Der BGH hat in der Vergangenheit mehrere Entscheidungen zum Themenkomplex Totalschaden und Abrechnung veröffentlicht. Die Entscheidung vom 23.05.2006, Az. VI ZR 192/05, hat zu einem weiteren Streit Anlaß gegeben, über den hier (und hier, hier und hier) berichtet wurde: Muß der Geschädigte in dem Fall, wenn die Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungsaufwand liegen, neben der sach- und fachgerechten Reparatur seines Fahrzeugs dieses auch über einen Zeitraum von 6 Monaten behalten ? Der BGH hat dies mit Entscheidung vom 27.11.2007, Az. VI ZR 56/07, bestätigt.
Allerdings muß man den der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt kennen: Der Geschädigte erlitt im März einen Verkehrsunfall. Die Nettoreparaturkosten lagen über dem Wiederbeschaffungsaufwand. Das KFZ wurde in Eigenregie instandgesetzt und “vom Sachverständigen bestätigt” (leider wird nicht mitgeteilt, ob der Sachverständige die sach- und fachgerechte Reparatur analog Gutachten bestätigt hat; das Gericht ist revisionsrechtlich hiervon ausgegangen). Im April hatten sich Kaufinteressenten schon zum Kauf des Fahrzeugs entschlossen (wieso wurde das unstreitig ?!); es wurde schließlich im Juni verkauft.
Der BGH orakelt in seiner Entscheidung:
“Die Frage, wie lange ein Geschädigter sein Fahrzeug weiterbenutzen muss, um sein Integritätsinteresse hinreichend zum Ausdruck zu bringen, ist für Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht anders zu beurteilen. Im Regelfall wird hierfür gleichfalls ein Zeitraum von sechs Monaten anzunehmen sein, wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen.”
Insbesondere mit dem letzten Halbsatz hat sich der BGH ein Hintertürchen offen gelassen. Welches solche “besondere Umstände” sein können, wird vom BGH nicht näher ausgeführt. Jedenfalls scheint ihm die vollständige und sach-/fachgerechte Reparatur hierfür “in der Regel” nicht zu reichen. Ob die Entscheidung also auch für Fälle Anwendung findet, in denen eine sach- und fachgerechte Reparatur durch Rechnung nachgewiesen ist, bleibt offen.
Ich halte die Entscheidung für falsch. Der Geschädigte hat sein Integritätsinteresse dadurch unter Beweis gestellt, dass er das Fahrzeug hat vollständig instandsetzen lassen. Er hat also einen erheblichen Geldbetrag investiert. Was der Geschädigte danach mit seinem Fahrzeug anstellt, ist seine eigene Sache. Insbesondere hat er sich nicht auf Kosten des Schädigers bereichert. Ohne den Verkehrsunfall hätte er das Fahrzeug auch jederzeit verkaufen können. Der vom Geschädigten nicht verschuldete Verkehrsunfall wirkt sich also wie ein zeitliches Verkaufsverbot aus. Das ist nicht hinnehmbar.
Update: Die Textbausteinfetischisten bei der gleichnamigen Versicherung haben laut Mitteilung des Captain-HUK-Blogs das Urteil sehr schnell umgesetzt…..