Rechtsanwaltskosten bei gewerblichem Vermieter erstattungsfähig

Das Amtsgericht Euskirchen (Urteil vom 03.07.2018, Az. 4 C 305/17) hat die KRAVAG-Versicherung zur Zahlung der Anwaltskosten nach einem Verkehrsunfall (LKW-Vermieter) verurteilt. Was für jeden “normalen” Geschädigten die Regel ist und sicherlich keinen Blogeintrag wert ist, wird aber von dieser Versicherung bundesweit bei gewerblich tätigen Unternehmen in Frage gestellt. Dies gilt erst recht, wenn dieses Unternehmen “vom Fach” ist (hier: gewerblicher LKW-Vermieter).

Die zugrundeliegende Rechtsfrage ist eigentlich nicht schwer zu beantworten: Bei dem heute vorherrschenden Kürzungswahn ist auch ein Mandant wie dieser hier gut beraten, sich von Anfang an anwaltlicher Hilfe zu bedienen egal, ob es nun tatsächlich Schwierigkeiten gibt oder nicht.  Dabei ist gerade diese Mandantin in anderen Sachen schon schwer mit der KRAVAG aneinandergeraten, was die Schadensersatzansprüche der Höhe nach angeht. Zu Recht hat man in dieser Firma die strategische Entscheidung getroffen, die Mitarbeiter für das zu bezahlen, was sie tun sollen: nämlich LKW vermieten, aber nicht Schadenfälle abwickeln.

Die Beklagte wurde durch diesen Anwalt K. aus Wiesbaden vertreten, der die Gerichte mit 90- und 25-seitigen Schriftsätzen glücklich macht. In der Wiesbadener Region scheint er damit Erfolg zu haben (hallo Inka!), ansonsten aber nicht. Demnächst folgt ein Urteil aus Soest mit gleichgelagerter Problemstellung.


Hier das Urteil (Download hier):

 

4 C 305/17

Verkündet am 03.07.2018

Amtsgericht Euskirchen

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägerin,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Busch & Kollegen, Schafhausener Str. 38, 52525 Heinsberg,

gegen

die KRAVAG Logistik Versicherungs AG, vertr. d. d. Vorstand, d. v. d. d. Vorsitzenden Dr. Edgar Martin, Heidenkampsweg 102, 20097 Hamburg,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Ingo Kern, Taunusstraße 79,
65183 Wiesbaden,

hat das Amtsgericht Euskirchen

auf die mündliche Verhandlung vom 12.06.2018
durch die Richterin Dr. Meyer
für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 546,50 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen
Zentralbank seit dem 28.11.2017 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Ohne Tatbestand (gemäߧ 313a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die Klägerin kann von der Beklagten als einstandspflichtigem
Haftpflichtversicherer als weitere Folge des Verkehrsunfalls am 27. 10.2017 in
Weilerswist, bei dem das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug beim Vorbeifahren
gegen das stehende Fahrzeug der Klägerin fuhr und dieses hierdurch beschädigte,
die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,50 EUR gemäß
§§ 823 Abs. 1 BGB, 7 StVG, 115 Nr. 1 VVG i. V. m. § 249 BGB verlangen.
Die volle Haftung der Beklagten für den aus dem streitgegenständlichen
Verkehrsunfall resultierenden Schaden steht dem Grunde nach außer Streit.
Grundsätzlich kann der Geschädigte als Folgeschaden auch die ihm für die
außergerichtliche Geltendmachung seines Schadens entstandenen
Rechtsanwaltsgebühren verlangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH
setzt die Ersatzfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten lediglich voraus, dass die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig ist (BGH,
Urteil vom 23. 10. 2003 – IX ZR 249/02 m. w. N.). An die Voraussetzungen des
materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs sind keine überzogenen
Anforderungen zu stellen. Nur wenn die Verantwortlichkeit für den Schaden und
damit die Haftung nach Grund und Höhe von vornherein klar ist, so dass aus Sicht
des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der
Schädiger seiner Ersatzpflicht nachkommen wird, ist die Hinzuziehung eines
Rechtsanwalts schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens nicht erforderlich. Ist hingegen ein Schadensfall schwieriger gelagert, darf der Geschädigte sogleich einen Rechtsanwalt beauftragen (BGH, Urteil vom 08. 11. 1994 – VI ZR 3/94).

