Das AG Eschweiler hat mit Urteil vom 02.09.2015 (Aktenzeichen 26 C 199/15) die Generali Versicherung zur Zahlung der restlichen, gekürzten Sachverständigenkosten verurteilt. Zutreffend stellt das Amtsgericht auf die neuere Rechtsprechung des BGH und darauf ab, ob für den Geschädigten die angeblich überhöhten Kosten erkennbar waren. Das Gericht hat sich auch nicht durch einen ausufernden Schriftsatz der Bevollmächtigten der Beklagten irritieren lassen. Diese hatten versucht, eine werkvertragliche Angemessenheitskontrolle durchzuführen.
Hier das Urteil im Volltext (Download hier):
26 C 199/15
Beglaubigte Abschrift
Urteil
In dem Rechtsstreit
Klägers,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Busch & Kollegen,
Schafhausener Str. 38, 52525 Heinsberg,
gegen
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Sina und Maassen, Aachener-und-Münchener-Allee 1, 52074 Aachen,
hat das Amtsgericht Eschweiler
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 02.09.2015
durch die Richterin Fischer
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 83,89 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.05.2015 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, 511 Abs. 2 ZPO abgesehen
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz restlibher Sachverständigen kosten i.H.v. 83,99 EUR gern. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG.
Die Haftung der Beklagten nach §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 WG ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Der Schadensersatz nach diesen Vorschriften erfasst gern. § 249 BGB sämtliche zur Wiederherstellung des Zustandes, der ohne das schadensverursachende Ereignis bestehen würde, erforderliche Kosten. Die Sachverständigenkosten für die Einholung eines Schadensgutachtens gehören demgemäß zu den gemäß § 249 BGB erstattungsfähigen Kosten, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/06). Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung, aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, das heißt Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13; Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/06; Urteil vom 15.10.1991, VI ZR 314/90). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13; Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/07).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen (BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13). Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13; Urteil vom 15.10.2013, VI ZR 471/12). Dies gilt umso mehr, wenn der Geschädigte die Rechnung bezahlt hat. Hierdurch wird in besonderem Maße indiziert, dass er auch bei eigener Kostentragung die entsprechenden Kosten veranlasst hätte.
Nach diesen Maßstäben hält das Gericht im Rahmen der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO die von dem Sachverständigenbüro verursachten Kosten in Höhe von insgesamt 711,62 EUR für erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB. Dabei ist zunächst vor allem die besondere Bedeutung der vorgelegten Rechnung für den konkreten Einzelfall und die Lage der Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen zu berücksichtigen. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13; Urteil vom 15.10.2013, VI ZR 528/12). Insofern kann sich die Beklagte nicht auf ein einfaches Bestreiten der Erbringung der abgerechneten (Neben-) Leistungen berufen. Angesichts der Erkennbarkeit als maßgeblicher Gesichtspunkt muss gerade für den Geschädigten ersichtlich sein, dass der Sachverständige (mutwillig oder versehentlich) Leistungen abrechnet, die tatsächlich nicht erbracht worden sind. Umstände aus denen sich ein solcher Verdacht rechtfertigen würde sind weder erkennbar noch vorgetragen.
Dass die Geschädigte erkennen konnte, dass die von dem von ihr ausgewählten Sachverständigen in Ansatz gebrachten Gebühren als der Höhe nach übersetzt sind, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Der Sachverständige hat ein Gutachten erstellt, in dem der unfallbedingte Fahrzeugschaden ermittelt wurde. Das Honorar setzt sich dabei aus einem an der Schadenshöhe orientierten Grundhonorar sowie Nebenkosten und Mehrwertsteuer zusammen. Diese Form der Abrechnung ist zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/06).
Der Höhe nach sind weder das Grundhonorar i.H.v. 498,00 EUR netto noch die Nebenkosten i.H.v. 100,00 EUR netto erkennbar übersetzt. Solange die streitgegenständlichen Sachverständigenkosten die allgemein üblichen Sachverständigenkosten nicht krass im Sinne von für den durchschnittlichen Geschädigten auffällig übersteigen, dürfte eine Erkennbarkeit einer Überhöhung für den Geschädigten regelmäßig nicht zu bejahen sein. Im Rahmen seiner Schätzung gern. § 287 ZPO hält es das Gericht weiterhin für sachgemäß, eine auffällige Übersetzung insbesondere dann zu bejahen,, wenn bereits das Grundhonorars zu den Netto-Reparaturkosten bzw. die Nebenkosten zu dem Grundhonorar der Verdacht objektiv krass außer Verhältnis stehen. Ein solches für den Geschädigten allein aufgrund der Rechnung erkennbares Missverhältnis muss abhängig vom jeweiligen Einzelfall auch dem unerfahrenen Geschädigten Anlass zu Zweifeln an der Angemessenheit der Höhe der Sachverständigenkosten geben. Demgegenüber ist es nicht per se schädlich, wenn die abgerechneten Positionen ganz oder teilweise über den aus der von der Rechtsprechung häufig zugrunde gelegten BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Werten liegen. Allein hieraus folgt nach Rechtsansicht des erkennenden Gerichts nicht zwingend eine für den Geschädigten, der sich mit entsprechenden Befragungen regelmäßig gerade nicht auskennt, erkennbare Überhöhung des Sachverständigenhonorars. Der durchschnittliche Geschädigte hat häufig keine Erfahrungswerte zu den durchschnittlichen Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Mangels entsprechender gesetzlicher Honorarordnung werden diese durch den Markt vorgegeben. Der Geschädigte ist regelmäßig auch nicht verpflichtet, vor der Beauftragung eines Gutachters eine Marktumfrage zu den üblichen regionalen Sachverständigenkosten einzuholen. Ein solches Vorgehen wäre für den Geschädigten angesichts des ebenfalls zu berücksichtigenden Zeitaufwandes ebenfalls unwirtschaftlich.
