AG Heinsberg: Schwacke ist tragfähige Schätzungsgrundlage trotz Fraunhofer

Das Amtsgericht Heinsberg hat sich in einem Urteil vom 19.11.2008 (Az. 3 C 53/08) ausdrücklich dazu ausgesprochen, die ersatzfähigen Mietwagenkosten auf der Grundlage der Schwacke-Liste zu schätzen. Die Gegenseite hatte auf das Urteil des OLG Köln vom 10.10.2008 und die Fraunhofer-Untersuchung verwiesen. Dies beeindruckte das Gericht zutreffenderweise überhaupt nicht. Das Gericht ging trotz der geltend gemachten Einwände von einer Geltung der Schwacke-Liste aus. Es könne nicht sein, so das Gericht, dass sich jeder Amtsrichter eine eigene Schätzungsgrundlage entwickle.

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3 C 53/08
Beglaubigte Abschrift
Verkündet am 19.11.2008

Amtsgericht Heinsberg

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

der Frau , 52525 Heinsberg,

Klägerin,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Busch & Kollegen, Schafhausener Straße 38, 52525 Heinsberg,

-Streithelferin:

-Prozessbevollmächtigte:

Firma B Autovermietung GmbH,

Rechtsanwältin O-K,

gegen

die H a.G.

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B & Kollegen,
Aachen,

hat das Amtsgericht Heinsberg
auf die mündliche Verhandlung vom 29.10.2008
durch die Richterin Buntrock
für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Forderung der Fa. B Autovermietung GmbH gemäß Rechnungsnummer 007 in Höhe eines Betrags von 556,92 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2008 freizustellen

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte Busch und Kollegen aus 52525 Heinsberg in Höhe restlicher 173,27 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2008 abzüglich am 11.06.2008 gezahlter 129,95 € freizustellen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits und der Streithelferin trägt die Beklagte zu 56%. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 44%. Die Streithelferin trägt ihre Kosten zu 44% selbst.

Tatbestand:

Die Klägerin macht mit der Klage restliche Schadensersatzansprüche geltend nach einem Verkehrsunfall, der sich am 04.03.2008 in Heinsberg ereignete. Die Klägerin ist Halterin und Eigentümerin des Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen HS-MH 887, Erstzulassung 29.11.2000, Kilometerstand ca. 126.000 km. Die volle Einstandspflicht der Beklagten für die unfallbedingten Schäden der Klägerin ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit Schreiben vom 05.03.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie, die Beklagte der Klägerin auf Wunsch bei der Reservierung eines Mietfahrzeugs behilflich sei. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens vom 05.03.2008, Bl. 43 d.A., wird Bezug genommen. Die Klägerin nahm für die Dauer von fünf Tagen ein Mietfahrzeug der Fa. B in Anspruch. Die Fa. B stellte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 733,04 € in Rechnung. Auf die Rechnung der Fa. B vom 14.03.2008, Bl. 25 d.A., wird Bezug genommen. Die Beklagte zahlte lediglich einen Betrag in Höhe von 176,12 € an die Fa. B. Mit Schreiben vom 17.03.2008 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 31.03.2008 erfolglos zur Zahlung auf.

Die Klägerin behauptet, die Reparaturdauer habe fünf Tage betragen. Ihr Pkw habe unfallbedingt eine merkantile Wertminderung in Höhe von 250,00 € erlitten. Die Klageforderung entspricht diesem Betrag zzgl. einer restlichen Kostenpauschale in Höhe von 5,00 € (nach Zahlung von 25,00 €) und zzgl. restlicher Mietwagenkosten.

Die Parteien vertreten unterschiedliche Ansichten zu der Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Mietwagenkosten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie, die Klägerin 255,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2008 zu zahlen;

2. an die Fa. zu Rechnungsnummer 007 556,92 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2008 zu zahlen;

hilfsweise die Klägerin von der Forderung der Fa. B gemäß Rechnungsnummer 007 in Höhe eines Betrags von 556,92 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2008 freizustellen;

3. sie, die Klägerin von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der Rechtsanwälte Busch und Kollegen aus 52525 Heinsberg in Höhe restlicher 173,27 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2008 abzüglich am 11.06.2008 gezahlter 129,95 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

