LG Aachen zu Großkundenrabatt, keine Anrechnung der Betriebsgefahr beim Eigentümer und Wertminderung bei gewerblichem Fahrzeug

Der Erfindungsreichtum eintrittspflichtiger Versicherungen ist grenzenlos, was vermeintliche Abzüge angeht. Da LG Aachen hat mit Urteil vom 16.08.2018, Az. 9 O 9/17 dem Abzug des sog. “Unternehmerrabatts” einen Riegel vorgeschoben.

Die Klägerin ist gewerbliche Vermieterin von LKW. Deren LKW war bei einem Rangiermanöver beschädigt worden.

Das Urteil des LG Aachen enthält zunächst interessante Ausführungen dazu, dass sich die Klägerin als Eigentümerin/Vermieterin – aber nicht Halterin – die Betriebsgefahr nicht zurechnen lassen muss.

Die eintrittspflichtige Versicherung hatte ins Blaue hinein vorgetragen, die Klägerin als gewerbliche Vermieterin erhalte im Reparaturfall besondere Großabnehmerrabatte, die sie sich in Höhe einer Pauschale von 10 % abziehen lassen müsse. Dem folgte das LG Aachen nicht.

Ebenso eine Absage erhielt der immer wieder von Versicherungsseite verbreitete Irrglaube, an gewerblich genutzten Fahrzeugen könne keine Wertminderung entstehen.

Hier das Urteil zum Download.


Der Volltext der Entscheidung hier:

9 0 9/17

Verkündet am 16.08.2018

Landgericht Aachen

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Busch & Kollegen, Schafhausener Straße 38, 52525 Heinsberg,

gegen

die AXA Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden Dr. Thomas Buberl, Coloniaallee 10-20, 51067 Köln,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte BLD Bach Langheid Dallmayr, Theodor-Heuss-Ring 13-15, 50668 Köln,

hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen

im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 25.07.2018

durch die Richterin Knuf als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerin 5.069,72 € nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
14.10.2016 zu zahlen sowie

2. die Klägerin von restlichen Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen
der Rechtsanwälte Busch & Kollegen aus 52525 Heinsberg in Höhe
von 331,50 € netto freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer
Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls geltend.
Die Klägerin ist gewerbliche Vermieterin und Verkäuferin von Lastkraftwagen und
LKW-Aufliegern. Mit Mietvertrag vom 16.12.2014 vermietete sie den LKW-Auflieger
mit dem amtlichen Kennzeichen „ ” – einen Tiefkühl-Sattelanhänger – an
die Firma aus Alsdorf.

Der Mietvertrag (BI. 52 ff. GA) lautete auszugsweise:

㤠1
[ … ]
Vertragsdauer: 48 Monate
Mietbeginn: Mit Bereitstellung des Mietgegenstandes (ca. Februar 2015)
[ … ]
Der Mieter schließt auf eigene Rechnung eine Haftpflichtversicherung und
eine Vollkaskoversicherung mit 500,00 €Selbstbeteiligung ab. [ … ]
§ 6 Haftung, Erhaltung, Gewährleistung
Der Mieter trägt vom Zeitpunkt der Übergabe des Mietgegenstandes bis
zu seiner Rückgabe auch die Gefahr eines nicht von ihm [sie] vertretenden
Unterganges desselben sowie einer Beschädigung oder eines sonstigen
normalen wie auch außerordentlichen Verschleißes. [„.]
Ungeachtet der Regelungen im vorherigen Absatz tritt der Vermieter
hiermit sämtliche Ansprüche gegen den Hersteller bzw. Lieferanten des
Mietgegenstandes an den Mieter ab. [„.]
§ 10 Steuern, sonstige Kosten
Der Mieter übernimmt alle Gebühren, Beiträge und sonstige Abgaben, die
während der Laufzeit des Mietvertrages aufgrund der Miete, des Besitzes,
seiner Haltereigenschaft sowie des Gebrauchs des Mietgegenstandes
erhoben werden. [„.]
§ 12 Rückgabe
[„.] Fahrzeuge, die bei Beendigung des Mietverhältnisses nicht käuflich
übernommen werden, müssen vor Rückgabe neu TÜV-abgenommen
werden.”

