Das von der Versicherungswirtschaft in Auftrag gegebene Gutachten des Fraunhofer-Instituts entfaltet seine “Sprengwirkung” immer mehr. Das OLG Köln, welches eigentliche eine für den Unfallgeschädigten vorteilhafte, da pragmatische Linie gefunden hatte (“Schwacke-Liste” + 15/20 %), hat nunmehr entschieden (Urteil vom 10.10.2008, Az. 6 U 115/08), dass das Fraunhofer-Gutachten und die Vorlage konkreter Angebote berücksichtigt werden müssen. In diesem Falle handele es sich um konkrete Angriffe gegen die Schwacke-Liste, so dass der darlegungs- und beweispflichtige Unfallgeschädigte ggf. einen Beweisantritt in Form des Sachverständigengutachtens zur Angemessenheit der Mietwagenzinsen anbringen muss, wenn er nicht beweisfällig bleiben will.
Ich hatte bereits in diesem Beitrag auf die Kritikpunkte an der Untersuchung des Fraunhofer-Instituts hingewiesen. Es ist erstaunlich, dass sich der entscheidende Senat des OLG Köln von der Fraunhofer-Untersuchung beeindrucken läßt. Denn in aller Regel sind die Tarife, die dieser Untersuchung zugrundeliegen, für einen Unfallgeschädigten gerade nicht erreichbar. Es ist schade, dass jetzt wieder für die in aller Regel im Streit stehenden wenigen hundert Euro Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen. Es ist auch zu befürchten, dass vermehrt um Mietwagenkosten gestritten wird. Der Sachverständige wird im Zweifel keine Auskunft bekommen, wenn er seinen Gutachterauftrag offenbart (was er seriöserweise machen muß). Wie also soll der Sachverständige an zuverlässige Informationen kommen ? Ein Machtwort des BGH muß her. Aber wahrscheinlich wird er sich in diesen Fällen auf das formelhafte “…ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden….” beschränken….
Update 08.04.2009: Nach der Mitteilung des BAV scheinen sich die Senate des OLG Köln nicht ganz einig zu sein; Der 2. und der 24. Senat haben mit Ihren nachfolgenden Entscheidungen eine andere Position bezogen:
OLG Köln, 11.02.2009, 2 U 102/08:
Eine Schätzung des LG auf Basis Schwacke 2006/2007 ist nicht zu beanstanden. Keine konkreten Mängel aufgezeigt. Unter anderem mittels Fraunhofer geübte Kritik bietet keinen Anlass zu Abweichungen. Dass Fraunhofer die Anwendbarkeit der Schwackeliste in Frage stellen müsste, vermag der Senat gegenwärtig nicht zu erkennen.
OLG Köln, 03.03.2009, 24 U 6/08:
Gegen eine Schätzung mittels Schwacke bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Mit der Vorlage von Fraunhofer hat die Beklagte keine konkreten Fehler der Schwacke-Liste belegt. Eine Überlegenheit von Fraunhofer aufgrund anonymer Erhebung sieht der 24. Senat nicht. Erhebung ist beschränkt auf Telefon und Internet. Erhebung ist zeitlich beschränkt. Vorbuchungsfrist. PLZ-Vergröberung. Geringere Datendichte.
Update 19.05.2009: Auch der 13. Senat des OLG Köln (Hinweisbeschluß, Az. 13 U 6/09) teilt die Auffassung des 6. Senats nicht. Vielmehr vertritt der 13. Senat nach einer Mitteilung des BAV die Linie des BGH, wonach die Schwacke-Liste eine taugliche Schätzungsgrundlage sei, Fraunhofer dagegen nicht. Begrüßenswert ist auch die Auffassung, wonach ein Aufschlag auf den Tarif gerechtfertigt ist, da bei der Vermietung nach einem Verkehrsunfall Mehrleistungen “typischerweise notwendig sind”.
Soweit einem also im Rahmen der üblichen außergerichtlichen Schreiben einer Versicherung oder in den üblichen Schriftsätzen der 6. Senat des OLG Köln als “Präzedenz”-Urteil begegnet, sollte auf die Uneinigkeit und die vorzugswürdigen Entscheidungen der anderen Senate hingewiesen werden.
Update 06.08.2009:
Man sollte die Überschrift des Beitrags ändern in “Die Senate sind sich ziemlich einig, nur der 6. hat mal danebengehauen”, denn:
Der Bundesverband der Autovermieter teilt mit:
In einem Beschluss gemäß § 522 ZPO – 11 U 219/08 vom 12.05.09 – hat der 11. Senat des OLG Köln die Berufung einer Versicherung gegen ein Urteil der 13. Kammer des LG Bonn zurückgewiesen. Die Beklagte hat in einer Stellungnahme der Auffassung des Senats widersprochen. Mit Beschluss vom 22.07.09 hat der Senat die Berufung endgültig zurück gewiesen. Der Senat hält unter Bezugnahme auf die anderen Senate (19., 15., 24., 13. und 4.) des OLG Köln den Schwacke-Mietpreisspiegel 2007 für eine geeignete Schätzgrundlage nach § 287 ZPO.
Mit der Vorlage der Studie des Fraunhofer Instituts IAO hat die Beklagte keine konkreten Fehler der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage aufgezeigt. Die Fraunhofer-Liste kann die Eignung der Schwacke-Liste nicht durchgreifend in Zweifel ziehen, weil Fraunhofer Preise mit einer Vorbuchungsfrist von einer Woche ermittelt hat, sich die Fraunhofer-Untersuchung auf 2-stellige PLZ-Gebiete bezieht und überwiegend auf Internetangebote abstellt.
Ein Aufschlag von 20 % auf den “Normaltarif” ist gerechtfertigt, wenn im Einzelfall hierzu konkret vorgetragen ist.