Kein Fahrerlaubnisentzug bei Therapie

Wer schon während des laufenden Strafverfahrens Bemühungen entfaltet, sich mit dem Thema “Alkohol und Fahrerlaubnis” auseinanderzusetzen, kann ggf. verhindern, dass ihm die Fahrerlaubnis endgültig entzogen wird. Unter Umständen kann die Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen bei Absolvierung einer anerkannten Therapie, der regelmäßigen Kontrolle der Leberwerte während des laufenden Strafverfahrens nicht mehr festgestellt werden. Einen instruktiven Fall stellt das Urteil des AG Düsseldorf vom 31. August 2007 – Az: 113 Cs-110 Js 2148/07-(501/07) – dar.

Das AG hatte entschieden, dass ein Angeklagter, der zum Zeitpunkt der Tat 2,12 Promille Alkohol im Blut hatte und damit fahruntüchtig war, trotz der Verwirklichung des Regelbeispieles des § 69 Abs. 2 Ziff. 2 StGB zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mit der erforderlichen Gewissheit als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen war. Das Gericht hat im Rahmen der Gefahrenprognose insbesondere den Umstand berücksichtigt, dass der Angeklagte bereits vor der gerichtlichen Entscheidung begonnen hat, regelmäßig an einer verkehrstherapeutischen Rehabilitationsmaßnahme bei der IVT-Hö teilzunehmen. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist von der Staatsanwaltschaft mit einer auf das Strafmaß beschränkten Berufung angefochten worden. Das Landgericht Düsseldorf hat die erstinstanzliche Entscheidung am 11. April 2008 bestätigt und die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen.

Diese Entscheidung bestätigt, dass bereits mit der Aufnahme des Mandats dem Betroffenen nur dringend angeraten werden kann, sich einer verkehrstherapeutischen Maßnahme zu unterziehen, da diese sowohl im Strafverfahren als auch im späteren Verfahren vor der Verwaltungsbehörde nur Vorteile für ihn bringen kann.

 

Update 14.01.2009: Gegen das Urteil wurde von der Staatsanwaltschaft mit der Beschränkung auf das Strafmaß Berufung zum LG Düsseldorf eingelegt. Das LG Düsseldorf hat mit Urteil vom 11.04.2008, Az. 24a Ns 26/07, die amtsgerichtliche Entscheidung mit folgenden Erwägungen bestätigt:

“Maßgeblich für die Feststellung der Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen ist indes nicht der Tatzeitpunkt, sondern der Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Aburteilung. Trotz der Verwirklichung des Regelbeispiels war der Angeklagte zur Überzeugung der Kammer im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Zwar hat der Angeklagte die Straftat erheblich alkoholisiert, nämlich mit ca. 2,12 Promille, begangen. Gleichwohl handelte es sich um eine Fahrlässigkeitstat. Der Angeklagte war der Auffassung, noch fahren zu können. Dieses Verhaltensmuster bei derart hohen Alkoholkonzentrationen hat auch der sachverständige Zeuge I bestätigt, der hierzu ausgeführt hat, dass die Einsichtsfähigkeit bei alkoholbedingten Verkehrsstraftaten mit fortschreitender Alkoholisierung geringer wird. Im Rahmen der Gefahrenprognose war insbesondere zu berücksichtigen, dass der Angeklagte nunmehr eine verkehrstherapeutische Rehabilitationsmaßnahme erfolgreich abgeschlossen hat und sich dazu entschlossen hat, seine Abstinenz langfristig beizubehalten. Nach dem  überzeugenden Gutachten des sachverständigen Zeugen hat sich der Angeklagte problembewusst und selbstkritisch innerhalb der Maßnahme gezeigt und an den Gruppensitzungen offen, motiviert und engagiert teilgenommen. Den Therapeuten hat insbesondere seine herausstechende Ernsthaftigkeit, mit der er sein eigenes Fehlverhalten reflektiert hat, und seine Bereitschaft, sein Trinkmuster mit therapeutischer Hilfe aufzuarbeiten, beeindruckt. Der sachverständige Zeuge hat ihm eine deutliche, stabile und dauerhafte Einstellungs- und Haltungsänderung konstatiert. Ein Rückfall in alte Alkoholmissbrauchsmuster oder eine erneute Auffälligkeit am Steuer waren nach seiner fachlichen Einschätzung kaum mehr zu befürchten. Diese Tatsachen haben ein Abweichen vom Regelfall des § 69 Abs. 2 StGB gerechtfertigt. Auch war in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass der Angeklagte in der amtsgerichtlichen Hauptverhandlung vom 31.08.2007 seinen Führerschein wieder ausgehändigt bekommen hat. Seither hat er beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilgenommen. Die vom Amtsgericht ausgesprochene Verhängung des Fahrverbotes reichte daher als Maßregel der Sicherung und Besserung aus.

