LG Aachen: Vorlage der Reparaturrechnung ausreichend – keine Nachbesichtigung

Keine Nachbesichtigung bei Rechnungsvorlage – ein Stück aus dem Tollhaus, das erst das LG Aachen (Beschluss vom 23.08.2017, Az. 2 T 173/17 unter Aufhebung der Entscheidung des AG Heinsberg, Beschluss vom 06.07.2017, Az. 19 C 371/16) beendete.

Der Kläger ließ sein Fahrzeug nach Einholung eines Sachverständigengutachtens durch eine Fachwerkstatt gegen Rechnungsvorlage reparieren. Die Reparatur erfolgte augenscheinlich entsprechend dem Sachverständigengutachten. Da die Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert lagen, bestritt die beklagte Versicherung eine ordnungsgemäße Reparatur. Eine Nachbesichtigung durch die Versicherung wurde vom Kläger außergerichtlich abgelehnt. Nach Bestätigung der Reparatur durch einen gerichtlichen Sachverständigen zahlte die beklagte Versicherung die restlichen Reparaturkosten, meinte aber nicht die Kosten des gerichtlichen Verfahrens tragen zu müssen.

Das Amtsgericht Heinsberg gab der Versicherung zunächst noch Recht. Der Kläger habe die Nachbesichtigung vereitelt. Das Landgericht Aachen hat die Kosten dann – zutreffend – der beklagten Versicherung auferlegt. Denn es bestand keinerlei Grund, die Reparaturkostenrechnung anzuzweifeln (die im übrigen von einer Werkstatt stammte, auf die Versicherungen gerne mal wegen der Stundensätze verweisen….).

Das Landgericht musste daher eine nach meinem Ermessen Selbstverständlichkeit entscheiden: Der Unfallgeschädigte muss nach ordnungsgemäßer Reparatur entsprechend dem Sachverständigengutachten und Nachweis mit Reparaturrechnung keine Nachbesichtigung dulden.

 


Die Entscheidung kann hier heruntergeladen werden.


Hier die Entscheidung im Volltext:

 

2 T 173/17

19 C 371/16
Amtsgericht Heinsberg

Landgericht Aachen

Beschluss

In dem Beschwerdeverfahren

,

Klägers und Beschwerdeführers,

PBV: Rechtsanwälte Busch & Kollegen, Schafhausener Straße 38, 52525 Heinsberg,

gegen

R +V Allgemeine Versicherungs AG, vertreten durch den Vorstand, d.vertr.d.d.
Vorsitzenden Dr. Norbert Rollinger, Voltastraße 84, 60486 Frankfurt,

Prozessbevollmächtigte:

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

PBV: Rechtsanwälte Dr. Sina und Partner, Aachener und Münchener Allee 1, 52066 Aachen,

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Aachen

am 23.08.2017

durch die Richterin Tönshoff als Einzelrichterin

beschlossen :

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 10.07.2017 wird der Beschluss des Amtsgerichts Heinsberg vom 06.07.2017 – 19 C 371/16 – teilweise abgeändert und
wie folgt neu gefasst: Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Gründe

I.

Der Kläger machte gegen die Beklagte restliche Schadenersatzansprüche aus einem
Verkehrsunfall vom 12.08.2016 geltend. Die volle Haftung der Beklagten dem
Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

Nach dem Unfall ließ der Kläger ein Gutachten des Sachverständigen
einholen. Dieser ermittelte Brutto-Reparaturkosten in Höhe von 5.910,43 € und einen
Wiederbeschaffungswert von 4.725,00 €. Der Kläger ließ das Fahrzeug anschließend
durch die Firma zu einem Betrag von 5.454,45 € brutto reparieren
und machte diesen Betrag gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte zahlte
darauf vorgerichtlich einen Betrag von 4.725,00 €. Sie verlangte von dem Kläger die
Nachbesichtigung des Fahrzeugs, um die vollständige sach- und fachgerechte
Reparatur des Fahrzeugs zu überprüfen. Dies lehnte der Kläger ab.
Den noch offenen Betrag in Höhe von 729,45 €machte der Kläger mit seiner Klage
geltend. Das Amtsgericht erhob zu der Frage der sach- und fachgerechten Reparatur
des Fahrzeugs Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Das
Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Reparatur sach- und fachgerecht
durchgeführt wurde. Daraufhin zahlte die Beklagte den_ geltend gemachten
Klagebetrag an den Kläger, woraufhin die Parteien den Rechtsstreit
übereinstimmend für erledigt erklärten.

Mit Beschluss vom 06.07.2017 hat das Amtsgericht die Kosten des Rechtsstreits
dem Kläger auferlegt. Nach dem Rechtsgedanken von § 93 ZPO habe die Beklagte
keine Veranlassung zur Klage gegeben. Der Zahlungsanspruch des Klägers sei nicht
fällig gewesen, da die Beklagte ein Recht zur Nachbesichtigung gehabt habe.
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt. Das
Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem
Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1.
Die nach § 91 a Abs. 2 ZPO statthafte und auch ansonsten formell unbedenkliche
sofortige Beschwerde des Klägers ist in der Sache erfolgreich. Denn die Kosten des
Rechtsstreits waren bei der in Anwendung von § 91 a ZPO zu treffenden
Ermessensentscheidung der Beklagten aufzuerlegen, die während des laufenden·
Verfahrens den rechtshängigen Anspruch erfüllt hat.

