Die Provinzial und der Compliance-Unfug

Bekanntlich ist die Lage bei den diversen Versicherungen ja völlig entspannt, was beispielsweise die seriöse Abwicklung von Unfallschäden und die zeitnahe Bewältigung der Fälle angeht (Achtung: Dieser Satz enthält nicht gekennzeichnete Ironie).

Ich frage mich, von welchem Teufel die zuständige Abteilung der Provinzial-Versicherung geritten wurde, wenn sie seit neuestem die Zahlung der Rechtsanwaltsvergütung bei einem Unfall von der vorherigen Übersendung einer Rechnung abhängig macht. Da sei aus Compliance-Gründen so! 1!11! Da scheinen die Sachbearbeiter auf der unteren Ebene aber noch Zeitpotential zu haben, sich auch noch darum zu streiten.

Vor dem AG Heinsberg (Urteil vom 12.10.2022, Az. 18 C 162/22) hatte sie damit keinen Erfolg und wurde antragsgemäß verurteilt. Und weil die Argumentation der eigenen Mandantin dann doch etwas schwach war (und im Rechtsstreit gar nicht wiederholt wurde!), haben sich deren Anwälte zwecks Abwehr der Klage etwas anderes ausgedacht: Die Beauftragung eines Anwalts bei einem solch einfachen Fall war doch gar nicht notwendig und die Kosten nicht erstattungsfähig. Und dann wurde auch noch die “böse” BGH-Entscheidung (VII ZR 320/21) zur Erstattung vorgerichtlicher Kosten ins Feld geführt. Wie gesagt, ohne Erfolg. Die hat sich sogar noch eine Ohrfeige abgeholt.

Ich hoffe, dass diese Sau, die hier durch’s Heinsberger Dorf getrieben wurde, wieder nach Düsseldorf in den S…stall zurückläuft.

Unten die Entscheidung im Volltext, Download hier möglich.


18 C 162/22

Amtsgericht Heinsberg
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn 52525 Heinsberg,

Klägers,

Prozessbevollmächtigter: Herr Rechtsanwalt Frese, Jürgen, Siemensstraße 12, 52525 Heinsberg,
gegen

die Provinzial Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden Patric Fedlmeier, Provinzialplatz 1, 40195 Düsseldorf,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S- M in A,

hat das Amtsgericht Heinsberg im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 12.10.2022 durch die Richterin am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an Herrn Rechtsanwalt Jürgen Frese aus 52525 Heinsberg 453,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 14.07.2022 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Diese Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(ohne Tatbestand gemäß § 313a ZPO)

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 453,87 € aus §§ 7, 17 StVG in Verbindung mit § 115 VVG.

Es ist unstreitig, dass der klägerische Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen HS- am 25.06.2022 bei einem allein schuldhaft durch den Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen HS- beschädigt worden ist.

Der Höhe nach besteht ein Anspruch des Klägers auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 453,87 € für das anwaltliche Aufforderungsschreiben vom 29.06.2022. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung ist auch bei unstreitigem Unfallhergang und eindeutiger Haftungsverteilung die Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Geltendmachung der entstandenen Schäden erforderlich und zweckmäßig. Nur auf diese Weise hat der Kläger sicherstellen können, dass seine berechtigten Ansprüche umfassend erkannt und gegenüber der Beklagten geltend gemacht werden. Dass der Kläger seinem nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vorgerichtlich einen unbedingten Klageauftrag erteilt hat und nicht lediglich aufschiebend bedingt für den Fall des Scheitern einer außergerichtlichen Geltendmachung der
Schadensersatzforderung ist –insbesondere aufgrund des unstreitigen Unfallhergangs und der eindeutigen Haftungsverteilung- derart fernliegend, dass es keiner diesbezüglichen Beweisaufnahme bedurft hat. Der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten widerspricht insbesondere diametral der zuvor von ihr geäußerten Auffassung, dass der Sachverhalt derart eindeutig gewesen sei, dass für den Kläger noch nicht einmal die Beauftragung eines Rechtsanwalts notwendig gewesen sein soll.

Die dem Kläger vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten sind daher von der Beklagten zu erstatten.
Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.11, 713 ZPO.

Streitwert: 453,87 €.

Rechtsbehelfsbelehrung:
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