Das Schadenmanagement hat inzwischen in alle Versicherungssparten Einzug gehalten. Das von mir erstrittene Urteil des AG Aachen vom 18.12.2008, Az. 117 C 111/08, im Rahmen einer Hausratversicherung gibt Anlaß zur kritischen Würdigung. “Passives” Schadensmanagement, weil man offensichtlich durch Ignorieren von Anfang an den VN mürbe machen wollte, “aktives” Schadensmanagement, weil man nach Erkennen der Leistungspflicht die Ansprüche des VN rechtswidrig kürzen wollte. “Aktiv” auch deswegen, weil man im Rechtsstreit durch vollumfängliches (bisweilen sinnloses und unsubstantiiertes) Bestreiten das “Mürbemachen” weiterverfolgt.
Zum Sachverhalt und den Urteilsgründen darf ich auf den untenstehenden Volltext sowie das Urteil als pdf-Datei verweisen. In der gebotenen Kürze: In das Wohnhaus des Klägers schlug der Blitz ein und beschädigte dort diverse Gegenstände (Telefon, DSL-Router, Waschmaschine, Trockner, Sicherungskasten). Der Kläger konnte seiner versicherungsrechtlichen Anzeigeobliegenheit nicht nachkommen, weil er mit seiner Meldung des Schadensdall überall auf taube Ohren stieß. Erst durch meine Einschaltung ließ sich die zuständige Versicherung dazu bewegen, einen “Gutachter” zu beauftragen. Bei diesem “Gutachter” handelt es sich um eine Firma, die wohl ähnlich wie die Fa. Control Expert nur auf Schadenskürzung und nicht seriöse Schadensermittlung aus ist. Besonders bezeichnend war, dass man einen Trockner, durch den erkennbar der Blitz gegangen war, als noch betriebssicher und reparaturfähig ansah. Die Ehefrau des Klägers war aber nicht davon zu überzeugen, das Gerät noch einmal in Betrieb zu nehmen. Völlig zu Recht. Der vom Gericht bestellte Gutachter stellte nämlich fest, dass von dem Gerät Lebens- und Brandgefahr ausging ! Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, eine bekannte versicherungsfreundliche Kanzlei aus dem Kölner Raum, hatte im Verfahren von A-Z alles bestritten, selbst Minimalbeträge. Man erdreistete sich sodann sogar, den gerichtlich bestellten Sachverständigen befragen zu lassen, obwohl die Beklagte nach Erhalt des Gutachtens besser ein Anerkenntnis erklärt hätte. Als dann die Frage an den Sachverständigen gerichtet wurde, ob man den Trockner nicht durch das Aufbringen einer Paste reparieren könnte (wie dies der von der Versicherung beauftragte “Gutachter” geschrieben hatte), war es vorbei mit der Geduld des Richters. Angesichts der klaren Aussage des gerichtlich bestellten Sachverständigen kündigte er ein deutliches Zeichen gegen das Verhalten der Versicherung an. Dieses deutliche Zeichen liegt mit dem Urteil vor.
Es kann jedem Geschädigten nur geraten werden, “nicht lange zu fackeln”, sondern direkt einen Rechtsanwalt einzuschalten und evtl. “sachverständige” Stellungnahmen nicht unkritisch zu übernehmen.
Verkündet am 18.12.2008
Amtsgericht Aachen
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
Klägers,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Busch & Kollegen, Schafhausener Str. 38, 52525 Heinsberg,
gegen
die G
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B L & D, Köln,
hat das Amtsgericht Aachen auf die mündliche Verhandlung vom 04.12.2008 durch den Richter am Amtsgericht Foerst für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, ?
1.
an den Kläger 1.013,92 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seitdem 10.04.2008 zu zahlen.
2.
ihn von Rechtsanwaltsvergütungsansprüchen seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 546,69 € freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte, bei der er eine kombinierte „Heim- und Hausversicherung” unterhält, auf Restzahlung nach einem Blitzschlagschaden in Anspruch. Es handelt sich um eine Neuwertversicherung, bei der der Kläger Anspruch auf Erstattung des Preises vergleichbarer Neugeräte hat, sofern eine Reparatur nicht möglich ist oder den Neupreis eines vergleichbaren Gerätes übersteigt.
Am 08.06.2007 schlug ein Blitz in das Wohnhaus des Klägers in der ein und beschädigte mehrere Haushaltsgegenstände. Noch am gleichen Tag setzte sich der Kläger mit der Generalagentur der Beklagten in Verbindung und bat auf dem Anrufbeantworter um Rückruf. Als dieser nicht erfolgte, wandte er sich am Folgetag an die Hotline der Beklagten, wo man ihn jedoch wieder an die Agentur verwies, wo ebenfalls nur der Anrufbeantworter lief.
