Musterakte 3c – Kürzung der Reparaturkosten fiktiv bei gleicher Werkstattbenennung

Weiter geht es in der Serie “Musterakte” mit der Kürzung der Reparaturkosten. Nein, diesmal nicht schon wieder die übliche Control-Expert-Kürzung mit Verweis auf eine HinterPartnerwerkstatt.

Der Clou im vorliegenden Fall bestand darin, dass die Versicherung auf die gleiche Reparaturwerkstatt verwies, für die der Sachverständige auch die Stundensätze auf Basis der Preise einer markengebundenen Fachwerkstatt in seinemGutachten ausgewiesen hatte.

Das AG Geilenkirchen (Urteil vom 14.10.2009, Az. 10 C 226/09, rechtskräftig) hat die verklagte Versicherung gleichwohl auf der Basis des eingeholten Sachverständigengutachtens zur Zahlung des vollen Schadensersatzes verurteilt.

Die von der Gegenseite eingelegte Berufung wurde soeben zurückgenommen. Das ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil inzwischen der BGH in der sog. “Porsche II”- bzw. “VW”-Entscheidung (Urteil vom 20.10.2009, Az. VI ZR 53/09) seine Grundsätze zur Verweisung näher ausgearbeitet hat. Ich gehe davon aus, dass folgender Absatz für die Rücknahme der Berufung entscheidend war:

“Dabei sind dem Vergleich die (markt-)üblichen Preise der Werkstätten zugrunde zu legen. Das bedeutet insbesondere, dass sich der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen las-sen muss. Andernfalls würde die ihm nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehen-de Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehe-bung in eigener Regie eröffnet (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 189, 194 f.; vom 21. Januar 1992 – VI ZR 142/91VersR 1992, 457; vom 6. April 1993 – VI ZR 181/92VersR 1993, 769 und vom 12. Juli 2005 – VI ZR 132/04VersR 2005, 1448, 1449). Dies entspricht dem gesetzlichen Bild des Schadensersat-zes, nach dem der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens ist und grundsätzlich selbst bestimmen darf, wie er mit der beschädigten Sache ver-fährt (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 189, 194 f. und vom 12. Juli 2005 – VI ZR 132/04 – aaO).”

Weitere Entscheidungen in diesem Sinne (die alle wegen der Bindung der Werkstatt an die Versicherung die Dispositiosnfreiheit des Geschädigten als verletzt ansehen): LG Bonn, Urteil vom 02.10.2008, Az. 8 S 95/08, DV 4/2009, S. 153 sowie LG Lüneburg, Urteil vom 25.06.2009, Az. 1 S 9/09, DV 4/2009, S. 155; AG Bonn, Urteil vom 06.12.2009 , Az. 101 C 26/09 (Quelle und Download).

Hier geht es zur Musterakte 3c.

Hier ist das nur das Urteil zum Herunterladen, wer sich die Musterakte ersparen will.

Nachfolgend auch der Volltext der Entscheidung.

Beglaubigte Abschrift
Verkündet am 14.10.2009
Brox
Justizbeschäftigte (mD)
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Amtsgericht Geilenkirchen

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

der Frau …

Klägerin,

Rechtsanwälte Busch u.a., Schafhausener
Straße 38,52525 Heinsberg,

die DEVK Allgemeine Versichreungs-AG, vertr. d. d. Vorstand, RiehlerStr. 3, 50668
Köln,

Beklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Grossek und Meier-van Laak
FCiCh:033, Maria-Theresia-Allee 29,52064 Aachen,

hat das Amtsgericht Geilenkirchen
auf die mündliche Verhandlung vom 16.09.2009
durch die Richterin Buntrock

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 676,13 € sowie
vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 120,67 €, jeweils
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 04.06.2009zu zahlen.

Im Übrigen wird d.ie Klage abgewiesen. .

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt
. nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags
abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit
in Höhe von 110%des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht restliche Schadensersatzansprüche geltend nach einem
Verkehrsunfall, dersich am 05.03.2009 in Geilenkirchen ereignet hat.
Am 05.03.2009 beschädigte ein bei der Beklagten gesetzlich haftpflichtversichertes –
Fahrzeug das klägerische Fahrzeug, einen Pkw Golf mit dem amtlichen Kennzeichen
Der von der Klägerin mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte
Sachverständige Fo bezifferte in seinem Gutachten vom 09.03.2009 die
Nettoreparaturkosten des klägerischen Pkw mit ‘1.605,48 €. Er legte bei der Bezifferung
die Stundenverrechnungssätze der Jacobs Automobile GmbH & Co. KG, Zweigstelle
Geilenkirchen in Höhe von 115,00 € IStunde für Karosserie- und Lackierarbeiten
zugrunde. Es handelt sich dabei um den Stundensatz, den ein Privatkunde bei der Fa.
Jacobs zahlen muss. Die Beklagte zahlte einen Betrag in Höhe von 927,79 € an
Reparaturkosten an die Klägerin. Sie legte dabei einen Stundensatz von 70,00 € für
Karosserie- und von 95,00 € für Lackierarbeiten zugrunde. Diese Stundensätze
entsprechen einer Vereinbarung, die die Beklagte mit der Jacobs-Gruppe geschlossen
hat. Die Beklagte erstattete zudem den in dem Gutachtens des Sachverständigen
Foerster enthalten~mUPE-Aufschlag von 9% auf die Ersatzteile nicht. In dem Autohaus
Jacobs in Geilenkirchen fallen UPE-Aufschläge nicht an. Mit anwaltlichem Schreiben ,

vom 27.05.2009 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum
03.06.2009 erfolglos .zur Zahlung weiterer Reparaturkosten in Höhe von 677,69 € zzgl.
. vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 120,67 € auf.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 677,69 € sowie weitere
. 120,67 € als Rechtsanwaltsvergütung, jeweils nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.06.2009
zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes ir:nübrigen wird auf die von den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist weit überwiegend begründet.

DieKlägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer 676;13 € aus
§ 115 Abs.1 VVG n.F.

Unstreitig hat ein bei der Beklagten haftpflichtversichertes Fahrzeug am 05.03.2009
allein schuldhaft bei einem Verkehrsunfall das klägerische Fahrzeug beschädigt.
Bei der Berechnung der der Klägerin zu erstattenden Reparaturkosten sind nach
Auffassung des Gerichts die Stundenverrechnungssätze des Autohauses Jacobs in
Geilenkirchen zugrunde zu legen, die ein Privatkunde bei Erteilung eines
Reparaturauftrages zu entrichten hat. Dies sind unstreitig 115,00 € pro Stunde für
Karosserie…., und Lackierarbeiten. Den diesbezüglichen Sachvortrag der Klägerin hat
die Beklagte nicht bestritten. Sie hat die von dem Sachverständigen Fo
genannten Stundenverrechnungssätze nicht konkret angegriffen. Die Beklagte hat
vielmehr allein darauf verwiesen, dass sie eine Vereinbarung mit der Jacobs-Gruppe
geschlossen hat, die einen Stundenlohn v0l”!70,00 € für Karosserie- und von 95,00 €
für Lackierarbeiten beinhaltet. Auf diese Vereinbarung braucht· die Klägerin sich im
Rahmen der von ihr vorgenommenen fiktiven Schadensabrechnung nach Auffassung
des erkennenden Gerichts jedoch nicht verweisen zu lassen. Dies beruht auf folgenden
Erwägungen: Intention der Regelung des § 249 BGB ist es nach allgemeiner
Auffassung, dem Geschädigten die Möglichkeit einzuräumen, die $chadensbehebung . .
in Eigenregie durchzuführen. Der Geschädigte soll “Herrscher des
Restitutionsgeschehens” sein. Ein Verweis des Geschädigten auf eine wirtschaftlich mit
der Kraftfahrzeughaftpfli~htversicherung des Schädigers verbundene Fachwerkstatt
würde dieses Recht des Geschädigten, die Reparatur zu üblichen Konditionen in
Eigenregie vornehmen zu können, entwerten. Die Verweisung des Geschädigten auf
~ine bestimmte Reparaturmöglichkeit zu Sonderkonditionen würde den Geschädigten
vielmehr zwingen, bei der nachgewiesenen Werkstatt reparieren zu lassen und dann
konkret abzurechnen, um keine Vermögenseinbuße zu erleiden. Denn wenn der
Geschädigte das unreparierte Fahrzeug veräußern will, riskiert er einen Kaufpreisabzug
in Höhe eier durch das Gutachten ausgewiesenen Kosten, ohne in Höhe des
Differenzbetrags zu den Sonderkonditionen Ersatz zu bekommen. Dies ist mit der
Dispositionsfreiheit des Geschädigten nicht vereinbar. Selbst die Entscheidung des
Geschädigten, die Reparatur zunächst zurückzustellen und später durchführen zu
lassen, ist dem Geschädigten praktisch genommen, da nicht sichergestellt ist, dass ihm \
auch dann noch die Sonderkonditionen zugänglich sind (so auch LG Bonn, Urteil vom
20.08.2008, Az. 5 S 96/08, LG Bochum, Urteil vom 19.10.2007, Az. 5 S 168/07, LG
Duisburg, Urteil vom 21.03.2007, Az. 11 S 164/06, AG Siegburg, Urteil vom
25.04.2009, Az. 116C 566/07, zit,nach juris).
Etwas anderes gilt auch ‘nicht im vorliegenden Fall, in dem die Werkstatt deren
Stundenverrechnungssätzein dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten zugrunde
gelegt w()rden,sind, mit der Werkstatt, mit der die Beklagte eine Vereinbarung getroffen
hat, übereinstimmt. Auch in diesem Fall greift die oben dargelegte Argumentation in
gleicher Weise durch.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte jedoch keinen Anspruch auf Zahlung von 1,56 €;
entsprechend 9% Aufschlag auf die Ersatzteile. Die Klägerin hat den Vortrag der
Beklagten, dass ein UPE-Aufschlag in der örtlichen Werkstatt der Jacobs-Gruppe in
Geilenkirchen, die der Sachverständige Foerster bei seiner Schadenskalkulation
zugrunde gelegt hat; nicht anfällt, nicht bestritten.

Die Klägerin hat zudem einen Anspruch· auf Erstattung vorgerichtlicher
Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 120,67 €.
Die Zinsforderung folgt aus §§ 280, 286 BGB. Die Klägerin hat die Beklagte mit
Schreiben vom 27.05.2009 unter Fristsetzung bis zum 03.06.2009 erfolglos zur
weiterenSchadensregulierung aufgefordert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.2 Nr.1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Streitwert 677,69 €

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