Die Firma l wurde in die zugehörige Zulassungsbescheinigung Teil 1
eingetragen. Am 20.07.2016 kam es mit dem LKW-Auflieger zu einem Verkehrsunfall
auf dem Firmengelände der Firma Kraftverkehr . Bei der Firma
l handelt es sich um ein Logistikunternehmen, auf deren Betriebsgelände LKW
Ladungen aufnehmen.

Der streitgegenständliche Auflieger wurde von einem Rangierfahrzeug der Firma
gezogen, welches der ebenso der Firma zuzuordnende Herr n
fuhr. Um den Auflieger zu einem Ladeplatz zu bringen, manövrierte Herr
das Gespann rückwärts. Dabei kam es zu einem Zusammenstoß mit einem
ebenfalls rückwärts heranfahrenden LKW mit dem amtlichen Kennzeichen „
“, der bei der Beklagten haftpflichtversichert war. Der streitgegenständliche
Auflieger wurde bei dem Zusammenstoß beschädigt.

Die Klägerin ließ durch die DEKRA ein Gutachten zur Schadenshöhe erstellen, das
Netto-Reparaturkosten für den Auflieger in Höhe von 7.720,89 € ermittelte. Für die
Gutachtenerstellung zahlte die Klägerin auf eine entsprechende Rechnung hin
724,50 € (netto) (BI. 9 GA). Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.09.2016 forderte sie
die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 13. 10.2016 zur Zahlung der ermittelten
Netto-Reparaturkosten nebst Gutachterkosten, einer Kostenpauschale in Höhe von
30,00 € sowie einer Wertminderung in Höhe von 700,00 € – insgesamt mithin
9. 175,39 € – auf. Zusätzlich machte sie die Freistellung von Rechtsanwaltskosten in
Höhe von 745,40 €geltend.

Die Beklagte zahlte daraufhin an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3.723,42 €
auf die Netto-Reparaturkosten, einen Betrag in Höhe von 362,25 € auf die
Sachverständigenkosten, in Höhe von 15,00 € auf die Kostenpauschale und in Höhe
von 413,90 €auf die Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin macht den nicht von der Beklagten beglichenen Restbetrag nun
klageweise geltend.

