LG Aachen zur Regulierungsfrist bei der HUK

Die von mir erwirkte Entscheidung des Landgerichts Aachen (vom 13.7.2022, Az. 2 T 3/22) wird dem ständigen Vertreter der HUK Coburg im hiesigen Gerichtssprengel nicht gefallen. Bei der genannten Versicherung ist seit ungefähr einem Jahr festzustellen, dass Vorgänge nur äußerst schleppend bearbeitet werden. Selbst mehrere Schreiben können diese Versicherung dann nicht dazu zu bewegen, sich überhaupt zu melden oder – was entscheidend ist – die Ansprüche zu bezahlen. Es ist derzeit geradezu nervig und äußerst zeitaufwendig, die häufig selbstverständliche Forderungen mit einer Klage durchzusetzen, damit noch einigermaßen zeitnah das Geld beim Geschädigten ist.

Aus diesem Grunde habe ich mir angewöhnt, nach 4 Wochen die Klage zu erheben, wenn sich die HUK bis dahin nicht einmal gemeldet hat. Ein Richter am Amtsgericht Heinsberg meinte, dass man ja noch einmal nachfragen müsse. Offensichtlich hat er noch nie versucht, die Beklagte zu erreichen. Entweder endlose Warteschleife oder direkt die Ansage, dass die Mitarbeiter überlastet seien und man ja eine E-Mail schreiben könne. Wenn ich dem Verlangen des Richters nachgehen würde, würde ich wahrscheinlich von 8:00 bis 17:30 Uhr nur telefonieren und in den Warteschleifen von Versicherungen hängen. Bei anderen Versicherungen ist es vergleichbar.

Mit der erstinstanzlichen, für ihn günstigen Entscheidung warder Beklagtenvertreter der HUK bei diversen Amtsgerichten hausieren gegangen. Die Entscheidung der Berufungskammer wird nunmehr für die nötige Klarheit in vergleichbaren Rechtsstreitigkeiten sorgen.

Die Entscheidung steht unten im Volltext und kann hier heruntergeladen werden.