In Höhe eines Betrags von 176,12 € hat die Klägerin die Klage im Klageantrag zu 2.) zurückgenommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 29.10.2008, Bl. 216 ff. d.A., Bezug genommen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidunqsqründe:

Die Klage ist nur teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von der Rechnung der Fa. B vom 14.03.2008 in Höhe eines weiteren Betrags von 556,92 € aus §§ 7 Abs.1, 17 Abs.1, 2 StVG in Verbindung mit §§ 115 VVG, 1 PfIVG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der geschädigte Eigentümer eines Kfz die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs verlangen. § 249 Abs.2 S.1 BGB beschränkt den Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten dabei auf den erforderlichen Herstellungsaufwand. Bestehen mehrere Wege der Herstellung, hat der Geschädigte in der Regel des Zumutbaren den wirtschaftlicheren zu wählen. Er muss sich bei der Anmietung eines Kfz daher für den sog. „Normaltarif” entscheiden. Aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation ist in der Regel jedoch ein höherer Mietwagenpreis als der Normaltarif zur Schadensbeseitigung erforderlich, so etwa aufgrund der Vorfinanzierung, des Risikos des Ausfalles mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen, des Vorhaltens schlechter ausgelasteter Fahrzeuge sowie des Erfordernisses der Einrichtung eines Notdienstes. Diese unfallbedingten Mehrleistungen der Mietwagenunternehmen rechtfertigen nach Auffassung des Gerichts einen pauschalen Aufschlag in Höhe von 20% auf den Normaltarif. Ein solcher Zuschlag erscheint unabhängig davon, in welchem Umfang im konkreten Fall unfallbedingte Zusatzleistungen des Autovermieters in Anspruch genommen worden sind, praktikabel und notwendig, um die Schadensabwicklung zu vereinheitlichen und zu erleichtern (so auch LG Dortmund, Urteil vom 29.05.2008, Az. 4 S 169/07, OLG Köln, Urteil vom 02.03.2007, Az. 19 U 181/06, zit. nach juris).

In Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den Normaltarif auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Automietpreisspiegels” im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermitteln (BGH, Urteil vom 09.05.2006, Az. VI ZR 117/05, zit. nach juris).

Dabei kann insbesondere die Schwacke-Liste 2007 zugrundegelegt werden. Es sind von der Beklagten vorliegend allein die üblicherweise vorgebrachten Einwände gegen die Schwacke-Liste 2007 erwähnt worden, so etwa, dass die Anbieter auf Nachfrage hin zu hohe Angaben gemacht hätten sowie dass eine Online-Recherche ein deutlich günstigeres Angebot ergeben hätte. Dem Gericht ist eine Überprüfung der Marktanalyse nicht möglich. Es ist jedoch auf eine Schätzgrundlage wie die Schwacke-Liste 2007 angewiesen. Es kann nicht wünschenswert sein, dass jeder Amtsrichter eigene Schätzgrundlagen entwickelt.

Daher geht das Gericht trotz der von der/dem Beklagten geltend gemachten Einwände von einer Anwendbarkeit der Schwacke-Liste aus (so auch LG Dortmund, Urteil vom 29.05.2008, Az. 4 S 169/07, zit. nach juris).

Mit Schreiben vom 05.03.2008 hat die Beklagte der Klägerin lediglich eine Tabelle mit Mietwagenpreisen unter gleichzeitiger Bezeichnung der Preise als „Orientierungshilfe” übermittelt. Ein konkretes Angebot hat die Beklagte der Klägerin nicht unterbreitet. Daher ist die Klägerin bei der Geltendmachung ihres Schadensersatzanspruchs nicht auf die in der Tabelle genannten Preise beschränkt.

Zudem sind sog. Nebenkosten nach der Nebenkostentabelle zum Schwacke-Automietpreisspiegel erstattungsfähig, wenn sie laut Mietvertrag erbracht und gesondert vergütet worden sind. Die Klägerin hat für die Zustellung und Abholung gemäß Rechnung der Fa. Berger vom 14.03.2008 für die Zustellung und die Abholung des Mietfahrzeugs jeweils 26,00 € entrichtet.

