Was für das Kaufvertragsrecht schon lange ein “alter Hut” ist, gilt auch im Werkvertragsrecht. Der BGH hatte im Kaufvertragsrecht (Urteil vom 21.12.2005, VIII ZR 49/05) entschieden, dass ein Käufer grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung einer Reparaturrechnung hat, wenn er den Verkäufer im Falle eines gewährleistungspflichtigen Mangels nicht fruchtlos zur Nachbesserung aufgefordert hat.
Im nun entschiedenen Fall des AG Heinsberg, Urteil vom 09.01.2009, Az. 14 C 50/08, versuchte der Kunde gegen eine unstreitige Forderung der Klägerin mit einer Gegenforderung in erster Linie aufzurechnen, hilfsweise machte er diese mittels Widerklage geltend. Er behauptete, die Reparatur eines LKW sei mangelhaft gewesen. Beim Auftreten des Defekts seien die Parteien unschlüssig gewesen, was Ursache des Mangels sei, insbesondere ob es sich um einen gewährleistungspflichtigen Mangel handele. Die Reparatur wurde nicht bei der Klägerin durchgeführt, sondern bei einer anderen Firma. Der Beklagte warf der Klägerin mangelhaften Einbau vor; die Klägerin verteidigte sich damit, dass das verbaute Ersatzteil einen Materialfehler gehabt habe. Sie hatte diesen Vortrag mit einem Materialprüfungsgutachten untermauert. Außerdem wies sie darauf hin, dass die Beklagte ihr keine Frist zur Nachbesserung gesetzt habe. Das Amtsgericht folgte dieser Argumentation, so dass die Klägerin im vollen Umfang obsiegte.
Das Urteil kann nachfolgend im Volltext gelesen werden.
Abschrift
Verkündet am 09.01.2009
Klothen Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der Geschäftssteile
Amtsgericht Heinsberg
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Busch & Kollegen, Schafhausener Straße 38, 52525 Heinsberg,
gegen
Beklagte
hat das Amtsgericht Heinsberg
auf die mündliche Verhandlung vom 03.12.2008
durch die Richterin am Landgericht Köppen
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1597,94 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2008 zu zahlen.
Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte Busch und Kollegen aus 52525 Heinsberg in Höhe von netto 192,90 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.02.2008 freizustellen.
Die Hilfswiderklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, diese Sicherheitsleistung auch durch eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte Bürgschaft einer deutschen Bank oder öffentlichen Sparkasse zu leisten.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein gewerbliches Unternehmen, dass u.a. Reparaturen an Lkw der Firma MAN durchführt. Am 26.11.2007 beauftragte die Beklagte die Klägerin mit der Reparatur ihres Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen HS- .Die Bremsbeläge an beiden Hinterachsen des Lkw mussten u.a. erneuert werden. Der Reparatur lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zugrunde. Unter Ziffer VI. 2. ist dort festgehalten, dass gegen Ansprüche der Klägerin nur mit unbestrittenen oder rechtskräftigen Forderungen aufgerechnet werden kann. Nach Durchführung der Reparatur erteilte die Klägerin eine Rechnung über 1597,94 €, die die Beklagte nicht beglich. Sie rechnet mit einem Schadenersatzanspruch in Höhe von 1904,31 € gegenüber der Klageforderung auf. Hilfsweise, für den Fall, dass eine Aufrechnung nicht möglich ist, hat sie in Höhe der Klageforderung Widerklage erhoben. Der Schadensersatzanspruch beruht auf einer Rechnung der Firma die an dem Lkw HS- der Beklagten im Juli 2007 die Kupplung erneuert hatte, weil der Sicherungsdrahtring gebrochen war. Diese Kupplung war am 20.10.2006 bereits bei der Klägerin erneuert worden, wobei diesem Auftrag nicht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zugrunde lagen. Die Beklagte fuhr mit dem Lkw sodann 9 Monate und 28.000 km bis dieser am 26.07.2007 in B liegen blieb und zur Firma geschleppt wurde. Die von der Klägerin eingebaute Kupplung war von der Zulieferfirma dieser zur Verfügung gestellt worden.