I.
2 T 3/22
19 C 245/21
Amtsgericht Heinsberg
Landgericht Aachen
Beschluss
In dem Beschwerdeverfahren
Klägers und Beschwerdeführers,
Prozessbevollmächtigter: Herr Rechtsanwalt Jürgen Frese,
Siemensstraße 12, 52525 Heinsberg,
gegen
Huk-Coburg Allgemeine Verischerung AG, vertr. d. d. Vorstand, Callenberger Str. 29,
96413 Coburg,
Beklagte und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Breidenich & Poschen,
Oppenhoffallee 90, 52066 Aachen,
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Aachen
am 13.07.2022
durch die Richterin am Landgericht Dr. Kleinbrahm als Einzelrichterin
beschlossen :
Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts
Heinsberg vom 06.12.2021 aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt
nachdem die Klage zurückgenommen worden ist (§ 269 Abs. 3 S. 2
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ZPO).
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
G r ü n d e
I.
Der Kläger hat die Beklagte als Haftpflichtversicherung des unfallgegnerischen
Fahrzeugs außergerichtlich auf Erstattung der ihm anlässlich eines Verkehrsunfalls
vom 24.09.2021 in Heinsberg entstandenen Schäden in Anspruch genommen,
namentlich den Wiederbeschaffungsaufwand für sein Fahrzeug,
Sachverständigenkosten und Unfallpauschale sowie außergerichtlich entstandene
Rechtsanwaltskosten. Die Einstandspflicht der Beklagten für das Unfallereignis steht
und stand zwischen den Beklagten ebenso wenig in Streit wie die
Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Schäden der Höhe nach.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.09.2021 bezifferte der Kläger gegenüber der
Beklagten erstmals seine vorgenannten Schäden und setzte eine Regulierungsfrist
auf den 08.10.2021. Mit weiterem anwaltlichen Schreiben vom 13.10.2021 mahnte er
erneut die Regulierung der Schäden an und setzte unter Klageandrohung eine
Nachfrist zur vollständigen Zahlung bis zum 20.10.2021.
Auf beide Schreiben des Klägers reagierte die Beklagte nicht. Bereits unter dem
22.09.2021 wurde ein Schreiben der Beklagten gerichtet an ” “
verfasst, aus dem sich eine Haftungsübernahme dem Grunde für die unfallbedingten
Schäden ergibt.
Am 22.10.2021 hat der Kläger bei dem Amtsgericht Heinsberg Klage gegen die
Beklagte eingereicht. Mit Regulierungsschreiben vom 23.10.2021 hat die Beklagte
die vollständige Regulierung der geltend gemachten Schadenspositionen
angekündigt. Am 27.10.2021 ist das Geld bei dem klägerischen
Prozessbevollmächtigten eingegangen.
Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27.10.2021 die Klage – noch vor
Klagezustellung – zurückgenommen und beantragt, der Beklagten die Kosten des
Rechtsstreits aufzuerlegen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18.11.2021 –
nachdem ihr die Klageschrift zu Informationszwecken zugegangen ist – beantragt,
dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Das Amtsgericht hat durch Kostenbeschluss vom 06.12.2021 dem Kläger die Kosten
auferlegt und zur Begründung angeführt, dass dieser eine unangemessen kurze
Regulierungsfrist gesetzt habe , weshalb sich die Beklagte nicht in Verzug mit der
Regulierung befunden habe. Angesichts dessen sei eine unmittelbare
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Klageerhebung jedenfalls dann nicht veranlasst, wenn zuvor keine Rückfrage beim
Versicherer erfolge, ob eine Regulierung abgelehnt werde.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers mit der er eine
Umkehrung des Kostentenors zu seinen Gunsten begehrt.
II.
Die gemäß §§ 269 Abs. 5, 567 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht
eingelegte, sofortige Beschwerde ist begründet und führt zur Abänderung der
angefochtenen Entscheidung.
Denn das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss nach erfolgter
Klagerücknahme gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO zu Unrecht dem Kläger die Kosten
des Rechtsstreits auferlegt.
Der von dem Amtsgericht sinngemäß herangezogene Rechtsgedanke des § 93 ZPO
greift vorliegend nicht durch.
Es gilt der Grundsatz: zur Erhebung der Klage hat der Beklagte Veranlassung
gegeben, wenn er sich – ohne Rücksicht auf Verschulden – vorprozessual so
verhalten hat, dass der Kläger annehmen musste, ohne Anrufung des Gerichts sein
Ziel nicht erreichen zu können. Bei fälligen Forderungen genügt dafür in der Regel,
dass der Beklagte vor dem Prozess in Verzug geraten ist. Aber auch ohne Verzug
kann der Anlass gegeben sein, insbesondere durch vorprozessuales Bestreiten des
Anspruchs. Ebenso, wenn der Haftpflichtversicherer nach einem Verkehrsunfall auf
mehrere Anwaltsschreiben des Unfallgegners gar nicht reagiert
(Musielak/Voit/Flockenhaus, 19. Aufl. 2022, ZPO § 93 Rn. 2).
Dies vorausgeschickt, hat die Beklagte durch die jeweils unterbliebene Reaktion auf
