Beitrag vom 11.07.2013:
Das AG Waiblingen (Urteil vom 03.07.2013, Az, 9 C 521/13) hat entschieden, dass die gegnerische Versicherung in einem Rechtsstreit dann nicht mehr auf eine andere Werkstatt verweisen kann, wenn der Geschädigte das Fahrzeug vorher bereits in Eigenregie hat reparieren lassen. Die Reparatur war der entscheidende Unterschied zur Entscheidung des BGH vom 14.05.2013, Az. VI ZR 320/12). Das Amtsgericht stellt den Meinungsstand zu dieser Frage dar und entscheidet sich mit stringenter Begründung. Überzeugend ist das Argument, dass mit einer nachträglichen Verweisung die Dispositionsfreiheit des Geschädigten unzulässig eingeschränkt würde.
Vielen Dank an den Kollegen Gursch (Otto-Lilienthal-Str. 5, 71031 Böblingen) für die Übersendung des Urteils!
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Hier das Urteil:
Aktenzeichen:
 9 c 521/13
Verkündet am
 03.07.2013
Amtsgericht Waiblingen
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
Prozessbevollmächtigter: .
 Rechtsanwalt Andreas Gursch, Otto-Lilienthal-Straße.5, 71034 Böblingen, Gz.: 466/12-GU/m. e
gegen
wegen Schadensersatz
 hat das Amtsgericht Waiblingen
 durch die Richterin Fäll
 am· 03.07 .2013 auf die mündliche Verhandlung vom 05.06:2013
 für Recht erkannt:
1. . Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 240,22 € nebst Zinsen
 hieraus in Höhe von 5 Prozentpur:ikten über dem. Basiszinssatz seit
 12.04.2013 zu bezahlen.
2. . Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 240,22 € festgeset.zt.
 (. abgekürzt nach§ 313a Abs. 1. ZP.O )
Entscheidungsgründe
Gemäß§ 495a ZPO bestimmt das Gericht dasVerfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb die-.
 ses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
 Die Parteien streiten wegen restlicher Schadensersatzansprüche die der Kläger aufgrund eines
 Verkehrsunfalls, der sich am 19.07.2012 in ereignet hat. Die vollständige
 und alleinige Haftung der Beklagtense1te ist zw1scnen den Parteien unstreitig. In Streit
 stehen noch restliche Reparaturkosten.
Der Kläger hatte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragt.
Aus dem Gutachten geht hervor, dass sich die erforderlichen Reparaturkosten auf insgesamt
 3.940, 16 € belaufen. Der Kläger hat seinen unfallbeschädigten Pkw in Eigenleistung repariert.
 Seitens der Beklagten wurde eine Zahlung in Höhe von 3.564,00 € an den Kläger erbracht. Mit
 Schreiben vom 05.12.2012 teilte die Beklagte mit, dass sich aus einem Prüfbericht ergebe, dass der eingegtretene Schaden in einer anderen Werkstatt zu einem Preis von 3.699,94 € repariert werden häte können.
Die von der Klägerseite gesetzte Zahlungsfrist.für die Bezahlung der restlichen Reparaturkosten
 in Höhe von 240,22 € war ergebnislos verstrichen.
I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
 Dem Kläger stehen gemäß§§ 7,18 StVG, 823 .BGB i.V.m. § 115 WG restliche Ansprüche auf
 Schadensersatz in Höhe von 240,22 €zu.
Die im Kostenvoranschlag angegebenen Stundenverrechnungssätze sind vorliegend ersatzfähig.
1.
 Gemäß.§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann ein Geschädigter vom Schädiger den zur Herstellung erforderlichen
 Geldbetrag für die Beschädigung einer Sache verlangen. Die Erforderlichkeit des
 hierfür notwendigen Geldbetrags richtet sich danach, was ein verständiger wirtschaftlich denkender
 Mensch in der Lage des Geschädigten getan hätte. De.r Geschädigte bewegt sich für gewöhnlich
 im Rahmen der Erforderlichkeit, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm beauftragter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH NJW
 2010, 606).
 Im Rahmen der Schadensminderungspflicht ist dann zu überprüfen, ob es dem Geschädigten
 zumutbar ist, eine Abrechnung auf der Basis billigerer Stundensätze einer freien Werkstatt zugrunde
 zu legen
 Das Gericht geht im vorliegenden Fall davon aus, dass kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorliegt. Der Verweis auf eine billigere freie Werkstatt erfolgte na.ch Ansicht des Gerichts verspätet. Der Geschädigte hatte. seine Dispositionsentscheidung zu diesem Zeitpunkt bereits getroffen, indem er bereits im September 2012 die Schäden am Fahrzeug in Eigenregie beseitigt
 hatte.