Die Klägerin behauptet mit einem am 15.08.2017 bei Gericht eingegangenen
Schriftsatz (BI. 152 GA), der Auflieger sei im Auftrag der Klägerin von der Firma
abgeholt und nach überführt worden. Dort sei ein Kühlgerät eingebaut und das Fahrzeug im Anschluss, ebenfalls
im Auftrag der Klägerin, zwecks Lackierarbeiten nach nz überführt worden.
Dort sei das Fahrzeug von der Firma l übernommen worden.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei Eigentümerin, aber nicht Halterin des LKWAufliegers.
Jedenfalls sei aber bei einer etwaigen Verschuldenszurechnung zu
berücksichtigen, dass Rangierfahrzeuge Vorfahr! auf dem Gelände der Firma
hätten und der bei der Beklagten versicherte LWK das sich bereits in
Rückwärtsbewegung befindliche, den streitgegenständlichen Auflieger ziehende
Fahrzeug hätte abwarten müssen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,
1. an die Klägerin 5.074,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem
14. 10.2016 zu zahlen;
2. die Klägerin von restlichen Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen der
Rechtsanwälte Busch & Kollegen aus 52525 Heinsberg in Höhe von netto
331,50 €freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die Eigentümerstellung der Klägerin. Sollte die Klägerin
Eigentümerin sein, sei sie auch als Halterin zu qualifizieren; die Vermietung lasse die
Haltereigenschaft nicht entfallen. Das Verschulden des Fahrers sei der
Klägerin zuzurechnen, ihre Forderung daher um 50% zu kürzen. Sie behauptet, dass
die Klägerin einen Großabnehmernachlass erhalte, weshalb ihrer Ansicht nach ein
Anteil von 10% auf Klein- und Ersatzteile in Abzug zu bringen sei. Einen merkantilen
Minderwert könne die Klägerin nicht geltend machen, da es sich – insoweit unstreitig
– um ein gewerblich genutztes Fahrzeug handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen
Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung des Zeugen
sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen der Ergebnisse
der Beweisaufnahme wird auf das Schreiben des Zeugen vom 27.06.2017
(BI. 126 GA) und das Gutachten des Sachverständigen vom
12.04.2018 (BI. 187 ff. GA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz
in Höhe von 5.069,72 € gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB in Verbindung mit
§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG zu.
a. Die Klägerin ist als Eigentümerin des beschädigten LKW-Aufliegers zur
Geltendmachung des Schadensersatzanspruches nach § 823 Abs. 1 BGB
aktivlegitimiert. Sie hat das Eigentum von der gemäß
§ 929 S. 1 BGB durch Einigung und Übergabe erworben.
aa. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des
Gerichts zunächst fest (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO), dass die Klägerin mit der
ursprünglichen Eigentümerin des Aufliegers, der Herstellerfirma
AG, mittels für sie handelnder vertretungsberechtigter Personen dahingehend
überein gekommen ist, dass das Eigentum an dem Auflieger an die Klägerin
übergehen soll. Der Zeuge g hat – unter anderem gefragt nach
Vereinbarungen hinsichtlich des Eigentums – in seiner schriftlichen Aussage
bekundet, die Klägerin habe als Auftraggeberin den streitgegenständlichen Auflieger
bestellt und am 03.05.2015 bezahlt.
Die Bekundungen des Zeugen sind glaubhaft, da schlüssig und
widerspruchsfrei.
Aus dem Vortrag des Zeugen ist bei lebensnaher Betrachtung zu schließen,
dass die Klägerin und die Herstellerfirma sich über den Eigentumsübergang an die
Klägerin einig geworden sind; dass die Firma AG das Eigentum
an jemand anderen als die Klägerin übertragen oder (dauerhaft) behalten wollte, geht
aus alldem nicht hervor und ist realitätsfern. Von anderen Personen ist an keiner
Stelle die Rede, insbesondere auch nicht von einer etwaig dazwischen geschalteten
Bank. Der Hersteller, der seine Ware verkauft, ist dazu verpflichtet, Eigentum daran
zu übertragen (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB) und will dies im Regelfall auch – jedenfalls
spätestens mit Bezahlung der Ware.
Mit der Aussage des Zeugen korrespondierend hat die Klägerin im Übrigen
eine entsprechende, an sie adressierte Rechnung der Firma
vorgelegt (BI. 56 GA).