Bei einer weiteren Kontaktaufnahme am 11.06.2007 erklärte Frau ^^^ der Kläger sei nicht der einzige, der ein Problem oder einen Blitzschaden habe und es werde auch „keiner rauskommen.” Der Kläger hatte kein Festnetztelefon und mangels funktionierender Heizung auch kein warmes Wasser. Überdies war seine Waschmaschine defekt.
Als er am folgenden Tag erneut von der Agentur abgewiesen wurde, schaltete er seine Prozessbevollmächtigten am 13.06.2007 ein, die die Beklagte mit Fax vom 13.06.2007 (Bi. 54-56 d. A.) über den Sachverhalt informierten und Frist bis zum 18.06.2007 setzten, um eine Schadensbegutachtung vorzunehmen. Nach fruchtlosem Fristablauf drohten sie mit Schreiben vom 22.06.2007 die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens an und nachdem eine auf den 25.06.2007 gesetzte Frist ebenfalls ergebnislos verstrichen war, konnte der Prozessbevollmächtigte am 26.06.2007 telefonisch Kontakt zu der Sachbearbeiterin aufnehmen, die zunächst meinte, sie wolle sich die Sache in Ruhe anschauen und dies könne ein paar Tage dauern, jedoch auf massiven Protest sodann die Einschaltung eines Sachverständigen veranlasste. Am 27.06.2007 kam der von der im Auftrag der Beklagten tätigen Firma beauftragte Privatsachverständige Wolfgang …. zu einer Besichtigung der Geräte, deren Ergebnis er in „Gutachten” genannten Kurzschreiben (BI. 56-63 d. A.) festhielt.
Auf die Gesamtansprüche des Klägers in Höhe von 5.338,54 € zahlte die Beklagte insgesamt 4.324,62 €, wobei sie zuerst fälschlich nur die Nettoschadensbeträge ausgekehrt hatte. Mit der Klage macht der Kläger den Restbetrag von 1.013,92 € geltend.
Er behauptet, die Neuanschaffung des unstreitig durch den Blitzeinschlag zerstörten DSL-Routers betrage 208,60 €, so dass unter Berücksichtigung der Teilzahlung von 189,99 € noch 18,61 € zur Zahlung offen stünden. Die Neuinstallation des Routers habe 159,90 € gekostet. Hinsichtlich der Steuerungselektronik stünde noch ein Betrag in Höhe von 27,58 € zu Zahlung offen. Die Waschmaschine sei irreparabel beschädigt worden, so dass noch ein Restbetrag von 210,20 € offen stehe. Auch der Trockner sei durch Blitzüberschlag beschädigt worden, so dass die Beklagte ein Neugerät für 619,– € zu erstatten habe.
Unter Berücksichtigung auf die Positionen Telefon und Sprechanlage überzahlter 3,82 € bzw. 17,55 € bestehe der vorgenannte Restanspruch.
Der Kläger beantragt, wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet der Wiederbeschaffungspreis des DSL-Routers betrage lediglich 159,66 € und bestreitet die Erforderlichkeit und die Höhe der Kosten der Neuinstallation des Routers. Die Waschmaschine sei zu reparieren und der Trockner habe keinen Schaden erlitten. Insoweit bestreitet sie mit Nichtwissen, dass der Blitz von der Waschmaschine auf den Trockner übergesprungen sei und behauptet, dies sei nicht möglich (Bl. 34 d. A.), obwohl ihr Sachverständiger einen Spannungsüberschlag am Wäschetrockner festgestellt hatte (Bl. 60 d. A.).
Beweiserhebung erfolgte durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 94 ff. d. A.), das der Sachverständige in der Sitzung vom 04.12.2008 (Bl. 126 ff. d. A.) erläutert hat.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten aufgrund des Versicherungsvertrages die Zahlung weiterer 1.013,92 € verlangen.
Hinsichtlich des DSL-Routers hat er durch Vorlage der Rechnung der Firma 1 & 1 (Bl. 10 d. A.) nachgewiesen, dass der Neupreis 208,60 € beträgt, so dass die Beklagte weitere 18,61 € zu zahlen hat.
Durch Vorlage des Kostenvoranschlages vom 06.06.2007 (Bl. 11 d. A.) hat er überdies nachgewiesen, dass die Neuinstallation 159,90 € kostet, wobei aufgrund der Notwendigkeit der Neukonfiguration, die einem Laien nicht ohne weiteres möglich ist, die entsprechenden Kosten auch als erforderlich anzusehen sind.
Durch Vorlage des Kostenvoranschlages der Firma J vom 12.06.2007 (Bl. 12. d. A.) ist ausreichend nachgewiesen, dass die Steuerungselektronik des Heizkessels in Höhe dieses Betrages repariert werden musste. Dabei kann die Beklagte nicht geltend machen, der Wiederbeschaffungswert betrage lediglich 1.050,14 € zuzüglich Mehrwertsteuer, also 1.250,02 €, denn allein die Benennung eines Vergleichsgerätes durch Herrn B ohne Bezugsadresse oder ähnliches ist nicht geeignet, einen entsprechenden Nachweis zu führen. Die Beklagte ist daher zur Zahlung weiterer 27,58 € verpflichtet.
