Beitrag vom 23.09.2013:
Der Kollege Dötsch aus Andernach weist in einem aktuellen Aufsatz in der zfS 2013, S. 490 völlig zu Recht darauf hin, dass der Restwert bei der Bestimmung des Gegenstandswerts der Rechtsanwaltsvergütung bei der Abwicklung eines Totalschadens nicht in Abzug zu bringen ist.
Das LG Koblenz hatte bereits mit Urteil vom 13.04.1982 – 6 S 415/81, entschieden:
“Der Restwert des geschädigten Fahrzeugs bleibt aber bei der Bestimmung des Gegenstandswerts außer Ansatz. Bemessungsgrundsatz ist nur das im Antrag oder Begehren formulierte Interesse; wenn also der Geschädigte den vollen Neupreis eines Pkw als Schadensersatz verlangt, dann steht durch dieses Verlangen der Gegenstandswert beziffert fest (Schneider, Streitwert, 5. Aufl., Stichwort Vergleich – Schadensersatz -). Der Restwert des Unfallwagens verringert nicht den Schadensersatzanspruch des Geschädigten, sondern die Aufwendungen des Schädigers. Dem entspricht die Auffassung der herrschenden Meinung, dass der Geschädigte, statt sich den Wert des Unfallfahrzeugs anrechnen zu lassen, dieses zur Verwertung dem Schädiger überlassen kann (BGH NJW 1965, 1756; LG Mainz, Versicherungsrecht 1977, 67;LG Freiburg Anwbl. 1971, 361).”
In jüngerer Zeit hat sich das AG Wesel mit Urteil vom 25.03.2011, 27 C 230/10 angeschlossen. Bei der Abrechnung auf Totalschadensbasis ist der Restwert bei der Bemessung des Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nicht abzuziehen. Als Gegenstandswert kann also der ungeschmälerte Wiederbeschaffungswert angesetzt werden. Das Amtsgericht hat damit einige ältere Entscheidungen bestätigt.
Im Aufsatz des Kollegen Dötsch sind noch weitere Rechtsprechungs- und Literaturnachweise vorhanden. In seinem Aufsatz zeigt der Kollege zu Recht auf, dass der Geschädigte bei einer Anrechnung des Restwerts nicht mehr Herr des Restitutionsgeschehens wäre und er außerdem das Restwertrisiko tragen würde. Die häufig von Versicherern zitierten Urteilte enthalten keine Grundlage oder tragfähige Begründung für das Gegenteil.
Update 09.10.2015:
Das AG Norderstedt hat sich mit Urteil vom 15.09.2015, Az. 47 C 118/15, auch der Auffassung angeschlossen, dass der Restwert beim Gegenstandswert nicht in Abzug zu bringen sei. Insbesondere entfalte der Anwalt auch hinsichtlich des Restwerts eine Tätigkeit (wie zB Überprüfung, Beratung über die Rechtmäßigkeit usw.), so dass gem. § 2 I RVG eine anwaltliche Tätigkeit vorliege.
Update 13.11.2015:
Die Auffassung setzt sich auch in der Literatur immer mehr durch. Der Kollege Poppe legt in seinem Beitrag in der NJW 2015, S. 3355 ff. zutreffend dar, dass maßgeblich der Wiederbeschaffungswert ist, weil es um die Wiederherstellung dieses Zustands geht.
Update 03.12.2015:
Auch das AG Mitte (Urteil vom 31.07.2014, Az. 7 C 3064/14, AnwBl 2015, S. 981) hat sich der Auffassung angeschlossen, dass der Restwert nicht zu berücksichtigen ist.
Update 11.07.2016:
Der Kollege Jumpertz von den Rechtsanwälten Dr. Beck GbR aus Jülich hat mir nun das Urteil des AG Jülich vom 20.06.16, Az. 4 C 73/16 (Download hier) zur Verfügung gestellt. Das Amtsgericht zieht ebenfalls den Restwert nicht ab. Vielen Dank für das Urteil !
Update 20.07.2016:
Die Auffassung setzt sich immer mehr durch. Der Kollege Dirscherl, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Hauptstr. 26, 82140 Olching, hat eine Entscheidung des AG München vom 10.06.2016, Az. 331 C 11810/15 (Download hier) erstritten:
“An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann die Klägerseite geltend machen eine 1,3 Gebühr
aus einem Geschäftswert in Höhe der berechtigten Schadensersatzforderung von 4.744,21 EUR
– der Restwert ist hierbei nicht abzuziehen (vgl. Mayer/Kroiß/Janeczek, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Aufl. 2013, Kap. IX Rn. 29; Pappe , NJW 2015, 3355). Bei dem Abzug des Restwertes handelt es sich jedoch lediglich um eine Art der Schadensberechnung. Es kann hierbei keinen Unterschied machen, ob der Kläger den vollen Wiederbeschaffungswert vom Beklagten verlangt und im Rahmen des Vorteilsausgleiches das verunfallte Fahrzeug an die Beklagte herausgibt, oder das Fahrzeug verwertet und sich den erzielten Betrag auf den Wiederbeschaffungswert anrechnen lässt; zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20,00 EUR und der Mehrwertsteuer.
Dies sind hier 492,54 EUR.
Hierauf hat die Beklagtenseite vorgerichtlich bezahlt 201, 71 EUR.
Es verbleibt eine berechtigte Forderung von 290,83 EUR.”
Ich danke für die Übersendung des Urteils!
Update 13.03.2017:
Der Kollege Alpers weist mich auf weitere, in diesem pdf genannte Entscheidungen der Instanzgerichte (S. 9/10) hin, aber auch auf das beim BGH anhängige Revisionsverfahren. Danke!
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