bb. Ebenso steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der LKW-Auflieger
von der an die Klägerin übergeben wurde. Diese hat
jedenfalls den mittelbaren Besitz gemäß §§ 854, 868 BGB an dem Auflieger
erworben, was für die Übergabe nach § 929 S. 1 BGB ausreichend ist. Ein
entsprechendes Besitzkonstitut vereinbarte die Klägerin ihrem Vortrag im Schriftsatz
vom 15.08.2017 zufolge mit der Firma r, die den Auflieger im Auftrag der
Klägerin bei der Herstellerin abholte. Mit der Übergabe an die Firma r als
Mittelsperson verlor nicht nur die ursprüngliche Eigentümerin dauerhaft ihren Besitz,
dies geschah auch auf Veranlassung der Klägerin. Auch der Zeuge hat
bekundet, der Auflieger sei im Auftrag der Klägerin am 04.02.2015 überführt worden.
Dem Schreiben des Zeugen war ein Auslieferungsbeleg an die Klägerin vom
04.02.2015 beigefügt.
Das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen erstmals in der
mündlichen Verhandlung vom 23.10.2017 war – abgesehen davon, dass die Klägerin
sogar den Ausdruck einer E-Mail vorgelegt hat, die den diesbezüglichen Auftrag an
die Firma L ohnehin bestätigt und belegt – wegen Verspätung nach
§ 296 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Nach § 296 Abs. 2 ZPO können Angriffs- und
Verteidigungsmittel zurückgewiesen werden, die entgegen § 282 Abs. 2 ZPO nicht
rechtzeitig mitgeteilt werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des
Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf
grober Nachlässigkeit beruht. § 282 Abs. 2 ZPO verpflichtet die Parteien zur
schriftsätzlichen Vorbereitung der mündlichen Verhandlung (siehe etwa Saenger, in:
ders„ ZPO, 7. Auflage 2017, § 282 Rn. 10). Hätte die Beklagte den Vortrag der
Klägerin in ihrem am 15.08.2017 und damit zeitig vor der mündlichen Verhandlung
eingegangenen Schriftsatz bereits zu einem früheren Zeitpunkt bestritten, hätte in
der mündlichen Verhandlung über die Behauptungen der Klägerin mittels
angebotenen Zeugenbeweises Beweis erhoben werden können. Bei
Berücksichtigung des nunmehrigen Bestreitens wäre hingegen eine weitere
mündliche Verhandlung für die Beweisaufnahme erforderlich geworden und der
Rechtsstreit hätte sich verzögert. Da der Beklagten ein Bestreiten mit Nichtwissen –
mangels gegenteiliger Anhaltspunkte – ohne Weiteres auch zuvor bereits möglich
gewesen wäre, ist ihr spätes Vorbringen auch als grob nachlässig einzustufen.
b. Die Eigentumsbeschädigung des klägerischen Aufliegers durch Kollision
mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug ist unstreitig.
c. Dass der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs den Unfall
– jedenfalls zu einem Teil – rechtswidrig und schuldhaft verursachte, steht zwischen
den Parteien ebenfalls nicht im Streit.
d. Durch den Verkehrsunfall ist der Klägerin ein in Höhe von 5.069,72 €noch
nicht regulierter, erstattungsfähiger Schaden entstanden, der sich aus RestReparaturkosten
in Höhe von 3.997,47 € (aa.), einem merkantilen Minderwert in
Höhe von 700,00 € (bb.), restlichen Gutachterkosten in Höhe von 362,25 € (cc.) und
einer restlichen Kostenpauschale in Höhe von 10,00 € (dd.) zusammensetzt.
Ursprünglich ist ihr ein erstattungsfähiger Schaden in Höhe von insgesamt
9. 170,39 € entstanden, welcher sich aus den Nettoreparaturkosten in Höhe von
7.720,89 €, einem merkantilen Minderwert in Höhe von 700,00 €, Gutachterkosten in
Höhe von 724,50 € sowie einer Kostenpauschale in Höhe von 25,00 €
zusammensetzt. Da der Anspruch insgesamt in Höhe von 4. 100,67 € infolge der
Zahlung der Beklagten – nämlich auf die Reparaturkosten, die Gutachterkosten und
die Kostenpauschale – bereits gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen
ist, verbleibt ein Restanspruch in Höhe von 5.069,72 €.
aa. Der Klägerin steht – nach diesbezüglich bereits erfolgter Zahlung der
Beklagten in Höhe von 3.723,42 € – ein Anspruch auf Ersatz der restlichen NettoReparaturkosten
in Höhe von 3.997,47 € zu. Insgesamt waren als
Nettoreparaturkosten für den LKW-Auflieger im Einklang mit dem DEKRA-Gutachten
7.720,89 €in Ansatz zu bringen.
Die Klägerin muss sich, anders als die Beklagte meint, im Hinblick auf die geltend
