Das Amtsgericht Düsseldorf, Az. 40 C 35/17, hat mit Urteil vom 08.06.2017 einem Geschädigten die Kosten des eigenen Gutachters zugesprochen und bei der Schadenberechnung den regional ermittelten Restwert zugrundegelegt.
Der Kläger hatte zunächst den Fehler begangen, der Versicherung zu glauben, die Vorlage eines Kostenvoranschlags sei ausreichend. Den Kostenvoranschlag nahm die Versicherung zum Anlass, die Ansprüche mit Hilfe eines Gutachters zu kürzen. Heraus kam ein Totalschaden, wobei der Restwert überregional mit einer Restwertbörse ermittelt wurde.
Daraufhin holte der Geschädigte ein seriöses Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen ein. Dieser bestätigte zwar mit unterschiedlichem Zahlenbild die Diagnose “Totalschaden”; er ermittelte aber einen regionalen, niedrigeren Restwert.
Die eintrittspflichtige Versicherung zahlte weder die Differenz zwischen den beiden Restwerten noch die Kosten des eigenen Gutachters. Sie unterlag in voller Höhe beim Amtsgericht.
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Verkündet am 29.06.2017
Amtsgericht Düsseldorf
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
Klägers,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Busch & Kollegen,
Schafhausener Str. 38, 52525 Heinsberg,
gegen
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 08.06.2017
durch die Richterin am Amtsgericht Junius
für Recht erkannt:
Das Versäumnisurteil vom 14.03.2017 wird aufrechterhalten.
Der Beklagten werden die weiteren Kosten des Rechtsstreits
auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem
Versäumnisurteil darf die Beklagte durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen.
Dieses Fahrzeug wurde durch den Versicherungsnehmer der
Beklagten am 13.10.2016 in Düsseldorf beschädigt. Die Haftung der
Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Kläger holte zunächst einen Kostenvoranschlag seiner Werkstatt für
die Reparatur ein. Diese errechnete einen Betrag in Höhe von 4.409,08 €
für die Reparatur.
Die Beklagte ließ ein Schadensgutachten erstellen, dass die
Reparaturkosten auf brutto 2.806,98 € bezifferte und den
Wiederbeschaffungswert steuerneutral auf 3.200,00 € sowie den Restwert
auf 890,00 €. Dieser Restwert beruhte auf einem im Portal „AUTOonline”
abgegebenen „verbindlichen Kaufangebot” von einem Händler aus
Süddeutschland.
Die Beklagte rechnete den Schaden mit Schreiben vom 15.11.2016 auf
Basis des Wiederbeschaffungswertes abzüglich Restwert ab (3.200,00 € –
890,00 €) und bezifferte den zu zahlenden Schaden auf 2.310,00 €.
Der Kläger beauftragte den Prozessbevollmächtigten mit der
Schadensabwicklung. Der Kläger holte dann ein eigenes Gutachten des
Sachverständigen s ein. Dieser bezifferte den
Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs ebenfalls mit 3.200,00 €, die
Reparaturkosten mit 2.980,58 € brutto und den Restwert mit 550,00 €. Für
das Gutachten berechnete der Sachverständige 599,05 €.
Mit Schreiben vom 13.12.2016 forderte der Prozessbevollmächtigte die
Beklagte zur Zahlung von des Wiederbeschaffungsaufwandes, der
Sachverständigenkosten und einer Schadenspauschale von 30,00 €,
insgesamt 3.279,05 € auf. In dem Schreiben wurden auch
außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von 413,64 € berechnet.
Nach vorgerichtlicher Zahlung von 2.310,00 €
Wiederbeschaffungsaufwand sowie 30,00 € Unkostenpauschale hat der
Kläger den Restbetrag von 939,05 € sowie die außergerichtlichen Kosten
mit der Klage geltend gemacht.
Das Gericht hat im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß am
14.03.2017 Versäumnisurteil erlassen, das der Beklagten am 16.03.2017
zugestellt worden ist. Hiergegen hat sie am 21.03.2017 Einspruch
eingelegt.
Der Kläger ist der Ansicht, es seien nur regionale Restwertangebote bei
der Berechnung des Wiederbeschaffungsaufwandes zu berücksichtigen.
Er sei zudem berechtigt gewesen, ein eigenes Gutachten zur
Schadenshöhe einzuholen.
Der Kläger beantragt nunmehr,
das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der zulässige Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 14.03.2017 hat
in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung eines
weiteren Schadensersatzes gern. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, 115 VVG
in Höhe der begehrten 939,05 €.
Zum einen kann der Kläger den Ersatz der aufgewendeten
Gutachterkosten von 599,05 € beanspruchen. Er war trotz des von der
Beklagten vorgelegten Gutachtens berechtigt, ein eigenes Gutachten
einzuholen. Nach ständiger Rechtsprechung darf der Geschädigte selbst
dann ein eigenes Gutachten einholen, wenn durch die gegnerische
Versicherung bereits ein Gutachten veranlasst wurde, denn er muss sich
nicht auf eine Schadensberechnung des Gegners verlassen. Es wird
insofern auf die zutreffenden Ausführungen des Klägervertreters im
Schriftsatz vom 19.04.2017 und die dort zitierte Rechtsprechung
verwiesen, der sich das erkennende Gericht anschließt.
Der Kläger hat auch Anspruch auf Ersatz des weiteren Schadens in Höhe
von 340,00 €, der sich aus dem im Gutachten Hagmanns bezifferten
höheren Restwert ergibt.
Der Sachverständige hat den Restwert von 550,00 € nach den Richtlinien
der Rechtsprechung (vergl. BGH Urt. v. 13.10.2009, VI ZR 318/08; BGH,
Urteil vom 27.9.2016 – VI ZR 673/15) auf dem regionalen Markt konkret
ermittelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte, der
ein Sachverständigengutachten einholt, das eine korrekte Wertermittlung
erkennen lässt, und im Vertrauen auf den darin genannten, auf dem
allgemeinen regionalen Markt ermittelten Restwert und die sich daraus
ergebende Schadensersatzleistung des Unfallgegners wirtschaftliche
Dispositionen trifft, seiner Schadensabrechnung grundsätzlich diesen
Restwertbetrag zu Grunde legen (BGH, Urt. v. 23. 11. 2010 – VI ZR 35/10
m.w.N.).
Die von der Beklagten übermittelten Restwertangebote waren zu dem
Zeitpunkt, als der Kläger berechtigterweise ein eigenes Gutachten einholte
bereits längst abgelaufen (nämlich am 21.11.2016) und deshalb nicht
mehr zu berücksichtigen (vergl. BGH, Urt. v. 23. 11. 2010 – VI ZR 35/10).
Der Kläger hat auch Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlich
angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 413,64 €. Die
Gebühren sind aus dem zutreffenden Gegenstandswert von 3.279,05 €
berechnet, da zum Zeitpunkt der Geltendmachung am 13.12.2016
unstreitig eine Zahlung der Beklagten noch nicht erfolgt war.
Die Nebenentscheidungen folgen aus§§ 91, 709 S. 2, 711 ZPO.
Streitwert: 939,05 €
Rechtsbehelfsbelehrung:
Junius
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