2.
 Grundsätzlich kann ein Geschädigter, der Eigentümer eines Fahrzeugs ist, welches älter als ·3
 Jahre ist, auf eine günstigere und technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer mühelos
 und ohne weiteres zugänglichen freien Fachwerkstatt verwiesen werden (vgl. AG Hechingen, Urteil
 vom 28.06.2012, AZ.: 2 C 416/11 ). Ein solcher Verweis kommt nicht in Betracht, wenn der Geschädigte
 nachweisen kann, dass sein Fahrzeug in der Vergangenheit stets in einer Vertragswerkstatt
 gewartet und repariert wurde. Im vorliegenden Fall war eine Verweisung auf eine günstigere
 Reparaturmöglichkeit grundsätzlich zunächst möglich. Das Fahrzeug des Klägers war zum
 Unfallzeitpunkt bereits mehr als 11 Jahre alt. Dass es sich um ein scheckheftgepflegtes Fahrzeug
 handelte, wurde von der Klägerseite weder vorgetragen noch nachgewiesen.
3.
 Vorliegend erfolgte der Verweis auf die billigere Werkstatt jedoch verspätet.
 In ·Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, bis wann ein -solcher -Hinweis· auf eine billigere
 Werkstatt erfolgen kann. Teilweise wird in der Literatur die Meinung vertreten, dass ein fiktiv ab..
 rechnender Geschädigter in zeitlicher Hinsicht nicht schutzwürdig ist und daher ein Verweis auf
 eine günstigere Reparaturmöglichkeit jederzeit erfolgen kann (vgl. Figgener NJW 2008, 1349).
 Beispielsweise das Landgericht Stuttgart geht davon aus, dass ein Verweis auch noch während
 des laufenden Prozesses nachgeholt werden kann (vgl. Landgericht Stuttgart, Urteil v.
 19.07.2010, Az.: 4 S 48/10)
 Das Landgericht Berlin geht dem gegenüber jedoch davon aus, dass ein Verweis nur dann noch
 erfolgen kann, wenn die Dispositionsentscheidung des Geschädigten noch nicht getroffen worden·
 war. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht könne nur dann angenommen werden,
 wenn der Geschädigte vorwerfbar “zum Zeitpunkt seiner Disposition schuldhaft von unzutreffenden
 · Grundlagen, hier insbesondere zu Höhe der Reparaturkosten ausgegangen sei” (LG Berlin
 43 S 41 /11 ). Als Anhaltspunkt, bis wann ein Verweis erfolgen könne, könne auf § 3 a Abs. 1
 PflichtversG zurückgegriffen werden.
Auch andere Gerichte gehen davon aus, dass der Verweis vor der Dispositionseritscheidung des
 Geschädigten erfolgen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008, Az.: 1-1 U 246/07; LG
 Krefeld, Urteil vom 18.03.2010, Az.: 3 S 30/09; LG Hechingen, Urteil vom 19.09.2008, Az.: 3 S
 11/08; LG Kiel, Urteil vom 25.11.2011, Az.: 1 S 37/.11 ).
Die jüngste Entscheidung des BGH geht dahin, dass ein Verweis bei einem fiktiv abrechnenden
 noch während des Prozesses erfolgen kann (vgl. BGH, Urteil v. 14.05.2013, Az.: VI ZR 320/12).
 Das Gericht geht vorliegend davon aus, dass der Verweis verspätet erfolgte. Die Entscheidung
 des BGH ·betrifft einen Fall, bei dem keine Reparatur des Fahrzeugs vorgenommen wurde. Hier ·
 hatte sich der Kläger zur Eigenreparatur entschieden, sodass nach Ansicht des erkennenden Gerichts
 eine anderweitige Entscheidung gerechtfertigt ist.
Vorliegend wurde auf fiktiver Basis eine Abrechnung der Reparaturkosten vorgenommen. Es
 müssen jedoch grundsätzlich die gleichen Grundsätze für die Abrechnung nach tatsächlicher Reparatur
 wie bei fiktiver Abrechnung gelten (vgl. BGH NJW-RR 09, 10.31′).. Das Gericht schließt
 sich den Feststellungen der zitierten Landgerichte an, die nur einen Verweis bis zum Treffen der
 Dispositionsentscheidung für möglich halten.