gemachten fiktiven Netto-Reparaturkosten keinen Großabnehmernachlass in Höhe
von 10% auf die kalkulierten Ersatz- und Kleinteilpreise anrechnen lassen. Es ist
weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin zum Kreis der Unternehmer
gehört, die einen solchen Nachlass regelmäßig erhalten. Die Beklagte hat hierzu
keinerlei konkrete Anhaltspunkte vorgetragen. Dass sich die Klägerin hierzu – so die
Einschätzung der Beklagten – nicht verbindlich äußern möchte, reicht für eine für die
Parteivernehmung nach § 448 ZPO erforderliche Anfangswahrscheinlichkeit der
behaupteten Tatsache (sog. Anbeweis) nicht aus. Aber auch soweit die Klägerin als
Großabnehmer tatsächlich Preisnachlässe erhalten sollte, die nicht auf einer
besonderen Anstrengung oder entsprechenden Verkaufsverhandlungen ihrerseits
beruhen und über übliche Rabatte hinausgehen, ergäbe sich keine abweichende
Beurteilung. Es handelt sich nämlich um freiwillige Nachlässe eines Dritten, auf die
die Klägerin keinen rechtlichen Anspruch hat, und die im Übrigen allein der Klägerin
zugutekommen und nicht den Schädiger entlasten sollen (OLG Koblenz, Urteil vom
27. März 2000 – 13 U 1369/99 -, Rn. 10, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 17. Juni
1994 – 19 U 104/93 -, VersR 1995, 1450).
bb. Der Klägerin steht daneben ein Anspruch auf Ersatz des merkantilen
Minderwertes in Höhe von 700,00 €zu.
Auch bei Nutzfahrzeugen kann grundsätzlich – anders, als die Beklagte meint – nach
einem Unfall ein merkantiler Minderwert eintreten, den der Geschädigte als Schaden
geltend machen kann. Das gilt jedenfalls dann, wenn für solche Fahrzeuge ein
Gebrauchtwagenmarkt besteht (BGH, Urteil vom 18. September 1979 – VI ZR
16/79 -, Rn. 6, juris). Dies beruht auf der Annahme, dass der merkantile Minderwert
nichts anderes ist als die Wert-Differenz, die bei einem Kraftfahrzeug zwischen
seinem Zustand vor dem Unfall und nach Durchführung der Reparatur besteht, und
auch Nutzfahrzeuge, wenn sie bei einem Unfall erheblich beschädigt werden, trotz
Behebung der technischen Schäden im allgemeinen geringer bewertet werden als
unfallfrei gefahrene Wagen. Denn ein großer Teil der Käufer auch solcher Fahrzeuge
ist – vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden und der
möglicherweise bestehenden höheren Schadensanfälligkeit reparierter Wagen –
nicht bereit, für wieder instandgesetzte Unfallfahrzeuge denselben Preis zu zahlen
wie für entsprechende unbeschädigte Wagen. Insoweit kann es keinen Unterschied
gegenüber Personenkraftwagen geben (zu diesem Abschnitt BGH, a.a.O.).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest
(§ 286 Abs. 1 ZPO), dass für die streitgegenständliche Fahrzeugart ein
Gebrauchtwagenmarkt existiert und der merkantile Minderwert, wie von der Klägerin
geltend gemacht, (mindestens) 700,00 € beträgt. Der Sachverständige hat
den merkantilen Minderwert in seinem Gutachten sogar auf eine Bereich von
700,00 € bis maximal 1.000,00 €geschätzt.
Der Sachverständige verfügt als Diplom-Ingenieur und öffentlich bestellter und
vereidigter Sachverständiger für Kraftfahrzeugtechnik, Beweissicherung und
Unfallrekonstruktion über die für die Gutachtenerstellung notwendige Expertise. Er
hat den zugrunde gelegten Sachverhalt richtig und vollständig gewürdigt, seine
Gedankengänge sind nachvollziehbar. Seinen Feststellungen schließt sich das
Gericht aus eigener Überzeugungsbildung an.
Der Sachverständige räumt ein, dass feste Grundsätze oder anerkannte
Berechnungsmethoden zur Ermittlung der Höhe der merkantilen Wertminderung, wie
sie häufig für Pkw angewendet würden, für Nutzfahrzeuge nicht existieren. Gerade
aufgrund dessen aber hat der Sachverständige, im Einklang mit der oben zitierten
BGH-Rechtsprechung, eine umfassende Marktanalyse für gebrauchte Sattelauflieger
mit Kühlkofferaufbau durchgeführt, die, wie der streitgegenständliche Auflieger zum
Unfallzeitpunkt, etwa 18 Monate alt waren. Dabei konnte der Sachverständige nicht
nur feststellen, dass derartige Sattelanhänger in einer großen Vielfalt angeboten
werden, es also einen Markt für derartige Fahrzeuge gibt. Er hat auch feststellen
können, dass es bei keinem der Angebote Hinweise darauf gegeben habe, dass das
