Schadensersatz trotz eventueller Vorschäden

Sehr häufig wird von Versicherungsseite gegen Schäden an einem KFZ eingewendet, es handele sich um Vorschäden, die mit dem eigentlichen Verkehrsunfall nichts zu tun hätten. Den redlichen Versicherungsnehmer/Geschädigten scheint es für manche Versicherung nicht zu geben. Wenn sich dann im Rahmen des Rechtsstreits herausstellt, dass ein Sachverständiger diesen Schaden als nicht kompatibel ansieht, weisen die hiesigen Gerichte die komplette Klage ab. Dies kann auch der Fall sein, ohne dass es sich um einen Fall von Versicherungsbetrug handelt; so z. B. wenn einfach aus technischer sicht die Plausibilität oder Kompatibilität nicht mehr festgestellt werden kann (Beweislastentscheidung). Die Gerichte stützen sich im hiesigen Bereich meistens auf eine Entscheidung des OLG Köln vom 22.02.1999, NZV 1999, 378. Nach dieser Entscheidung kann eine Klage komplett abgewiesen werden, wenn ein Kläger auch den Altschaden als unfallbedingt bezeichnet:

Ist bewiesen, daß nicht sämtliche Schäden, die das Unfallfahrzeug aufweist, auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, und macht der Geschädigte zu den nicht kompatiblen Schäden keine Angaben bzw bestreitet er das Vorliegen solcher Vorschäden, so ist ihm auch für diejenigen Schäden, die dem Unfallereignis zugeordnet werden könnten, kein Ersatz zu leisten. Denn aufgrund des Vorschadens läßt sich nicht ausschließen, daß auch die kompatiblen Schäden durch das frühere Ereignis verursacht worden sind .

Dieser Auffassung ist mit beachtlicher Argumentation nunmehr das OLG Düsseldorf (Urteil vom 11.02.2008, Az. I-1 U 181/07) entgegengetreten. Es darf auf die untenstehenden Leitsätze verwiesen werden. Mit diesem Urteil kann der Geschädigte erreichen, zumindest die als unfallursächlich festgestellten Schäden ersetzt zu verlangen. Interessant ist auch, dass bei den Sachverständigenkosten keine Abzüge vorgenommen werden, sofern es sich nicht um einen arglistigen Geschädigten handelt. Die Leitsätze der Entscheidung lauten wie folgt:

  1. Eine Klage auf Ersatz des Fahrzeugschadens kann auch teilweise Erfolg haben, wenn es dem Kläger nicht gelingt, die Unfallbedingtheit sämtlicher von ihm geltend gemachter Beschädigungen nachzuweisen.
  2. Ist eine Berührung der Fahrzeuge unstreitig oder erwiesen, beurteilt sich die Frage nach dem Umfang und der Höhe des Schadens nicht nach § 286 ZPO, sondern nach § 287 ZPO.
  3. Im Rahmen des § 287 ZPO stellt sich nicht die Frage, ob ausgeschlossen werden kann, dass kompatible Beschädigungen die Folgen eines Vorunfalls sind. Es genügt die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unfallbedingtheit der geltend gemachten Beschädigungen.
  4. Bei technischer und rechnerischer Trennbarkeit von unfallbedingten (Neu-)Schäden von tatsächlichen oder nur potenziellen unfallfremden (Alt-)Schäden darf dem Geschädigten ein Ersatz nicht vollständig versagt werden.
  5. Auch wenn nicht alle Beschädigungen, die im Privatgutachten aufgeführt sind und vom Geschädigten als unfallbedingt geltend gemacht werden, im späteren Prozess als unfallbedingt anerkannt werden können, muss der Schädiger gleichwohl für die gesamten Sachverständigenkosten einstehen, es sei denn, dass der Geschädigte gegenüber dem Sachverständigen schuldhaft falsche Angaben gemacht hat oder die Unrichtigkeit des Gutachtens anderweitig zu vertreten hat.

Ähnlich hat bereits das OLG München (NZV 2006, 261) entschieden.

Update 03.03.2008: Die Zeitschrift zfS veröffentlicht im Heft 3/2008 (S. 89 + 90) die Entscheidung des LG Darmstadt vom 12.01.2006 sowie die des Berufungsgerichts, OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 06.11.2006, Az. 12 U 37/06. Während das LG mit der Argumentation, dem Schadenersatzrecht sei ein “Bestrafungscharakter” fremd, teilweise Schadensersatz zusprach, hat das OLG die Klage abgewiesen. Es sei Sache des Klägers gewesen, substantiiert darzulegen und unter Beweis zu stellen, wie es zur Entstehung der nicht kompatiblen Schäden gekommen sei und in welchem Zustand sich sein Fahrzeug vor dem Verkehrsunfall befunden habe. Andernfalls könne nicht ausgeschlossen werden, dass die “neuen” Beschädigungen keine Vertiefung des bereits vorhandenen Schadens hervorgerufen hätten.

Update 01.04.2008: Das KG (Hinweisbeschluss vom 11.10.2007, 12 U 46/07, NJW 2008, 1006) ist auch der Auffassung, dass es Sache des Klägers ist, die Ursächlichkeit zwischen dem neuen Unfall und dem danach vorliegenden Schaden zu beweise, wofür er ausschließen muss, dass Schäden gleicher Art schon früher vorhanden waren. Eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO käme erst dann in Betracht, wenn der Kläger dargelegt und bewiesen hat, welcher eingrenzbare Vorschaden durch welche konkreten Reparaturmaßnahmen fachgerecht beseitigt worden sei.

Update 29.01.2009: Das KG vertritt diese Auffassung auch in einem Beschluß vom 31.07.2008, 12 U 137/08, zfs 2009, S. 20 mit lesenswerter Anmerkung von RiOLG Heinz Diehl.

Update 30.05.2008: Zu dieser Thematik hat Herr VriOLG Dr. Christoph Eggert in der Zeitschrift Verkehrsrecht aktuell, Heft 5/2008, ab S. 96 einen instruktiven Artikel veröffentlicht. Sehr lesenswert !

Update 19.08.2009: Das LG Berlin hat sich in einer Entscheidung vom 16.07.2008, Az. 58 O 276/06, in ähnlicher Richtung wie das KG geäußert. Kann zwischen Vorschaden und späterer Beschädigung nicht unterschieden werden, besteht bei Verschweigen oder Bestreiten von Vorschäden kein Schadensersatzanspruch.

Update 30.12.2009: Das OLG Brandenburg (Urteil vom 19.11.2009, Az. 12 U 110/09, Quelle: ADAJUR-Newsletter vom 29.12.2009) ist der Auffassung, dass dem Geschädigten eines Unfalls der Ersatz seines Schadens nicht komplett verweigert werden darf, wenn eine Abgrenzung zwischen dem unfallbedingten Neuschaden und einem nachweislich nicht unfallbedingten Vorschaden technisch und rechnerisch möglich ist.

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