Probefahrt ist zu bezahlen

Die Kosten einer Probefahrt nach Durchführung der Reparatur sind von der Haftpflichtversicherung zu erstatten. So hat das AG Tettnang mit Urteil vom 10.02.2016, Az. 8 C 388/15, entschieden. Das Gericht hat sich dabei nicht auf eine Prüfung der Notwendigkeit einer Probefahrt in technischer Hinsicht eingelassen. So versuchen ja die Kürzungsrasenmäher á la Carexpert den Ansatz anzugreifen. Im entschiedenen Fall wurde eine konkrete Abrechnung durch Vorlage der Reparaturkostenrechnung durchgeführt. Selbst wenn die Kosten nicht notwendig oder ungerechtfertigt seien, müssen sie erstattet werden. Lediglich Fälle von vorsätzlicher Schädigung nimmt das Amtsgericht heraus. Das entsprechende Risiko träfe den Schädiger und nicht den Geschädigten. Das ist genau die richtige schadenrechtliche Beurteilung.

Vielen Dank an RA Otting (rechtundraeder), dass ich meinem Hobby frönen durfte.

 

Hier das Urteil (Download hier):

 

Aktenzeichen: 8 C 388/15
Beglaubigte Abschrift

Amtsgericht Tettnang

Im Namen des Volkes

Urteil
In dem Rechtsstreit

– Kläger –
Prozessbevollmächtigter:

gegen

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

wegen Schadensersatzes

hat das Amtsgericht Tettnang durch den Richter am Amtsgericht Zoll am 10.02.2016 auf Grund des Sachstands vom 09.02.2016 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 44,59 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Pro-zentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.12.2014 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 44,59 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des weiteren Schadens in Höhe von 44,59 € aus §§7Abs. 1, 17 StVG, 249 ff BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten der Firma Autohaus laut Rechnung vom 19.11.2014 in Höhe von brutto 4.291,22 € zu:
Eine eventuelle Fehlbeurteilung der Erforderlichkeit der Reparaturposition „Probefahrt durchführen“ durch den Sachverständigen bzw. der Fachwerkstatt I geht nicht zulasten des Klägers.
Wenn der Geschädigte die Schadensbehebung selbst in die Hand nimmt, ist der zur Wiederherstellung erforderliche Aufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nach der besonderen Situation zu bemessen, in welcher sich der Geschädigte befindet. Der erforderliche Herstellungsaufwand wird daher nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so auch durch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss (vgl. BGH, VersR 1975, 184, 185).
Dieses Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet dem Geschädigten mithin, den Schaden auf diejenige Weise zu beheben, die sich in seiner individuellen Lage, d. h. angesichts seiner Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie unter Berücksichtigung etwaiger gerade für ihn bestehender Schwierigkeiten, als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt, um sein Vermögen in Bezug auf den beschädigten Bestandteil in einen dem früheren gleichwertigen Zustand zu versetzen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung; BGH, Urteil vom 15.10.2013, VI ZR 471/12, Rdnr. 20 – nach juris zitiert). Die Restitution ist dabei nicht auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache beschränkt; der Geschädigte muss nicht zugunsten des Schädigers sparen (BGH, Urteil vom 15.10.2013, VI ZR 528/12, Rdnr. 18 – nach juris zitiert).
Den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung sind insofern regelmäßig Grenzen gesetzt, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und -wie geschehen – das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Das Werkstattrisiko geht insofern zulasten des Schädigers.
Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind. Es besteht kein Grund dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen.
Zu berücksichtigen ist, dass der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis die Schadensbeseitigung für den Schädiger durchführen lässt. Hätte der Geschädigte, wie es § 249 Abs. 1 BGB vorsieht, die Schadensbeseitigung dem Schädiger überlassen, hätte dieser sich ebenfalls mit dem Verhalten der Werkstatt auseinandersetzen müssen. Dem Schädiger entsteht dadurch auch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen und die Werkstatt verlangen kann.
Anders mag es sich zwar verhalten, wenn der Geschädigte unredlich handelt und z.B. Vorschä-
den bewusst verschweigt oder die fehlende Unfallbedingtheit feststeht. Das steht hier aber nicht in Rede und wird von Beklagtenseite auch nicht vorgetragen. Auch hat der Kläger ein anerkanntes Sachverständigenbüro sowie eine Fachwerkstatt mit der Beurteilung des Schadens bzw. der Reparatur betraut und verfügte insofern übereine verlässliche Grundlage für die Erteilung des Reparaturauftrags.
Entsprechend den obigen Ausführungen steht dem Kläger daher ein Anspruch auf Zahlung der angefallenen Kosten der Probefahrt in Höhe von brutto 44,59 € zu.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:[…]

Zoll
Richter am Amtsgericht

 

(C) Vorschaubild: RainerSturm/pixelio.de

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