Mietpreisvorgabe der Versicherung ist unwirksam !

Die H-Versicherung aus C., bekannt für die teilweise abstrus zusammengestellten Formschreiben, in denen gerne auch mal 2 oder 3 BGH-Urteile durcheinandergewürfelt werden, versendet Schreiben an Geschädigte, in denen es z. B. heißt:

“Mietwagen

Die Kosten für Mietwagen sind nicht uneingeschränkt erstattungsfähig. Falls Sie einen Ersatzwagen benötigen, vergleichen Sie die Angebote verschiedener Mietwagenfirmen. Auf Wunsch können wir Ihnen bei der Reservierung eines Mietwagens behilflich sein. Die folgende Tabelle dient Ihnen als Orientierungshilfe, zu welchen Preisen (inkl. aller Nebenkosten) Mietwagen erhältlich sind:

Klasse / Fahrzeug z.B. / Tagespreis netto bis EUR / Nutzungsausfall in EUR

1 / Ford Ka 1.3 / 25 / 27

2 / Opel Corsa 1.0 / 28 / 29

3/ ….

4/ VW Golf 1.4 / 37 / 38

….”

Nimmt der Geschädigte nun ein Ersatzfahrzeug einer Mietwagenfirma in Anspruch ohne diese Tabelle “vorzulegen”, wird sein Ersatzanspruch gnadenlos auf den obigen Tagessatz gekürzt. Zynischerweise heißt es dann, dass man ja sooo gerne bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs behilflich gewesen wäre. Man habe als Geschädigter aber gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen bzw. die Erforderlichkeit der Anmietung zu einem anderen Tarif sei nicht gegeben.

Die Versicherung versucht so, die Mietwagenproblematik “von unten” in den Griff zu bekommen. Nachdem der BGH die sog. Schwacke-Liste als brauchbares Instrumentarium akzeptiert, wird nun auf anderem Wege versucht, die berechtigten Ansprüche zu kürzen. Denn die Auffassung der C.-Versicherung ist falsch. Eine ganze Reihe von Argumenten sprechen gegen eine “Pflicht” des Geschädigten, sich mit den Angaben der Versicherung auch nur auseinanderzusetzen. So stellen die vorgenannten Angaben der Versicherung kein annahmefähiges Angebot dar (so AG Bonn, 13 C 321/06  vom 12.06.2007). Man wird kein Mietwagenunternehmen finden, welches bereit ist, zu den obigen Preisen ein Ersatzfahrzeug nach einem Unfallschaden zur Verfügung zu stellen. Ein solch unkonkretes Schreiben entfalte für den Geschädigten jedenfalls dann keine rechtliche Wirkung, wenn er zu einem marktgerechten Preis in der Größenordnung der Schwacke-Mietpreisliste 2006 angemietet habe (AG Nürnberg, Urteil vom 17.10.2007, Az: 21 C 4837/07).

Ähnlich sieht dies das AG Kerpen in einem Urteil vom 08.04.2008, Az. 20 C 355/07: Der Geschädigte müsse zwar die Schadensminderungspflicht beachten, er müsse  aber gleichwohl nicht zu den “Dumping-Preisen” der Versicherung einen Vertrag abschließen. So sei der Geschädigte nach der sog. “Porsche-Entscheidung” ja auch nicht verpflichtet, die von der Versicherung vorgeschlagene Werkstatt zu akzeptieren, weil er der “Herr des Restitutionsgeschehens” sei. Die Argumentation mit dieser Entscheidung ist klasse ! Der Geschädigte genüge seinen Pflichten, wenn er zu den marktüblichen Konditionen anmiete.

Es gibt keine Pflicht des Geschädigten, sich bei der Mietwagenauswahl von der eintrittspflichtigen Versicherung die Hand führen zu lassen. Das hat das LG Nürnberg-Fürth deutlich klargestellt (Urteil vom 21.11.2007, Az: 8 S 7539/07). Die Kernaussagen des Urteils lauten: Geht ein Schreiben der Versicherung mit Hinweisen auf günstige Anmietmöglichkeiten erst nach Abschluss des Mietvertrages beim Geschädigten ein, ist es per se unbeachtlich. Enthält das Schreiben kein konkretes annahmefähiges Angebot, sondern nur einen allgemeinen Hinweis, ist es ebenfalls unbeachtlich. Es gibt keine Pflicht des Geschädigten, an den Versicherer heranzutreten um zu klären, ob es günstige Anmietmöglichkeiten gibt. Eine solche Verpflichtung ist dem Schadenrecht auch unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht fremd.

Sofern die Versicherung nicht die Möglichkeit zum konkreten Vertragsschluss nachweist, ist meines Ermessens auch die zur sog. Restwertproblematik ergangene Rechtsprechung des BGH (NJW 2000, 800) zu beachten. Der Vertragspartner muß mit Anschrift angegeben werden.

Im Rahmen des von der Versicherung betriebenen “aktiven Schadensmanagement” muß überprüft werden, ob wettbewerbsrechtliche oder Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes verletzt wurden. Das LG Karlsruhe (NZV 2005, 263 ff.) hat die Vermittlung von Mietwagenfirmen an Unfallgeschädigte durch eine Versicherung als unlauter bewertet (Verdrängungs- und Vernichtungswettbewerb). Die Tätigkeit der Versicherung im Rahmen des aktiven Schadenmanagements kann eine Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit im Sinne des § 1 RBerG darstellen (siehe hierzu: LG Mosbach 1 S 19/06, LG Nürnberg-Fürth 8 T 3441/06, AG Bonn 13 C 321/06).

Einige Versicherung versuchen im Rahmen des aktiven Schadensmanagements auch telefonisch mit dem Geschädigten Kontakt aufzunehmen. In diesem Fall muß überprüft werden, ob nicht gegen das Urteil des BGH (I ZR 88/05 vom 20.09.2007) über unverlangte Werbeanrufe verstoßen wurde. In aller Regel berufen sich die Versicherungen später darauf, dass bereits im ersten Telefonat Vorschläge zur Anmietung eines Ersatzfahrzeugs gemacht wurden….

Auch der Verweis auf Internetangebote sei nicht ausreichend, so das AG Forchheim (Urteil vom 03.04.2008, Az. 71 C 872/07). Die Internetangebote seien oft nicht generell verfügbar, sondern würden nur bestimmte Auslastungssituationen des Vermieters abbilden.

Für Unfallgeschädigte gilt daher ganz klar: Lassen Sie sich nicht “einwickeln”. So nett die Formulierungen und Hilfestellungen auch sein mögen, es werden allein die Interessen der Versicherung verfolgt – und nicht Ihre. Lassen Sie sich deshalb unabhängig durch einen Rechtsanwalt beraten.

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