Das LG Stuttgart hat in einem Berufungsurteil (vom 13.05.2009, Az. 5 S 278/08) die HDI-Versicherung zur Zahlung von Mietwagenkosten auf Basis der Schwacke-Liste verurteilt. Damit wurde eine Entscheidung des AG Nürtingen (12 C 716/08) bestätigt.
Das Urteil wurde mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt von RA Andreas Gursch, Rechtsanwälte
Marc Wennberg, Dr. Claus-Dieter Ulmer, Martin Banse, Julia Mayer, Andreas Gursch, Hanns-Klemm-Str. 5, 71034 Böblingen.
Volltext der Entscheidung nachfolgend oder als pdf-Download.
– Beglaubigte Abschrift –
Geschäftsnummer:
5 S 278/08
12 C 716/08
Amtsgericht
Nürtingen
Verkündet am
13. Mai 2009
Schipp, JFAnge
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landgericht stuttgart
Im Namen des Volkes
Urteil
Im Rechtsstreit
Autovermietung D S
– Klägerin I Berufungsbeklagte –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Wennberg, Dr. Ulmer u. Koll., Hanns-Klemm-Str. 5, 71034 Böblingen
(03685/08/GS)
gegen
HDI-Gerling Firmen- und Privatvers. AG
vertreten durch d. Vorstandsvors. Dr. Wolfgang Breuer
Eisenbahnstr. 1-3, 04315 Leipzig
(13-201-07730-079 E)
– Beklagte I Berufungsklägerin –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. E Bochum
wegen Schadensersatz
hat die 5: Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom
29. April 2009 durch
Richterin am Landgericht Dr. Linker
als Einzelrichter
für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird Zift. 1 des Urteils des Amtsgerichts Nürtingen
vom 07.08.2008, Az. 12 C 716/08, wie folgt abgeändert: Die Beklagte wird
verurteilt, an die Klägerin 646,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.03.2008 sowie weitere 101,40
Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
hieraus über dem Basiszinssatz seit 26.04.2008 zu bezahlen. Im übrigen
wird die Klage abgewiesen.
2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert der Berufung: 646,23 Euro.
– Ohne Tatbestand gem §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO –
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist zurückzuweisen.
Die Berufung ist nicht begründet, da die Entscheidung des Amtsgerichts weder auf einer
Rechtsverletzung gem. 9 546 ZPO beruht, noch nach 9 529 ZPO zugrunde zu legende
Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, S 513 ZPO.
Die Feststellungen des Amtsgerichts sind nach S 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legen, da
keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit begründen.
Die tatrichterliche Beweiswürdigung kann vom Berufungsgericht im Rahmen der
Prüfung einer Rechtsverletzung nach SS 513, 546 ZPO nur daraufhin überprüft werden,
ob gegen Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze verstoßen wurde. Ansonsten darf der
erkennende Richter die im Prozess gewonnenen Feststellungen nach seiner Einschätzung
würdigen. Eine in diesem Sinne vertretbare Beweiswürdigung durch das Erstgericht
stellt keinen Rechtsfehler im Sinne von S 513 Abs. 1 ZPO dar.
Vorliegend kann die Berufung Widersprüche oder Verstöße gegen Denkgesetze, allgemeine
Erfahrungssätze und Unvollständigkeiten bei der Überzeugungsfindung des Tatrichters
nicht aufzeigen. Es bestehen keine Bedenken gegen die Auffassung des Amtsgerichts,
das den Normaltarif der Schwacke-Liste 2007 als Schätzgrundlage für die berechneten
Mietwagenkosten zugrunde legt. Der Tatrichter kann grundsätzlich den Normaltarif
auf Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels ermitteln
(vgl. BGH NJW 2006, 2106; 2007, 1449, 3782, NJW 2008, 1519; OLG Karlsruhe,
VersR 2008, 92; NJW-RR 2008, 1113). Nach der Rechtsprechung des BGH sind Einwände
gegen die Schwacke-Liste nur zu berücksichtigen, wenn konkret aufgezeigt wird,
dass sich ihre Mängel auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 2008,
1519; BGH, Urteil vom 24.06.2008, VI ZR 234/07). Die von der Berufung vorgetragenen
Einwände genügen diesen Anforderungen nicht.
Die von Beklagtenseite recherchierten Internetangebote sind vorliegend nicht geeignet,
einen tatsächlichen und angemessenen Mietwagenpreis für den streitgegenständlichen
Zeitraum zu ermitteln. Diese Internetangebote wurden im Mai / Juni 2008 eingeholt; der
Unfall ereignete sich im November 2007, so dass die Preise nicht unbedingt vergleichbar
sind. Hinzu kommt, dass bei einer Anmietung über das Internet oftmals die Angaben
der Kreditkarte verlangt werden. Unabhängig davon, ob jedem Mieter eine Kreditkarte
zur Verfügung steht, ist die Versendung von Daten über das Internet mit einem gewissen
Missbrauchsrisiko behaftet. Wenn ein Geschädigter nicht bereit ist, dieses Risiko
einzugehen, kann dies nicht zu seinem Nachteil gereichen. Die Beklagte hat sich in erster
Instanz weiter darauf berufen, dass man telefonisch deutlich günstigere Tarife erhalten
hätte können. Dieser pauschale Vortrag eignet sich jedoch nicht, die Geltung der
Schwacke-Liste im Raum Nürtingen für den streitgegenständlichen Zeitraum in Frage zu
stellen.
Auch der Einwand der Berufung, die Firma Schwacke habe die Mietwagenpreise falsch
ermittelt, greift nicht durch. Dies betrifft einen grundsätzlichen Einwand gegen das Zustandekommen
der Schwacke-Liste, der, unabhängig von der Ermittlungsmethode, die
den Preisen der Schwacke-Liste zugrunde liegt, eben gerade keine – vom BGH geforderten
– konkreten Tatsachen enthält, die die Geltung der Liste für den örtlichen Raum
Nürtingen betrifft. Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Mietwagenkosten ist zudem
grundsätzlich das Preisniveau an dem Ort maßgebend, an dem das Fahrzeug angemietet
und übernommen wird, weil dort der Bedarf für ein Mietfahrzeug entsteht (BGH, NJW
2008, 1519). Der Marktpreisspiegel des Fraunhofer-Instituts erfasst lediglich einen
2stelligen PLZ-Bereich. Damit sind diese Mietpreistabellen örtlich jedenfalls unbestimmter
als die Schwacke-Liste und daher nicht geeignet, die Angemessenheit der Preise der
Schwacke-Liste für den vorliegenden Fall in Frage zu stellen. Der Vortrag der Beklagten
hinsichtlich der Untersuchung Dr. Zinn reicht ebenfalls nicht aus, um die Tarife der
Schwacke-Liste nach den vom BGH geforderten Kriterien in Frage zu stellen.
Die von Beklagtenseite vorgebrachten Einwendungen gegen die Schwacke-Liste sind
danach nicht geeignet, die Eignung dieser Liste im vorliegenden Fall anzugreifen, da
gerade nicht mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wurde, dass geltend gemachte Mängel
der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken.
Aus der Berufungsbegründung ergeben sich keine Gesichtspunkte, die eine grundsätzliche
Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung rechtfertigen. Der Tenor des erstinstanzlichen
Urteils wurde nur insoweit abgeändert, als eine Klagabweisung im übrigen
für den nicht zugesprochenen Betrag nicht erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit
auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung
hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, 9543 Abs. 2 ZPO.
Dr. Linker
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