Die Klägerin behauptet, dass die Kupplung auf Grund eines Materialfehlers ausgefallen sei, was sie, da sie diese nur eingebaut habe, nicht zu vertreten habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1597,94 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 02.02.2008 zu zahlen;
sie von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte Busch und Kollegen aus 52525 Heinsberg in Höhe von netto 192,90 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15.02.2008 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hilfsweise, für den Fall, dass die Aufrechnung ausgeschlossen sein sollte, beantragt die Beklagte,
die Klägerin zu verurteilen, an sie 1597,94 € nebst Jahreszinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2007 zu zahlen;
die Klägerin zu verurteilen, sie von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte von netto 192,20 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Klägerin beantragt,
die Hilfswiderklage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, der Kupplungsschaden sei auf einen Einbaufehler der Klägerin zurückzuführen, das Lager habe falsch gesessen, deshalb sei der Sicherungsdrahtring gebrochen. Ein Nachbesserungsrecht habe sie der Klägerin nicht einräumen müssen, da alle – auch die Klägerin – zum Zeitpunkt des Liegenbleibens des Lkw von einem Materialfehler ausgegangen seien und mit dem Geschäftsführer der Klägerin Einvernehmen erzielt worden sei, die Kupplung an die Herstellerfirma zu schicken und die Firma sich um alles weitere habe kümmern sollen. Eine Nachbesserung hätte die Klägerin bei Aufforderung jedoch auch verweigert, weil sie den Einbaufehler bestreite und weil sie den Lkw hätte abschleppen müssen, was Kosten verursacht hätte. Der von der Klägerin beauftragte Sachverständige habe möglicherweise nicht den Sicherungsring der Kupplung des Lkw der Beklagten untersucht. Die Kosten für die Kupplungsreparatur seien erforderlich und angemessen, eine günstigere Reparaturmöglichkeit habe nicht bestanden.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen gemäß Beweisbeschluss vom 10.10.2008, Blatt 85 der Akte. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 3.12.2008, Blatt 101 ff der Akte, Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 1597,94 € gemäß § 631 Abs. 1 BGB.
Die Klägerin hat eine Erneuerung der Bremsbeläge an dem Lkw der Beklagten HS vorgenommen. Hierfür sind Kosten in Höhe der Klageforderung entstanden, die die Beklagte zu ersetzen hat.
Eine Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung gegenüber der Klageforderung, ist auf Grund der AGB der Klägerin ausgeschlossen. Nach Ziffer VI. 2. der AGB ist eine Aufrechnung nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen möglich. Diese Einschränkung in AGB ist zulässig. Die Schadensersatzforderung ist weder unstreitig noch, rechtskräftig festgestellt.
Soweit die Beklagte rügt, die Klägerin habe schon nicht schlüssig die Einbeziehung der AGB erläutert, hat sie dies lediglich im Bezug auf die Kupplungsreparatur moniert. Auf die Einbeziehung der AGB im Rahmen des Reparaturauftrags betreffend den Kupplungsschaden kommt es jedoch nicht an. Denn mit einem Anspruch aus diesem Vertragsverhältnis soll zwar aufgerechnet werden, es handelt sich hierbei aber nur um die Gegenforderung und nicht um den Anspruch gegen den aufgerechnet werden soll. Dies ist die Klageforderung und hier sind die AGB unstreitig einbezogen worden, so dass eine Aufrechnung gegenüber dieser Forderung auf Grund fehlender Voraussetzungen nicht gegeben ist.
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus den §§ 286, 288 BGB.
Des weiteren kann die Klägerin die Freistellung von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen gemäß § 280 BGB in Höhe von 192,90 € verlangen.
