Das AG Viersen hat mit Urteil vom 06.09.2021, Az. 31 C 60/21, u.a. die Desinfektionskosten zugesprochen. Daneben hielt das Gericht bei Rechnungsvorlage auch die gekürzten Verbringungskosten für erstattungsfähig. Auch wenn das Gericht das Wort nicht ausdrücklich gebraucht, begründet es die Ansprüche des Klägers mit dem Werkstattrisiko.
Das Gericht führt außerdem aus, dass es einer vorherigen Zahlung der Werkstattungrechnung für die Anwendung des Prognoserisikos nicht bedarf.
Wetten, dass dieses Urteil nicht in der 200-Seiten-Standardklagerwiderung der Kölner Kollegen auftauchen wird?
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Den Volltext gibt es hier:
Amtsgericht Viersen
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
Klägers,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Jürgen Frese, Siemensstr. 12, 52525 Heinsberg,
gegen
Beklagten,
BLD, Theodor-Heuss-Ring 13-15, 50668 Köln,
Prozessbevollmächtigter,
hat das Amtsgericht Viersen
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 06.09.2021
durch den Richter am Amtsgericht Eckert
für Recht erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 195,05 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. April 2021 zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
Nach anteiliger Klagerücknahme ist in der Hauptsache nur noch über die Restforderung, insbesondere über Kosten von Desinfektion und Verbringung, zu entscheiden.
Die Hauptforderung steht dem Kläger gegen den Beklagte aus § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG auch insoweit als restlicher Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 19.1.2021 zu.
Der erforderliche Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erfasst sowohl die Desinfektionskosten als auch die· vollen Verbringungskosten gem. Gutachten/Rechnung.
Maßgeblich ist dabei jeweils der Aufwand, der vom Standpunkt eines verständigen,
wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung
des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheint; dabei ist auf die Erkenntnis- und
Einflussmöglichkeit des Geschädigten abzustellen. Beauftragt der Geschädigte
einen Sachverständigen zur Ermittlung der Schadenshöhe, kann er das Gutachten in
der Regel seiner Schadensberechnung zugrundelegen. Repariert er sein Fahrzeug,
kann er vom Rechnungsbetrag der beauftragten Werkstatt ausgehen. Eine konkrete
positionsbezogener Beauftragung ist dabei nicht erforderlich. Voraussetzung ist nur,
dass sich der geschlossene Werkvertrag auf die Behebung des Unfallschadens
bezieht. Es bedurfte danach auch keiner konkreter Vereinbarung über eine
Desinfektion des Fahrzeugs.
Eine vorprozessuale Begleichung der Rechnung ist nicht erforderlich. Solange dem
Geschädigten nicht ausnahmsweise ein Auswahlverschulden zur Last fällt, sind ihm
die Kosten zu erstatten, die er nach erfolgter Reparatur auf Grund der gestellten
Werkstattrechnung annehmen darf, unabhängig davon, ob diese bezahlt ist oder
nicht. Zu Markterforschung und Hinterfragung der von Gutachter und Werkstatt
getätigten Aussagen ist er regelmäßig nicht verpflichtet. Ein Auswahlverschulden trifft
den Kläger nicht.
Die Desinfektionskosten sind Teil des ersatzfähigen· Schadens, weil (wie allgemein
bekannt ist) eine Desinfektion von Oberflächen das Risiko, sich mit COVID-19 zu
infizieren vermindert. Das entspricht sowohl der Einschätzung des RKI zum Zeitpunkt
des Reparaturauftrags als auch zum jetzigen Zeitpunkt, dass COVID19-Viren längere
Zeit, je nach Oberfläche mehrere Stunden bis Tage, überlebensfähig sind. Auch
noch mit Stand September 2021 ist der Homepage des RKI zu entnehmen:
“Eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen ist insbesondere in der
unmittelbaren Umgebung der infektiösen Person nicht auszuschließen (27), daa
vermehrungsfähige .SARS-:CoV-2.-Viren unter Laborbedingungen auf Flächen einige
Zeit infektiös bleiben können (28, 29) (siehe unter Abschnitt 20 „Tenazität ~nd
Inaktivierung des Virus”).”
An dieser Einschätzung darf sich ein Unfallgeschädigter orientieren.
Die zugesprochenen Zinsen folgen aus § 291 BGB; aus § 288 BGB können
weitergehende Zinsen nicht zugesprochen werden. Denn der Beklagte wurde,
anders als die nicht verklagte Versicherung, nicht in Verzug gesetzt, § 425 Abs. 2
BGB.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Absatz 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 Satz: 3,
708 Nr. 11, 713 ZPO.
Soweit dabei infolge anteiliger Klagerücknahme gemäß § 269
Abs. 3 S. 3 ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden war, trifft den Beklagten die
Kostentragungspflicht. Denn er hätte yoraussichtlich auch insoweit verloren. Die
Norm ist anzuwenden, weil die Sache am 05.03.2021 ·anhängig geworden ist, die
Zahlung entweder auf den 9. März (so der Beklagte) oder auf den 10. März (so der
Kläger) fällt, jedenfalls aber auf einen Zeitpunkt· zwischen Anhängigkeit und
Rechtshängigkeit (1 2. April).
Der Streitwert wird auf 500,21 EUR festgesetzt.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Eckert