Der BGH hat bekanntlich vor ca. 2 Jahren seine Auffassung zur Ersatzfähigkeit sog. “Unfallersatztarife” entscheidend geändert. Trotz einer Fülle von Folgeentscheidungen allein des BGH sind viele tatsächliche und rechtliche Einzelfragen ungeklärt und umstritten. Eine klare Linie ist nicht erkennbar, außer daß sich der BGH auf “eine Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls” beruft. Wer dies in einer BGH-Entscheidung liest, der weiß, daß sich die Richter ganz bewußt nicht festlegen wollen. Entsprechend “eiern” die Instanzgerichte bei der Wahrheits- und Rechtsfindung herum. Jedes Gericht scheint seine eigene Auffassung zu haben. Es ist in der Beratungspraxis unmöglich, alle diese Entscheidungen zu kennen und den Mandanten dann auch noch zutreffend zu beraten. Da kann man nur hoffen, daß das Mietwagenunternehmen über die unterschiedlichen Preisgestaltungen nicht ausführlich beraten hat (was nach der Rechtsprechung des BGH erforderlich ist und andernfalls Schadensersatzansprüche des Unfallgeschädigten auslöst), und sich der Mandant beruhigt zurücklehnen kann.
Ein klare Absage hat der BGH jüngst der Methode erteilt, die erforderlichen/angemessenen Mietwagenkosten derart zu berechnen, daß der dreifache Betrag des geschuldeten Nutzungsausfalls angesetzt wird (Urteil vom 26.06.2007, Az. VI ZR 163/06). Ohne sich insoweit festlegen zu wollen, wird vom BGH wohl akzeptiert, wenn die Instanzgerichte sich nach dem gewichteten Mittel des Schwacke-Mietpreisspiegels im jeweiligen Postleitzahlengebiet des Geschädigten richten, ggf. zzgl. eines prozentualen Aufschlags für unfallbedingt höhere Aufwendungen des Mietwagenunternehmens. Der BGH überprüft aber sehr kritisch, ob die Instanzgerichte das ihnen im Rahmen des § 287 ZPO zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausüben und heben fehlerhafte Urteile konsequent auf (so z.B. Urteil vom 12.06.2007, Az. VI ZR 161/06).
Die Instanzgerichte sind sich aber noch nicht so ganz einig, ob man sich auf die Schwacke-Liste verlassen kann. Während diese Liste als Basis z.T. bedenkenlos verwendet wird, wird gegen die methodische und statistische Richtigkeit bei der Ermittlung der Mietpreise – natürlich vor allem seitens der Versicherungswirtschaft – heftige Kritik geltend gemacht. Ich hatte hier zu diesem Thema bereits einen Beitrag veröffentlicht. So kann man inzwischen auch einzelne Entscheidungen finden, die die Schwacke-Liste nicht für anwendbar halten (LG Dortmund, Urteil vom 14.6.2007 – 4 S 129/06; LG Chemnitz, Urteil vom 5.1.2007 – 6 S 605/06). Zu dieser Frage wird der BGH früher oder später Stellung nehmen müssen, wenn das Gericht nicht andere Fehler – wie z.B. bei der Ausübung des Ermessens – findet, um die Sache aus diesem Grund aufzuheben. Aus Sicht der Praxis sind jedenfalls klare Leitlinien wünschenswert und erforderlich.
Update 14.08.07: Für eine Anwendbarkeit der Schwacke-Liste 2006 spricht sich das LG Nürnberg-Fürth in einem nicht rechtskräftigen Urteil vom 08.05.07, Az. 8 O 861/07 (zfS 2007, S. 444 ff.) aus. Zu den inzwischen geführten Angriffen nimmt das Gericht aber (leider) nicht Stellung. Angreifbar dürfte die Argumentation sein, es gäbe keine andere Schätzungsgrundlage als diese Liste. Mit den obigen BGH-Entscheidungen dürfte dies nicht in Einklang zu bringen sein. Das Gericht hätte sich insbesondere durch ein SV-Gutachten beraten lassen müssen.