Hinsichtlich der Waschmaschine hat Herr H selbst festgestellt, dass Leiterbahnen verdampft und der im Netzeingang befindliche Entstörkondensator defekt waren. Dies steht nach den Angaben des Sachverständigen in der Sitzung vom 04.12.2008 in Einklang mit den Feststellungen der Firma Elektro (Bl. 13 d. A.), wonach die gesamte elektrische Anlage der Waschmaschine durch den Blitzeinschlag zerstört worden war. Wieso trotzdem eine Reparatur für 520,- € zuzüglich Mehrwertsteuer möglich sein soll, wird von der Beklagten nicht ansatzweise dargetan und ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen Hahn nicht nachvollziehbar, so dass die Beklagte auf den durch Rechnung (Bl. 14 d. A.) nachgewiesenen Neupreis von 829,-€ weitere 210,20 € zu zahlen hat.
Hinsichtlich des Trockners hatte bereits Herr einen Spannungsüberschlag seitens der daneben stehenden Waschmaschine festgestellt, der an der rechten Innenseite des Gerätes zu drei Metallabsplitterungen mit Schmauchspuren geführt hatte, so das der Vortrag der Beklagten, ein Spannungsüberschlag sei nicht möglich, wegen Widersprüchlichkeit unbeachtlich ist. Vielmehr ist ebenfalls von einem Blitzschlagschaden auszugehen, durch den nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen der gemessene Isolationswiderstand am Trockner erheblich herabgesetzt und wahrscheinlich auch der Schutzleiterwiderstand erheblich erhöht wurde, so dass ein Personen- und Brandschaden bei einem weiteren Betrieb des Trockners nicht ausgeschlossen werden kann.
Die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen werden nicht dadurch entwertet, dass Herr bei einer VDE-Prüfung am 27.06.2007 nur innerhalb der Norm liegende Messwerte protokolliert haben will (Bl. 60 d. A.). Zunächst ist festzustellen, dass diese angeblich protokollierten Messwerte nicht vorgelegt wurden. Angesichts der eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen der eine nachträgliche Manipulation ausschloss und keinerlei Anhaltspunkte dafür finden konnte, ist vielmehr davon auszugehen, dass Herr die Messung fehlerhaft vorgenommen hat und es der Vorsicht des Klägers und seiner Ehefrau zu verdanken ist, dass es nicht zu einem lebensgefährlichen Stromschlag oder einem Gerätebrand gekommen ist. Die Beklagte hat daher auch den vom Kläger geltend gemachten und durch Rechnung (Bl. 14 d. A.) nachgewiesenen Neupreis für den Trockner von 619,- € zu erstatten, der noch unter des von dem „Sachverständigen” ermittelten Wiederbeschaffungswertes von 713,44 € zuzüglich Mehrwertsteuer, d. h. insgesamt 848,99 € liegt.
Soweit die Beklagte den Wiederbeschaffungspreis der Türsprechanlage bestritten hat, ist dies schon unerheblich, weil sie diese Position in voller Höhe erstattet hat. Gleiches gilt hinsichtlich der Reparaturkosten des Sicherungskastens, die ebenfalls in vollem Umfang bezahlt worden sind.
Der Kläger kann überdies die Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 546,69 € aus § 286 Abs. 1 BGB verlangen. Die Beklagte hat den vom Kläger detailliert geschilderten zögerlichen Regulierungsablauf nicht bestritten. Da zentrale Geräte wie das Telefon und die Heizung sowie Waschmaschine und Trockner ausgefallen waren, wäre die Beklagte gehalten gewesen, kurzfristig eine Begutachtung vor Ort vorzunehmen. Dies hat sie jedoch erst nach Einschaltung der Prozessbevollmächtigten und mehrfach schriftlichen Fristsetzungen mit Schreiben vom 13.06. und 22.06.2007 getan, wobei sie aufgrund der Fristsetzung in dem erstgenannten Schreiben spätestens am 18.06.2007 in Verzug geraten war. Der Kläger durfte auch einen Rechtsanwalt einschalten, weil er anderenfalls aufgrund des Verhaltens der Beklagten befürchten musste, dass sich die Begutachtung und damit auch die Schadensregulierung noch weiter herauszögern würde. Dabei ist die geltend gemachte 1,3-Gebühr bei einem zunächst geltend gemachten Gesamtanspruch von 5.338,54 € nicht zu beanstanden, wobei die Beklagte insoweit gemäß § 257 BGB die Freistellung des Klägers von den Gebührenansprüchen schuldet.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 1.013,92 €
Foerst