Irrungen und Wirrungen im Bußgeldverfahren

Nach einer Entscheidung des AG Lüdinghausen vom 10.11.2006 (NJW 2007, 167) hat ein Betroffener Anspruch auf Ersatz der notwendigen Auslagen (inkl. der Kosten eines Verteidigers), wenn er erst nach Erlaß des Bußgeldbescheids den wirklichen Fahrzeugführer (hier: der Bruder) benennt. Die Bußgeldbehörde hatte eine Auslagenerstattung mit dem Argument abgelehnt, daß der Betroffene die entlastenden Umstände nicht rechtzeitig vorgebracht hätte (§ 109a II OWiG). Dem folgte das Amtsgericht nicht und hielt die Entscheidung der Behörde für ermessensfehlerhaft, da das späte Vorbringen auf einem “vernünftigen oder billigenswerten Grund” beruhe. Bei Offenbarung wäre ein naher Angehöriger der Verfolgung ausgesetzt gewesen. Offensichtlich hatte sich die Behörde über die sicherlich nicht seltenen Fälle geärgert, daß der verantwortliche Fahrzeugführer erst nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist von drei Monaten benannt wird.

Ich bin in einer in Kürze zu verhandelnden Bußgeldsache sehr gespannt, wie der Richter entscheiden wird. Geblitzt worden war ein (offensichtlich !) junges Mädchen. Das Fahrzeug war auf einen Mann im mittleren Alter zugelassen, der schon allein aufgrund männlicher Merkmale wie Schnäuzer etc. nicht als Fahrer in Betracht kommt. Ein Mitarbeiter des Ordnungsamts erschien zu Identifizierungszwecken an der Haustür des oben genannten Fahrzeughalters. Es öffnete seine Ehefrau, die sich nicht zur Sache äußerte. Aufgrund des optischen Eindrucks entschied sich der Mitarbeiter des Ordnungsamts fälschlicherweise dafür, daß die Ehefrau die Täterin sei. Diese hat sich sehr gefreut und geschmeichelt gefühlt, daß man sie um mehr als 20 Jahre jünger gemacht hat. Ein wenig kriminalistisches Gespür und eine EMA-Anfrage hätten die wirkliche Täterin zu Tage gefördert.

Trotz entsprechenden Vorbringens, daß die Ehefrau nicht die Führerin des Fahrzeugs war und dem Antrag auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens, erging Bußgeldbescheid gegen die Ehefrau. Die Akte gelangte zum Amtsgericht. Der Richter verfügte ohne Hauptverhandlung, daß sowohl der betroffene Ehemann als auch seine Frau sich in Aachen bei einem Sachverständigen vorstellen sollten. Bis dahin hielt ich das verwendete Rubrum “In dem Bußgeldverfahren …gegen Ehemann” für einen Tippfehler. Da beide nicht aktiv mitwirken müssen, wurde dieser Maßnahme widersprochen.

Nunmehr hat das Amtsgericht Termin zur Hauptverhandlung bestimmt, wieder mit dem obigen Rubrum “….gegen Ehemann”. Eine Anfrage bei der Mandantin ergab, daß nur der Ehemann eine Ladung erhielt. Gegen den Ehemann gibt es aber keinen Bußgeldbescheid – wieso wird gegen ihn ein Verfahren geführt ? Ich werde mal telefonisch beim Richter vorfühlen müssen, ob es wirklich ein Versehen oder Absicht ist. Wenn der Richter nett ist, benenne ich vielleicht jetzt die Fahrzeugführerin.

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