LG Aachen: Kosten des eigenen Gutachters im Rechtsstreit erstattungsfähig

Sowohl die 7. als auch die 11. Kammer des LG Aachen haben mit einem Kostenfestsetzungsbeschluss (vom 29.07.2016, Az. 7 O 444/15 und vom 03.08.2016, Az. 11 O 352/15) mit folgenden Ausführungen die Kosten eines Sachverständigen im Rechtsstreit für erstattungsfähig gehalten.

 

Zum Fall der 7. Kammer: Der “Youngtimer” des Geschädigten war bei einem Unfall beschädigt worden. Der Sachverständige hatte den Wiederbeschaffungswert zwar mit “DAT” geschätzt, aber nicht wegen des Fahrzeugalters einen linearen Abzug des Werts vorgenommen. Er hatte hierbei berücksichtigt, dass es sich beim beschädigten Fahrzeug um ein gefragtes Audi Cabrio handelt. So konnte der Geschädigte die Reparaturkosten durchsetzen. Die verklagte Versicherung hatte dem Gutachten eine “Unbrauchbarkeit” bescheinigt und einen niedrigeren Wiederbeschaffungswert und einen höheren Restwert behauptet. Nach diesen Zahlen wäre eine Reparatur unwirtschaftlich gewesen. Deswegen hatte die Versicherung auch keinen Cent außergerichtlich gezahlt (der Fall wurde hier veröffentlicht). Der Sachverständige des Geschädigten hatte zu den Angriffen der Beklagten im Rechtsstreit ausführlich Stellung genommen. Seine diesbezüglichen Kosten waren erstattungsfähig:

“Bei den von dem Kläger zur Kostenfestsetzung angemeldeten Vergütung des von ihm im laufenden Prozess beauftragten Privat—Sachverständigen handelt es sich unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs um zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Kosten eines prozessbegleitend eingeholten Privatgutachtens bzw. einer prozessbegleitend eingeholten Stellungnahme eines Privatgutachters sind nur „ausnahmsweise“ erstattungsfähig und vielfach nicht notwendig. Deshalb sind an den Sachvortrag einer Partei zum Vorliegen einer Ausnahme strenge Anforderungen zu stellen. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte, insbesondere in Fällen bejaht, in denen die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war.

Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Kläger war ohne die Inanspruchnahme eines entsprechenden Fachmannes nicht in der Lage, zu den Angriffen der Beklagten auf das Gutachten des Sachverständigen Hagmanns vom 21.10.2015 sachkundig und dezidiert Stellung zu nehmen.”

 

Zum Fall der 11. Kammer: Es handelte sich um einen Fall mit Beteiligung eines niederländischen Unfallverursachers. Gegen den geltend gemachten Schaden wurde eingewandt, es seien Vorschäden nicht sauber vom jetzt verursachten Schaden abgegrenzt worden. Glücklicherweise hatte der gleiche Sachverständige die Gutachten zu beiden Schadenfällen angefertigt. Er konnte daher zum Vorschadeneinwand Stellung nehmen. Auch seine Kosten hat das LG für erstattungsfähig gehalten:

“Bei der von dem Kläger zur Kostenausgleichung angemeldeten Vergütung des von ihm im laufenden Prozess beauftragen Privat-Sachverständigen handelt es sich um zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Um auf den Schriftsatz der Beklagten vom 25.02.2016 sachgerecht Stellung nehmen zu können, hat der Kläger zur Vorschadenproblematik den Privat-Sachverständigen um sachverständige Stellungnahme gebeten. Die Stellungnahme vom 26.02.2016 hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 17.03.2016 zu seinem eigenen Vortrag gemacht.

Vorliegend durfte der Kläger die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen, da er infolge fehlender Sachkenntnis ohne die Einholung der sachverständigen Stellungnahme zu einem sachgerechten Vortrag nicht in der Lage war.”

 

(C) Vorschaubild Rainer Sturm  / pixelio.de

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