Ich hatte bereits in diesem Beitrag den Meinungsstreit zum Leistungsort der Nacherfüllung im Kauf- und Werkvertragsrecht aufgegriffen. In seinem Beitrag in der aktuellen NJW (2008, S. 3608) wird von dem Kollegen Dr. Kurt Reinking aus Köln, Mitautor der Bibel “Der Autokauf”, noch einmal mit Nachdruck die Auffassung vertreten, dass mangels anderweitiger Absprachen der ursprüngliche Erfüllungsort auch für die Nacherfüllung beim Kauf- und Werkvertrag als vereinbart gilt. Nur für den Fall einer “hohen Wahrscheinlichkeit” auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls, dass die Parteien des Kaufvertrags einen anderen Ort vereinbart hätten will er zu einem anderen Ergebnis kommen. Der Autor widerspricht damit der im früheren Beitrag zitierten BGH-Entscheidung.
Update 29.11.2010:
Nach einer Mitteilung des IWW-Verlags könnte sich eine Entscheidung des BGH in dieser Frage anbahnen. Das OLG Celle hat einem Urteil vom 16.07.2010 die Klage eines Käufers abgewiesen, der die Kaufsache nicht am Firmensitz des Verkäufers zur Nachbesserung vorgestellt hatte. Die Revision wurde zugelassen.
Die Entscheidung kann über den obigen Link nachgelesen werden.
Update 05.01.2011:
Nach einer Mitteilung des Kollegen Salewski sollen die oben genannte Auffassung auch das OLG Koblenz und das AG Bersebrück vertreten. Auch dort wurde die Revision zugelassen. Der Beitrag des Kollegen kann hier nachgelesen werden.
Update 13.04.2011:
Der BGH hat die vorstehende Frage nunmehr geklärt. Fehlt es an vorrangigen Vereinbarungen der Parteien, richtet sich der Erfüllungsort nach § 269 BGB und “nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls”. Im entschiedenen Fall meint der BGH:
“Zu diesen Umständen gehören die Ortsgebundenheit und die Art der vorzunehmenden Leistung sowie das Ausmaß der Unannehmlichkeiten, welche die Nacherfüllung für den Käufer mit sich bringt. Letzteres folgt aus den Vorgaben der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, nach deren Art. 3 Abs. 3 die Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss. Da die Beseitigung der von den Klägern gerügten Mängel des Camping-Faltanhängers den Einsatz von geschultem Personal und Werkstatttechnik erfordert und ein Transport des Anhängers nach Polch oder dessen Organisation für die Kläger zumutbar erscheint, liegt der Erfüllungsort der Nachbesserung am Firmensitz der Beklagten. Die Kläger wären daher gehalten gewesen, den Anhänger zur Durchführung der Nacherfüllung dorthin zu verbringen. Solange dies nicht geschieht, besteht kein Recht der Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag.”
Der BGH bevorzugt also den Sitz des Verkäufers als Erfüllungsort.
Es stellt sich hier die Frage der Zumutbarkeit.
Ich habe hier den Fall, dass ein privater Kunde aus Ba-Wü ein KFZ von einem Gewerbetreibenden ohne eigene Werkstatt von der Ostseeküste gekauft hatte.
Nun ist in den ersten 6 Monaten nach Gefahrübergang ein Schaden eingetreten. Die Reparaturkosten würden sich nach einem Kostenvoranschlag in Ba-Wü auf knapp 600 € belaufen.
Ganz abgesehen, dass der Käufer mindestens 2 Tage aufwenden müsste, um das Auto zum Verkäufer zu bringen, würden alleine schon die Fahrtkosten für 1.600 km sowie die notwendige Übernachtung mit zusätzlichem Verpflegungsaufwand und Verdienstausfall deutlich mehr kosten als die vor Ort veranschlagte Reparatur. Überdies müsste der Verkäufer eh auf eine Fachwerkstatt zurückgreifen, da er keine eigene Werkstatt besitzt.
Nach meiner Ansicht sind die Grenzen der Zumutbarkeit hier weit überschritten. Auch das Gebot der Wirtschatlichkeit wäre nicht befolgt.
Logischerweise müsste somit der Gerichtsstand beim Käufer liegen.