Vom Geschädigten kann nur so lange verlangt werden, den Schaden zu mindern, so lange dieser
 eine Möglichkeit zur Schadensminderung hat. Diese Möglichkeit besteht nur bis zum Zeitpunkt
 der Dispositionsentscheidung des Geschädigten. Wenn ein Reparaturauftrag erteilt ist, kann der
 Geschädigte in der Regel keinen Einfluss mehr auf die Kosten, die entstehen werden nehmen,
 ·sodass damit auch die Verpflichtung .zur Schadensminderung enden muss (vgl. AG Hechingen,
 Urteil vom 28.06.2012, Az.: 2 C 416/11 ). Bei einer tatsächlich vorgenommenen Reparatur, kann
 ein Verweis also nur bis zu dem Zeitpunkt erfolgen, bis der Auftrag an die Werkstatt erteilt wurde.
 In Anbetracht dieser Grundsätze könnte zunächst angenommen werden, bei fiktiver Reparaturkostenabrechnung anders vorzugehen, da eine Reparaturentscheidung vorliegend nicht getroffen wird. Dem schließt sich das Gericht jedoch nicht an. Andernfalls würde der fiktiv Abrechnende
 schlechter gestellt, als derjenige, der sein Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt, die Dispositionsentscheidung des Geschädigten wäre hierdurch beeinträchtigt (vgl. AG Hechingen, Urteil vom 28.06.2012, Az.: 2 C 416/11). Auch der fiktiv Abrechnende trifft eine Dispositionsentscheidung .
 . Vorliegend wurde die Dispositionsentscheidung nicht erst mit Einreichung der Klage, sondern bereits
 mit der Durchführung der Eigenreparatur getroffen.
Der Kläger hat seiner Entscheidung, das Fahrzeug selbst zu reparieren, die vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten zugrunde gelegt. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass
 auch bei einer Eigenreparatur Ersatzteile beschafft werden müssen. Auch bei einer Eigenreparatur
 fallen Kosten an, sodass die Dispositionsentscheidung im Hinblick auf den Abrechnungsbetrag
 erfolgt. Im Übrigen ist der Geschädigte nicht zu einer Eigenreparatur verpflichtet. Repariert er
 das Fahrzeug selbst, wird er über obligatorisch tätig. Nimmt nun der Geschädigte aufgrund der
 vom Sachverständigen ermitteltenden Kosten eine Kalkulat.ion vor, welche Kosten ihm für die Eigenreparatur anfallen, so kann nicht nachträglich eingewendet werden, dass eine Reparatur günstiger
 möglich gewesen wäre. Bei einer Abrechnung nach günstigeren Stundensätzen wäre die
 Eigenreparatur für den Geschädigten möglicherweise nicht rentabel gewesen. Dieser hat sich für
 die Eigenreparatur auf der Grundlage der vom Sachverständigen er.mittelten Kosten entschieden.
 Würde man nun den Verweis auf eine günst.igere Werkstatt zulassen, so wäre die Grundlage der
 Dispositionsentscheidung des Geschädigten beseitigt. Möglicherweise hätte der Geschädigte
 dann eine andere Entscheidung getroffen.
Ein nachträgliches Ändern der Grundlage für die Dispositionsentscheidung hält das Gericht demnach
 im vorliegenden Fall für nicht gerechtfertigt. Aufgrund dessen war der Verweis auf eine günstigere
 Reparaturmöglichkeit, da dieser erst nach der Eigenreparatur erfolgte, verspätet.
 Aufgrund dessen sind auch die restlichen geltend gemachten Reparaturkosten von der Beklagtenseite zu erstatten.
II.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf§§ 280 Abs. 2, 286, ·288 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf§ 91 ZPO.
IV.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr.
 11, 713 ZPO
Die Streitwertfestsetzung beruht auf§§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.
Föll
 Richterin
Update 28.08.2013:
Auch das AG Hattingen (Urteil vom 21.03.2013, Az. 11 C 9/13, VRR 2013, S. 309) ist der Auffassung, dass bei einer entsprechend dem Gutachten durchgeführten Reparatur der Versicherer nicht mehr nachträglich auf eine andere Werkstatt/Reparaturmöglichkeit verwiesen werden kann.