Außerdem sind die Kosten für eine Teil- bzw. Vollkaskoversicherung erstattungsfähig, und zwar unabhängig davon, ob das bei dem Verkehrsunfall beschädigte Kfz ebenfalls voll- oder teilkaskoversichert gewesen ist. Denn es besteht ein grundsätzlich schutzwürdiges Interesse der Kunden, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit hochwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge (LG Dortmund, Urteil vom 14.06.2007, Az. 4 S 129/06, zit. nach juris).

Das Gericht sieht es nach Durchführung der Beweisaufnahme als erwiesen an, dass es für die Klägerin erforderlich gewesen ist, für fünf Tage, d.h. für den Zeitraum vom 10.03. bis zum 14.03.2008 ein Mietfahrzeug in Anspruch zu nehmen. Der Zeuge S hat nachvollziehbar erklärt, dass der klägerische Pkw erst am Nachmittag des 14.03.2008 unmittelbar nach Fertigstellung der Reparatur wieder an die Klägerin ausgeliefert worden ist. Der Zeuge hat insbesondere auch erklärt, wie es zu der Überschreitung der Schätzung des Sachverständigen H von 3-4 Reparaturtagen gekommen ist.

Da der Schaden der Klägerin in der Belastung mit einer Verbindlichkeit besteht, hat die Klägerin gegenüber der Beklagten lediglich einen Anspruch auf Freistellung gegenüber der Fa. Berger, nicht aber auf Zahlung.

Damit ergibt sich ein Anspruch der Klägerin Freistellung in Höhe eines weiteren Betrags in Höhe von 556,92 € gegenüber der Fa. Berger (Schwacke-Liste 2007, Postleitzahlengebiet 525, Gruppe 4):

1 * 3-Tagespauschale (arithmetisches Mittel) 292,00 €
2* 1-Tagespauschale (arithmetisches Mittel) 196,00
Summe:
zzgl. 20% 488,00 €

97,60 €
2 * Pauschale für Zustellung/Abholung (arithmetisches Mittel) 42,00 €
1 * 3-Tagespauschale Vollkasko (arithmetisches Mittel) 65,00 €
2 * 1-Tagespauschale Vollkasko (arithmetisches Mittel) 42,00 €
Gesamt: 734,60 €
Gezahlt: 176.12 €
Restforderung: € 558,48
Die Zinsforderung folgt insoweit aus §§ 286, 288 BGB.

Dagegen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Betrags in Höhe von 250,00 €. Ein zu ersetzender Vermögensschaden ist zwar auch der nach einer Reparatur verbleibende merkantile Minderwert (Palandt/Heinrichs, 67. Auflage, § 251 BGB, Rn 12). Der von der Klägerin vorgerichtlich beauftrage Sachverständige Dipl.-Ing. Hagmanns hat jedoch in seinem Gutachten vom 05.03.2008 festgestellt, dass eine merkantile Wertminderung des klägerischen Pkw entfällt. Die Klägerin hat keinerlei Tatsachen vorgetragen, die dem Gericht insoweit eine andere Beurteilung ermöglichen könnten.

Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Betrags in Höhe von 5,00 € als Auslagenpauschale. Der Anspruch des Geschädigten auf Zahlung einer Auslagenpauschale ohne weitere Spezifizierung besteht lediglich in Höhe von 25,00 €. Diesen Betrag hat die Beklagte an die Klägerin gezahlt.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung weiterer Anwaltskosten. Für die Klägerin ist aufgrund der nur teilweisen Regulierungsbereitschaft der Beklagten die Inanspruchnahme anwaltlichen Rats erforderlich gewesen. Bei der Berechnung ist von einem Streitwert von 3.580,74 € auszugehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs.2 Nr.1 ZPO, 101 Abs.1 ZPO , die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus

Streitwert: bis zum 03.09.2008: 988,04 €
seit dem 04.09.2008: 811,92 €.
Buntrock
Beglaubigt

3 Kommentare

  1. Die Rechtslage beim AG Heinsberg hat sich -leider- inzwischen geändert. Das AG würde gerne weiter wie im obigen Urteil die Schwacke-Liste zugrundelegen. Das LG Aachen hat sich aber – ohne tragfähige Grundlage – für die Anwendung der Schwacke-Liste 2003 (!!!) entschieden. Vielleicht sollte man der Berufungskammer mal einen Kalender schicken, damit die nachschauen können, in welchem Jahr wir leben.

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