die anwaltlichen Schreiben vom 24.09.2021 und 13.10.2021 Anlass zur
Klageerhebung gegeben.
Der Beklagten ist zuzugeben, dass die von dem Kläger (ursprünglich) gesetzte
Regulierungsfrist von exakt zwei Wochen ungeachtet der hier zweifellos vorliegenden
einfachen Sachlage (geltend gemachten wurden nur der
Wiederbeschaffungsaufwand, Gutachter- und Rechtsanwaltskosten sowie die
Unkostenpauschale) grenzwertig kurz erscheint. Wenngleich in der Rechtsprechung
der Instanzgericht Einigkeit besteht, dass sich die Prüfungsfrist nach den Umständen
des Einzelfalles richten muss, werden in einfach gelagerten Fällen von den Gerichten
vielfach Prüfungsfristen zwischen zwei und drei Wochen (vgl. LG Ellwangen
Versicherungsrecht 1981, 564, LG Mönchengladbach, Beschluss vom 15.01.2008, 5
T 5/08 – zitiert nach juris) teilweise aber auch von vier bis sechs Wochen (OLG Köln,
Beschluss vom 31.01.2012 – NJW-RR 2012, 861 – beck-online; OLG Koblenz,
Beschluss vom 20.04.2011 – 12 W 195/11) angenommen.
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Letztlich kann die Entscheidung, ob die vom Kläger gesetzte Frist angesichts des
vergleichsweise übersichtlichen Prüfungsumfangs für die Beklagte bei klarer
Haftungslage und einer geringen Anzahl von Schadenspostionen noch als
ausreichend bewertet werden kann. Denn selbst wenn dies nicht der Fall gewesen
ist, hat die Beklagte jedenfalls deshalb gleichwohl Anlass zur Klageerhebung
gegeben, weil sie auf die beiden außergerichtlichen Schreiben des klägerischen
Prozessbevollmächtigten nicht, auch nicht etwa durch eine Zwischennachricht,
reagiert hat. Dies gilt einmal mehr vor dem Hintergrund,. dass der Kläger in seinem
Schreiben vom 13.10.2021 eine Klageerhebung nach Fristablauf – wie letztlich
geschehen – unmittelbar angekündigt hatte.
Die Regulierung von Schadensersatzansprüchen nach Verkehrsunfällen ist für
Haftpflichtversicherungen ein Massengeschäft. Es ist in der Praxis üblich, dass
Haftpflichtversicherer ihren Betrieb so organisiert haben, dass die zuständigen
Sachbearbeiter zeitnah auf die Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen reagieren
können, und zeitnah die notwendigen Klärungen (Anforderung ergänzender Belege
etc.) herbeiführen. Es ist aus der Sicht des Geschädigten zu erwarten, dass ein
Haftpflichtversicherer auf ein erstes Anspruchsschreiben innerhalb weniger Tage,
jedenfalls binnen 10 Tagen, reagieren kann und tatsächlich reagiert. Das bedeutet
zwar für viele Fälle noch nicht, dass damit auch bereits eine vollständige Regulierung
erfolgt. Es ist jedoch – mindestens – zu erwarten, dass ein Geschädigter aus einem
kurzfristigen Antwortschreiben des Versicherers erkennen kann, wie und
gegebenenfalls mit welchem Ermittlungs- und Zeitbedarf die weitere Bearbeitung des
Haftpflichtfalles beim Versicherer erfolgt (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.09.2019, Az.
9 W 37/19).
Diese Ausführungen überzeugen. In der Praxis sind solche – automatisiert erstellten –
Antwortschreiben üblich und stellen für die Haftpflichtversicherer einen
vergleichsweise geringen Aufwand dar. Dass die Beklagte unter dem 22.09.2021
etwa ein automatisiertes Schreiben unter Abgabe einer
Haftungsübernahmeerklärung dem Grunde nach verfasst hat, wenn auch gerichtet
an eine an der hiesigen Schadensabwicklung nicht teilnehmende Person, zeigt im
Übrigen, dass ihr eine kurzfristige Reaktion durchaus möglich und auch zumutbar
war. Demgegenüber vermag die Beklagte im Streitfall aus diesem Schreiben auch
deshalb nichts für sie Günstiges herzuleiten, weil es sich bereits aufgrund des
Verfassungszeitpunkts ersichtlich nicht um eine Reaktion auf das klägerische konkret
bezifferte Aufforderungsschreiben vom 24.09.2021 handeln konnte.
Demgegenüber ist es dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls nicht zuzumuten,
seinerseits ungeachtet zweier unbeachtet gebliebener anwaltlicher
Aufforderungsschreiben bei der gegnerischen Versicherung noch weitere
Nachforschungen anzustellen, ob und innerhalb welcher Frist denn nun doch mit
einer Regulierung gerechnet werden könne. Vielmehr ist es das Risiko der
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Haftpflichtversicherung, die auf zwei Anwaltsschreiben nicht reagiert, dass der Kläger
entsprechend seiner Ankündigung unmittelbar nach Fristablauf ohne weiteres Klage
erhebt.
Auf das tatsächliche Regulierungsschreiben der Beklagten vom 23.10.2021 kommt
es hier schon deshalb nicht mehr an, weil es den Kläger unstreitig – ebenso wie die
tatsächliche Zahlung – erst nach Ablauf der gesetzten Nachfrist und Einreichung der
Klage erreicht hat.
II.
Die Kostenentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Der Beschwerdewert wird auf bis 1.500,00 € festgesetzt.
Aachen, 13.07.2022

  1. Zivilkammer
    Dr. Kleinbrahm