jeweilige Fahrzeug einen Vorschaden aufwies. Schon allein dies lässt sich nach
Auffassung des Gerichts als Anzeichen dafür verstehen, dass der Verkauf eines
unfallbehafteten Aufliegers nicht nur schwieriger als der eines unbeschädigten
Aufliegers zu realisieren, sondern auch kaum der gleiche Preis zu erzielen sein
dürfte. Den Sachverständigen veranlasste seine Feststellung dazu, mit überregional
tätigen Händlern telefonisch Kontakt aufzunehmen. Alle konsultierten Händler hätten
eine merkantile Wertminderung bejaht, und zwar auch für den Fall, dass die
Instandsetzung vollständig, ordnungsgemäß und nach Herstellervorgaben
durchgeführt wurde. Die Höhe der angegebenen Wertminderung habe sich, so der
Sachverständige, grundsätzlich an der Höhe der Netto-Reparaturkosten orientiert
und sei bei etwa 10% derselben verortet worden. Der Sachverständige kommt
insofern nachvollziehbar und überzeugend zu dem Schluss, dass der Erlös beim
Verkauf eines instandgesetzten Sattelanhängers deutlich geringer ist als beim
Verkauf eines ansonsten identischen, aber unfallfreien Sattelanhängers und verortet
die merkantile Wertminderung angesichts der Netto-Reparaturkosten in Höhe von
7.720,89 € bei 700,00 € bis maximal 1.000,00 €. Der von der Klägerin geltend
gemachte Betrag von 700,00 € liegt nach alldem im unteren Bereich. Der Ersatz
eines höheren merkantilen Minderwertes konnte ihr nicht zugesprochen werden
(§ 308 Abs. 1 S. 1 ZPO).
cc. Vom Schadensersatzanspruch der Klägerin umfasst sind ebenso die
aufgewendeten Gutachterkosten, die nach bereits erfolgter hälftiger Zahlung der
Beklagten auf den Gesamtbetrag von 724,50 € nun noch in Höhe von 362,25 €
bestehen. Da die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
unstreitig erforderlich und zweckmäßig war, gehören die dafür aufgewendeten
Kosten zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß
§ 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen (BGH NJW 2014, 3151,
3152).
dd. Da die Kostenpauschale nach ständiger Rechtsprechung auch der
Kammer lediglich in Höhe von 25,00 € erstattungsfähig ist (vgl. auch OLG Köln, Urteil
vom 07.05.2014 – 16 U 171 /13) und die Beklagte bereits 15,00 € gezahlt hat,
verbleibt der Klägerin hier ein Restanspruch in Höhe von 10,00 € und nicht, wie
gefordert, in Höhe von 15,00 €.
e. Ein etwaiges Mitverschulden des Fahrers s, der den klägerischen
Auflieger mittels LKW bewegte, ist nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
aa. Auf ein etwaiges Mitverschulden nach § 254 BGB kommt es vorliegend
nicht an, denn ein solches kann der Anspruchsinhaberin im Rahmen der Haftung
nach § 823 BGB nicht zugerechnet werden. Zwischen der Klägerin und dem Fahrer
fehlt es an einer vertraglichen oder sonstigen rechtlichen Sonderverbindung, die eine
Zurechnung dessen Mitverschuldens an dem Verkehrsunfall nach § 278 BGB als
Erfüllungsgehilfen der Eigentümerin gestatten würde (vgl. hierzu BGH NJW 2007,
3120, 3122).
bb. § 17 StVG scheidet als Zurechnungsnorm aus, da dieser nach der
Rechtsprechung nur anzuwenden ist, wenn auch der Geschädigte nach den
Bestimmungen des StVG haftet (BGH NJW 2017, 2352). Dies ist aber vorliegend
nicht der Fall, da die Klägerin – ähnlich einer Leasinggeberin – nicht Halterin des
streitgegenständlichen Aufliegers ist.
Halter ist, wer das Kfz oder den Kfz-Anhänger zur Unfallzeit für eigene Rechnung in
Gebrauch hat und die tatsächliche Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher
Gebrauch voraussetzt (BGH, Urteil vom 22. März 1983 – VI ZR 108/81 -, Rn. 12,
juris m.w.N.). In Rechtsprechung und Literatur ist zwar allgemein anerkannt, dass die
Verfügungsmöglichkeit eines Dritten nicht per se die Haltereigenschaft des
Überlassenden beendet (OLG Köln, Urteil vom 25.10.1968 – 9 U 171/66 – , VersR
1969, 357; OLG Frankfurt, Urteil vom 10. Mai 2016 – 1 O U 144/15 -, Rn. 37, juris). Ist
ein Kraftfahrzeug aber – wie hier – vertraglich für einen längeren Zeitraum
überlassen worden, so gilt jedenfalls nach der Rechtsprechung des BGH zum
Leasingrecht, dass der überlassende – der Leasinggeber – in der Regel nicht mehr
als Halter angesehen werden kann (BGH, Urteil vom 22. März 1983 – VI ZR 108/81