Dem von der Staatsanwaltschaft im Plädoyer gestellten Beweisantrag auf Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet ist, den die Kammer als Hilfsbeweisantrag auslegt, war gem. § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO abzulehnen. Die Kammer hat selber die erforderliche Sachkunde zur Beantwortung der Frage besessen. Sie hat die erforderliche Sachkunde durch den sachverständigen Zeugen I vermittelt bekommen. Der sachverständige Zeuge, der seit über 15 Jahren als Verkehrspsychologe bei einer von der Bundesanstalt für Verkehrswesen zertifizierten T tätig ist, hat der Kammer, wie oben bereits dargelegt, überzeugend vermittelt, warum es zu Trunkenheitsfahrten, gerade mit hoher Blutalkoholkonzentration, kommt, was Therapie bewirkt und warum gerade bei dem Angeklagten unterhalb des Restrisikos nicht mit einem Rückfall gerechnet werden muss (…).“

Update 03.06.2009: Das AG Reinbek, Urteil vom 15.09.2008, Az. 2 Ds 760 Js 22035/08 (257/08) – zitiert nach juris – hat eine endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis trotz einer BAK von 1,29 ./.. nicht angeordnet, nachdem der Anklagte eine MPU während des Verfahrens absolvierte.

Update 10.11.2009:

Das Amtsgericht Iserlohn hat durch Urteil vom 23.06.2009, Az: 17 Cs-874 Js 18/08-110/09 (DV 2010, S. 34) entschieden, dass, da sich der Angeklagte bereits 14 Tage nach der Alkoholfahrt zur Suchtberatung bei der Caritas begeben hatte und dort regelmäßige Gespräche in der psychosozialen Beratungsstelle durchgeführt hatte, trotz alkoholisierten Fahrens (1,96 ‰ Atemalkohol) nur ein Fahrverbot von 3 Monaten zu verhängen ist. Die von der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung eingelegte Berufung wurde im Berufungstermin zurückgenommen.

Quelle: ARGE Verkehrsrecht

Update 17.02.2010:

In diesem Beitrag von Himmelreich werden weitere zahlreiche Gerichtsentscheidungen genannt, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen.

Update 03.09.2010:

Die ARGE Verkehrsrecht weist auf eine entsprechende Entscheidung des AG Bremen hin:

“Das Amtsgericht Bremen kommt in seiner Entscheidung vom 01.12.2009 – 82 Cs 600 Js 50024/09 (455/09) zu dem Ergebnis, dass dann, wenn der Angeklagte nach dem vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis freiwillig erfolgreich an einer verkehrspsychologischen Therapie teilgenommen hat, nicht mehr von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen ist. Das AG Bremen hat deswegen die Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von 14 Monaten wegen grober Straßenverkehrsgefährdung aufgehoben und ein Fahrverbot von 2 Monaten verhängt.”

Quelle: Verkehrsanwälte Info 16/2010, http://verkehrsanwaelte.de/news/news16_2010_punkt2.pdf

 

2 Kommentare

  1. Das ist gut zu wissen, bisher war mir das noch nicht klar. Aber ich kann ohnehin nur jedem empfehlen, solch eine Therapie möglichst frühzeitig zu beginnen. Nicht selten sind die Fahrer wahre Alkoholiker und es geht um viel mehr als den Führerschein, den sie mit der Therapie retten können. Das zeitweise Fahrverbot hat in diesem Fall scheinbar wirklich ausgereicht und ich denke, solche Fälle sollte es häufiger geben.

  2. Mir geht es wie Sven, ich wußte hier auch nicht so gut Bescheid. Ich denke eine Therapie hier wirklich wichtig ist, hier schließe ich mich auch Sven wieder an, und nicht nur um den Führerschein behalten zu können. Am besten ist es man fährt gar nicht erst Auto, wenn man etwas getrunken hat.

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