Die zulässige Hilfswiderklage ist unbegründet.
Die Beklagte kann von der Klägerin nicht Schadensersatz in Höhe der Klageforderung gemäß den §§ 631, 633, 634 Nr. 4, 280, 281 BGB verlangen.
Denn die Beklagte hat vor der Reparatur des Kupplungsschadens der Klägerin nicht die Möglichkeit der Nachbesserung gegeben, § 281 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat vielmehr den Kupplungsschaden durch die Firma beheben lassen, ohne die Klägerin zur Beseitigung des Mangels aufzufordern.
Ein Nachbesserungsverlangen wäre jedoch erforderlich gewesen. Zwar ist eine Nachfristsetzung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen. Besondere Umstände liegen allerdings schon nicht vor. Dass alle Beteiligten von einem Materialfehler der Kupplung und einem Garantiefall ausgingen und sich deshalb die Firma um die Reparatur hat kümmern sollen, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Der Zeuge hat sich an ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Klägerin nicht erinnern können. Es ist deshalb davon auszugehen, dass auch ein Einbaufehler der Klägerin betreffend die Kupplung möglich war.
Die Aufforderung zur Nachbesserung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil Kosten für das Abschleppen des Lkw entstanden wären. Denn eine Nachfristsetzung ist auch dann erforderlich, wenn unverhältnismäßige Kosten entstehen könnten (BGH NJW 2006, 1195).
Schließlich kann vorliegend von einer Entbehrlichkeit des Nachbesserungsverlangens auch nicht deshalb ausgegangen werden, weil die Klägerin bei Aufforderung zur Beseitigung des Kupplungsschadens die Erfüllung verweigert hätte. Dass die Klägerin im Prozess eine Einstandspflicht negiert, lässt nicht ohne weiteres auf die Verweigerung der Reparatur vor Beseitigung des Kupplungsschadens schließen. Denn das Gutachten, das einen Materialfehler des Sicherungsdrahtringes ausweist, hatte die Klägerin erst nach der Reparatur eingeholt, zum Zeitpunkt des Reparatur war damit auch für die Klägerin unklar, ob sie für den Mangel einzustehen hat oder nicht. Jedenfalls hat die Beklagte nicht bewiesen, dass auch auf Seiten der Klägerin vor der Reparatur von einem Materialfehler ausgegangen wurde. Zudem bestand für die Klägerin die Möglichkeit, aus einer Garantie betreffend die Kupplung vorzugehen, so dass auch aus diesem Grund eine Beseitigung des Kupplungsschadens durch die Klägerin selbst durchaus in Frage gekommen wäre.
Mangels Nachbesserungsverlangen scheidet der Schadensersatzanspruch somit aus.
Im übrigen spricht jedoch einiges dafür, dass der Bruch des Sicherungsdrahtringes auf einem nicht von der Klägerin zu vertretenden Materialfehler beruht und nicht auf einem Einbaufehler, für den die Klägerin einzustehen hätte. Zwar handelt es sich bei dem Gutachten des Sachverständigen um ein Privatgutachten. Der Sachverständige ist jedoch allgemein vereidigt und dem Gericht als erfahrener und zuverlässiger Gutachter bekannt. Sein Ergebnis eines Materialfehlers hat er nachvollziehbar begründet und durch eine Untersuchung der TU Aachen untermauert. Dass er einen anderen Sicherungsdrahtring untersucht hätte, liegt fern und ist durch nichts belegt. Zudem hat er bereits einen Einbaufehler auf Grund der langen Laufzeit der Kupplung von 10 Monaten und fast 28000 km in Frage gestellt, weil eine Störung und ein Ausfall der Kupplung dann spätestens nach einigen Tagen aufgetreten wäre, was auch für einen Laien durchaus nachvollziehbar ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Streitwert: 1597,94 € Klage
1597,94 € Hilfswiderklage
3195,88 €
Köppen