. Dieser Rechtssprechung schließt sich das erkennende Gericht an. Daran ändert nicht, dass ein Mietwagen verkehrssicher ausgestattet sein muss, denn die Frage der grundsätzlichen Ausstattung betrifft nicht die Frage, wer diese Ausstattung zu zahlen hat: Mit anderen Worten kann zwar der Kunde einen Mietwagen mit Winterreifen verlangen, dafür kann das Unternehmen dem Kunden die Mehrkosten in Rechnung stellen; ob diese Kosten im Grundmietpreis enthalten oder gesondert ausgewiesen sind, ist Sache der vereinbarten Abrechnung. Das Gericht schätzt aufgrund der Schwacke-Mietpreisliste diese Erhebung weist für Winterreifen eine gesonderten Rechnungsposten aus und bringt damit zum Ausdruck, dass der Markt üblicherWeise eine gesonderte Verrechnung jeweils nur bei Anzeige dieser Leistung in Rechnung stellt. Zudem wurde die angewandte Schätzgrundlage so erhoben, dass im Grundpreis weitere Kosten gesondert ausgewiesen wurden. Schätzt man auf der Basis der Schwacke-MietpreisListe dann hat eine Schätzung auf der Basis der gesamten Liste und nicht nur eines Teils zu erfolgen. Winterreifen sind somit bei konkreten Fall und konkreter Erforderlichkeit gesondert zuzusprechen.
Die Winterreifen waren Anfang November schon zuzusprechen.
Die Kosten für den Vollkaskoschutz am Ersatzfahrzeug sind ebenfalls anzusetzen. Unerheblich ist, ob das eigene Fahrzeug des Geschädigten zum Unfallzeitpunkt vollkaskoversichert war. Die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges mit Vollkaskoschutz ist in der Regel eine adäquate Schadensfolge. Im vorliegenden Fall sind keine Gesichtspunkte vorgetragen, die zu Abzügen führen.
3)
Mit Schreiben vom 09.02.2009 wurde die Beklagte unter Fristsetzung zum 19.02.2009 aufgefordert, den noch ausstehenden Differenzbetrag bzgl. der Mietwagenkosten zu erstatten. Die Beklagte befindet sich daher ab 20.02.2009 in Zahlungsverzug.
Die außergerichtlichen entstandenen Rechtsanwaltkosten in Höhe von 70,20 € hat die Beklagte als Verzugsschaden ebenfalls zu ersetzen. Ab Zustellung des Mahnbescheides (23.06.2009) befindet sich die Beklagte mit der Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Verzug.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor.
Schobert
Richterin