Bei der im Rahmen von § 91 a ZPO zu treffenden Billigkeitsentscheidung sind
derjenigen Partei die Kosten aufzuerlegen, die sie auch nach den allgemeinen
kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO zu tragen hätte. Dies ist vorliegend die
Beklagte, da die Klage zulässig und begründet war und der streitgegenständliche
Anspruch erst während des laufenden Verfahrens erfüllt – und damit dessen
Rechtshängigkeit beendet – wurde. Dies rechtfertigt grundsätzlich die Kostentragung
auf Beklagtenseite, wenn nicht ausnahmsweise eine hiervon abweichende
Kostenentscheidung, insbesondere unter Berücksichtigung der Grundsätze aus § 93
ZPO, geboten ist (statt vieler Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, §
91 a Rn. 23).

Eine hiervon abweichend auf die Vorgaben aus § 93 ZPO gestützte
Kostenentscheidung zu Gunsten der Beklagten kommt jedoch nicht infrage. Denn die
Beklagte hat im Vorfeld dem Kläger Veranlassung zur Klage gegeben. Der Kläger
war nicht verpflichtet, de.r Beklagten das Fahrzeug für eine Nachbesichtigung zur
Verfügung zu stellen. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 119 ·
Abs. 3 VVG.

Zwar hat die Beklagte nach dieser Vorschrift das Recht, vom Kläger Auskunft zu
verlangen, soweit dies zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des
Schadens erforderlich ist. Der Kläger ist seinen sich daraus gegenüber der Beklagten
ergebenden Verpflichtungen durch Zurverfügungstellung des Gutachtens und der
Reparaturkostenrechnung jedoch in hinreichendem Maße nachgekommen. Ein
pauschales Recht auf Nachbesichtigung steht der Beklagten nicht zur Verfügung
(vgl. LG Berlin, Urteil vom 13.07.2011 – 42 0 22/10). Ein solches lässt sich schon
dem gesetzlichen Wortlaut nicht entnehmen. § 119 Abs. 3 S. 2 VVG regelt die
Vorlage von Belegen, nicht etwa die Vorstellung des Fahrzeugs zu einer
Besichtigung. Es gilt der Grundsatz, dass der Geschädigte seinen Schaden auf der
Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens bzw. der in Auftrag gegebenen
Reparatur abrechnen darf.

Etwas anderes kann sich allenfalls dann ergeben, wenn sich aus den übermittelten
Unterlagen Anhaltspunkte für eine nicht sach- und fachgerechte Reparatur oder
sonstige begründete Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Rechnung ergeben .
(vgl. BGH, Urteil vom 11.10.1983 – VI ZR 251/81; LG Pots.d am, Urteil vom
03.03.2015 – 11 0 166/14). Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus der
angeführten BGH-Entscheidung. Denn auch in dem dort zugrunde liegenden Fall
bestanden begründete Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen.
Dies war hier jedoch gerade nicht der Fall. Die Beklagte hat von dem Kläger
pauschal die Nachbesichtigung des Fahrzeugs verlangt, um die sach- und
fachgerechte Reparatur zu überprüfen. Etwaige Anhaltspunkte für einen Verdacht,
dass der Kläger sein Fahrzeug nicht sach- und fachgerecht hat reparieren lassen, hat
die Beklagte nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere hat sie
keine Differenzen zwischen dem erstellten Gutachten und der
Reparaturkostenrechnung aufgeführt. Allein der pauschale Einwand der Abweichung
von dem im Gutachten ausgewiesenen Betrag, genügt diesen Anforderungen nicht.
Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass sie diesen Einwand .erst im Prozess
erhoben · hat. Voraussetzung für eine berechtigte Geltendmachung einer
Nachbesichtigung ist jedoch nicht nur die pauschale Geltendmachung gegenüber
dem Geschädigten, sondern auch eine Begründung, auf welche Verdachtsmomente
diese gestützt wird.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Beklagten vorgelegten
Entscheidungen des Amtsgerichts Aachen vom 08.03.2016 (113 C 189/15) und des
Landgerichts Aachen vom 15.06.2016 (2 T 108/16). Denn im dort zur Entscheidung stehenden Fall ging es um die Vorlage von Lichtbildern des geschädigten Fahrzeugs
und nicht um eine Nachbesichtigung. Lichtbilder standen der Beklagten bereits durch
das vom Kläger eingeholte Gutachten zur Verfügung.

III.

Die Kosten des für den Kläger erfolgreichen Beschwerdeverfahrens waren nach§ 91
Abs. 1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen.

Beschwerdewert: bis 600 €

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