Als Führerscheintourismus wird eine Vorgehensweise beschrieben, bei dem einem Verkehrsteilnehmer in Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen und die Neuerteilung von einer erfolgreichen MPU abhängig gemacht wird. Dies versuchen einige Verkehrsteilnehmer zu umgehen, indem sie die Fahrerlaubnis in einem EU-Staat (Polen und Tschechien haben insofern traurige Berühmtheit erlangt) erwerben, in dem es keine MPU gibt. Der EuGH hat sich in diversen Entscheidungen (“Kapper”, “Halbritter”, “Kremers”) eher europarechtsfreundlich und deutschenfeindlich gezeigt, d.h. die innerhalb der EU erworbenen Fahrerlaubnisse mussten anerkannt werden. Die obigen Entscheidungen hatten es vom Sachverhalt her aber nie mit einem sog. “Mißbrauchsfall” zu tun, bei dem beispielsweise die Wohnsitzerfordernisse verletzt oder die MPU bewußt umgangen wurden. Die Verwaltungsgerichte hatten in Mißbrauchsfällen das Verhalten der Fahrerlaubnisbehörden gebilligt, diese Fahrerlaubnis nicht anzuerkennen. Wer Europrecht mißbrauche, könne sich nicht darauf berufen. Zwei deutsche Verwaltungsgerichte hatten die entscheidende Frage dem EuGH zur Überprüfung vorgelegt. Dieser Rechtsstreit neigt sich dem Ende zu. Der Schlussantrag des Generalanwalts hat folgenden Wortlaut:
Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein sind so auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht verwehren, die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu verweigern, wenn dem Führerscheininhaber im erstgenannten Mitgliedstaat die Fahrerlaubnis mit der Begründung entzogen wurde, dass er unter Alkohol- oder Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug geführt hat, die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis in Anbetracht der von ihm ausgehenden Gefahr vom Bestehen eines medizinisch-psychologischen Tests abhängig gemacht wurde und im Ausstellungsmitgliedstaat kein Test durchgeführt wurde, dessen Niveau dem des im erstgenannten Staat geforderten vergleichbar ist.
Im Übrigen sind Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 so auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht verwehren, vorläufige Maßnahmen zu ergreifen wie die Aussetzung der Fahrerlaubnis während der Zeit, in der der Ausstellungsmitgliedstaat die Voraussetzungen für die Erteilung dieser Fahrerlaubnis prüft, wenn der Inhaber dieser Fahrerlaubnis ein potenziell gefährliches Verhalten zeigt.
Es zeichnet sich daher ab – sofern der EuGH wie gewöhnlich den Anträgen des Generalanwalts folgt -, dass dieses “Schlupfloch” in Zukunft gestopft werden wird. Vor den Verwaltungsgerichten wird dann darüber gestritten werden müssen, was denn Mißbrauchsfälle sind. Wer sich den ungewissen Gang durch ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz und anschließendem Hauptsacheverfahren ersparen will, sollte sich lieber professionell auf die MPU vorbereiten lassen. Das kostet weniger und bringt mehr, vor allem den anderen Verkehrsteilnehmern.