Gemessen hieran durfte die Klägerin die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur
Verfolgung ihrer Ansprüche für erforderlich halten. Der Einwand der Beklagten, es
handele sich um einen einfach gelagerten Verkehrsunfall und die Klägerin verfüge
als Formkaufmann im Bereich Handel, Vermietung und Finanzierung von LKW über
besondere Sachkompetenz, so dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts bereits
für die erste Anspruchsmeldung nicht erforderlich gewesen sei, greift nicht durch.
Es liegt schon kein einfach gelagerter Fall vor. An dem streitgegenständlichen
Verkehrsunfall waren zwei Fahrzeuge beteiligt. Bei einer Kollision zwischen zwei
Fahrzeugen stellt sich automatisch die Frage der Betriebsgefahr (LG Krefeld, Urteil vom 07.04.2011 – 3 S 39/1 O; LG Mannheim, Urteil vom 22. 6. 2007 – 1 S 23/07). Ob diese zurücktritt, ist generell eine nicht einfache Fragestellung. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem vom BGH entschiedenen Fall (BGH, Urteil vom 08. 11. 1994 – VI ZR 3/94), welchen die Beklagte zur Begründung ihrer Auffassung heranzieht. Denn dort kam es zu einer Kollision mit einer Leitplanke.

Hinzu kommt, dass auch die Beurteilung dessen, was der Höhe nach vom Schädiger
geschuldet wird, bei einem Fahrzeugschaden nicht einfach zu beurteilen ist. Die
Rechtsprechung zum Umfang des erstattungsfähigen Schadens bei Verkehrsunfällen
ist umfangreich und wird auch in jüngster Zeit ständig fortentwickelt (LG Itzehoe,
Urteil vom 05.08.2008 – 1 S 22/08; LG Krefeld, Urteil vom 07.04.2011 – 3 S 39/10).
Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass der durch den Unfall entstandene
Schaden 6.000,- EUR übersteigt und damit nicht im Bagatellbereich liegt. Bei
Schäden in der vorstehenden Größenordnung ist aber regelmäßig mit Einwendungen
bezüglich der Höhe zu rechnen (vgl. LG Krefeld, Urteil vom 07.04.2011 – 3 S 39/10).

Die Schadensersatzpflicht der Beklagten entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass die Klägerin ein Unternehmen zur im Bereich Handel, Vermietung und Finanzierung von LKW bzw. LKW-Anhängern betreibt und die Klägerin deshalb
häufiger mit Verkehrsunfällen konfrontiert ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Geschädigte in einem von vornherein nicht ganz einfach gelagerten Schadensfall zu eigener Müheverwaltung bei der Schadensabwicklung nicht verpflichtet. Darauf, ob die Klägerin geschäftlich versiert ist oder gar eine eigene Rechtsabteilung unterhält, kommt es, wenn es sich nicht um einen einfach gelagerten Schadensfall handelt, nach der Rechtsprechung des BGH nicht an (BGH, Urteil vom 08. 11. 1994 -VI ZR 3/94).

Der Anspruch der Klägerin ist auch auf Zahlung und nicht nur auf Freistellung
gerichtet. Selbst wenn zunächst nur ein Befreiungsanspruch der Klägerin bestand, so hat sich dieser spätestens mit der ernsthaften und endgültigen
Erfüllungsverweigerung der Beklagten gemäß § 250 S. 2 BGB in einen
Zahlungsanspruch umgewandelt.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 546,50 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

[…]

 

Dr. Meyer