Dass die Geschädigte von vornherein hätte erkennen können, dass der Sachverständige ein überhöhtes Grundhonorar und überhöhte Nebenkosten ansetzen würde, hat die Beklagte letztlich nicht konkret dargelegt. Hinsichtlich des Grundhonorars, der Kosten für eine Handakte sowie der Schreibkosten und Fotokosten sowie der Kosten für die Restwertermittlung bemängelt sie zwar die Höhe und den Anfall der in Ansatz gebrachten Gebühren, legt jedoch nicht dar, aufgrund welcher Umstände die Geschädigte von einer Überhöhung und einer Fehlabrechnung ausgehen musste. Bezüglich der Porto- und Telekommunikationspauschale behauptet die Beklagte zwar, dass diese bereits mit dem Grundhonorar abgegolten seien und diese zumindest übersetzt seien und nur in Ansatz gebracht werden dürfen, soweit diese tatsächlich angefallen seien. Das pauschale Grundhonorar umfasst bereits begrifflich schon nicht die angefallenen Nebenkosten. Hinzu kommt, dass die Berechnung einer solchen Pauschale auch hinsichtlich der Nebenkosten nach der BVSK-Honorarbefragung 2013 bei Sachverständigen nicht unüblieh ist und auch aus anderen Bereichen (vgl. Nr. 7002 RVG-W) bekannt ist.
Im vorliegenden Fall ist selbst soweit eine Überhöhung vorliegt, diese zumindest nicht als “krass” im vorgenannten Sinne zu bewerten. Insbesondere stehen weder das Grundhonorar im Vergleich zu den Netto-Reparaturkosten noch die Nebenkosten Im Vergleich zu dem Grundhonorar in einem derartigen Missverhältnis zueinander, dass für die Geschädigte eine Übersetzung der Sachverständigengebühren objektiv erkennbar gewesen wäre. Für das Grundhonorar folgt dies bereits daraus, dass es weniger als 25 Prozent der Netto-Gesamtreparaturkosten i.H.v. 2.924,64 EUR beträgt. Nach Rechtsansicht des erkennenden Gerichtes ist eine krasse, im Sinne von erkennbare, Übersetzung des Grundhonorars mangels konkreter Anhaltspunkte dafür, dass der Geschädigte eine solche tatsächlich erkannt hat, regelmäßig nicht gegeben, wenn das Grundhonorar – wie im vorliegenden Fall – nicht mehr als 25 Prozent des Netto-Reparaturbetrages beträgt (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 05.05.2011, Az. 2/24 S 1.86/10, BeckRS 2011, 53542).
Auch die Nebenkosten, die insgesamt 100,00 EUR betragen, und damit weniger als 20 Prozent des gesamten in Rechnung gestellten Sachverständigenhonorars ausmachen, sind insofern nach Rechtsansicht des Gerichts nicht als krass im vorgenannten Sinne zu bewerten.
2. Der Zinsanspruch folgt aus Verzugsgesichtspunkten gem. §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
II.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11,711, 713 ZPO.
Streitwert
Der Streitwert wird festgesetzt auf 83,89 EUR.
Rechtsbehelfsbelehrung:
A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung
dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 90, 52070 Aachen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Aachen zu begründen.
Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Aachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
B) Da mit dieser Entscheidung für keine Partei die zur Eröffnung der Berufung führende Beschwer von über 600,00 EUR erreicht ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen die Zulassung der Berufung zu prüfen, § 511 Abs. 4 ZPO. Die Berufung ist danach nicht zuzulassen gewesen, weil die Rechtssache ihre Entscheidung allein aus den Umständen des vorliegenden Falles gefunden hat und somit weder grundsätzliche Bedeutung besitzt oder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern, § 511 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ZPO.
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht zulässig, weil keine der Parteien durch dieses Urteils hinsichtlich eines Werts von über 600,00 EUR beschwert ist und das Gericht die Berufung auch nicht zugelassen hat, § 511 Abs. 2 Nr. 1 , 2 ZPO.
Fischer
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