, Rn. 14, juris). Dies wird damit begründet, dass nach dem Wesen eines solchen
Vertrages der Leasingnehmer während der längeren, festen Laufzeit dem
Leasinggeber durch regelmäßige Zahlungen sämtliche Kosten – also anteilige
Anschaffungskosten zuzüglich Zinsen und Gewinn – erstattet und der
Leasingnehmer im Gegenzug für die vereinbarte Laufzeit die uneingeschränkte
Verfügungsgewalt über den ihm überlassenen Gegenstand erhält, vorbehaltlich
gewisser zugunsten des Leasinggebers vereinbarter Kontrollrechte. Der
Leasingnehmer hat das Recht, während der Laufzeit des Vertrages das
Kraftfahrzeug nach seinem Belieben zeitlich und örtlich einzusetzen, während der
Leasinggeber gerade darauf keinen Einfluss mehr hat und nur bei missbräuchlicher
und die Substanz des vermieteten Fahrzeuges bedrohender Benutzung eingreifen
darf.
Genau so liegt aber auch der Fall hier; die Rechtsprechung des BGH zum
Leasingrecht lässt sich auf die vorliegende Mietkonstellation übertragen.
Der Mieter soll zunächst sämtliche Kosten tragen; gemäß § 10 des
streitgegenständlichen Mietvertrages ist er verpflichtet, „alle Gebühren, Beiträge und
sonstige Abgaben, die während der Laufzeit des Mietvertrages aufgrund der Miete,
des Besitzes, seiner Haltereigenschaft sowie des Gebrauchs des Mietgegenstandes
erhoben werden” zu tragen, gemäß § 1 gehören dazu auch die Kosten der
Versicherung. Die Mietparteien gingen in § 10 ihrer Vereinbarung auch ausdrücklich
bereits selbst von einem Übergang der Haltereigenschaft auf den Mieter aus, was
jedenfalls ein Indiz für die Haltereigenschaft sein kann (BGH, Urteil vom 22. März
1983 – VI ZR 108/81 -, Rn. 14, juris). Der Mieter selbst bestimmt weiter, wo sich der
Anhänger aufhält und wie er verwendet wird. Er ist verantwortlich für die Nutzung des
Fahrzeugs im Verkehr und zwar unabhängig vom Willen der Klägerin. Während der
Leasingvertrag, der der Entscheidung des BGH zugrunde lag, eine Laufzeit von drei
Jahren vorsah, ist vorliegend sogar eine Laufzeit von vier Jahren vereinbart worden.
Weiterhin wurde der Mietvertrag, wie häufig auch beim Leasing, zeitlich vor
Fertigstellung des Fahrzeugs abgeschlossen. Schließlich sieht der Vertrag die
Möglichkeit vor, dass der Mieter das Fahrzeug am Ende käuflich erwirbt; dies
entspricht gerade auch dem Regelfall beim Leasingvertrag. Im Rahmen der
streitgegenständlichen Mietvertragsgestaltung ist es nach alldem, wie nach der
Rechtsprechung des BGH zum Leasingrecht, nur folgerichtig, dass
vereinbarungsgemäß das Fahrzeug auf den Mieter zugelassen worden ist, und dass
die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, dieser solle während der Laufzeit Halter
des Kraftfahrzeuges sein (BGH, Urteil vom 22. März 1983 – VI ZR 108/81 -, Rn. 14,
juris).
cc. Schließlich bezieht sich auch die Zurechnungsnorm des § 9 StVG nur auf
Ansprüche eines Geschädigten auf Grund der Gefährdungs- und
Verschuldenshaftung nach den Vorschriften des StVG; eine analoge Anwendung auf
die Verschuldenshaftung nach § 823 BGB scheidet aus (BGH NJW 2007, 3120,
3231 ).
2. Der Anspruch auf Zinsen ab dem 14.10.2016 ergibt aus §§ 286, 288 BGB
i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.09.2016
forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 13.10.2016 zur Zahlung
auf, so dass die Beklagte sich mit Ablauf der Frist in Verzug befand.
3. Der Klägerin steht im Rahmen ihres Schadenersatzanspruchs gegen die
Beklagte auch ein Anspruch auf Freistellung von restlichen Rechtsanwaltskosten in
Höhe von 331 ,50 € zu. Ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von
9.169,39 € hatte sie ursprünglich einen Anspruch auf Freistellung von
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 745,40 € (1,3 Geschäftsgebühr
gemäß Nr. 2300 VV RVG, Auslagen gemäß Nr. 7002 VV RVG). In Höhe von
413,90 € ist der Anspruch durch Zahlung der Beklagten gemäß § 362 Abs. 1 BGB
bereits erloschen.
1 ,3 (2300) X 558
Auslagen
bereits gezahlt
725,40 €
20,00 €
745,40 €
413,90 €
331,50 €

II.
Die Kostenentscheidung folgt aus§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus§ 709 ZPO.
Streitwert: bis 6.000,00 €.

Knuf

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