Der BGH (Urteil vom 14.10.2008, Az. VI ZR 308/07) hat nunmehr entschieden, dass die Instanzgerichte einen weiten Spielraum haben, ob und wie sie die Schätzungsgrundlage wählen, wenn es um die Bemessung des “angemessen” Mietzinses für ein Mietfahrzeug nach einem Verkehrsunfall geht.
Im ersten Leitsatz bestätigt der BGH seine bisherige Rechtsprechung, wonach den Unfallgeschädigten die Darlegungs- und Beweislast für die Nichtzugänglichkeit zu einem anderen Tarif treffe, wenn er das Fahrzeug zu einem erhöhten Mietzins anmiete. In dem zugrundeliegenden Fall lagen zwischen Verkehrsunfall und Anmietung fast eine Woche; das verunfallte Fahrzeug war fahrfähig geblieben.
Weitaus wichtiger für die Praxis ist allerdings der zweite Leitsatz der Entscheidung:
“Dem Tatrichter steht es im Rahmen des durch § 287 ZPO eingeräumten Schätzungsermessens frei, ob er zur Bestimmung der Höhe erforderlicher Mietwagenkosten auf den Schwacke-Mietpreisspiegel aus dem Jahr 2003 oder aus dem Jahr 2006 zurückgreift. Bedenken gegen eine Schätzgrundlage muss nicht durch Beweiserhebung nachgegangen werden, wenn eine andere geeignete Schätzgrundlage zur Verfügung steht.”
Auch wenn es nicht ausdrücklich im Leitsatz angesprochen wird, macht die Urteilsbegründung deutlich, dass “eine andere geeignete Schätzgrundlage” auch die Untersuchung des Fraunhofer-Instituts sein kann. Sofern der Tatrichter sich der Problematik bewußt ist, ist jedenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter sich für eine der nunmehr drei denkbaren Berechnungsmethoden (Schwacke 2003, Schwacke 2006, Fraunhofer) entscheidet.
Einzig die Versicherungswirtschaft wird über dieses Urteil jubeln. Wie in der Praxis ein Rechtsstreit zu dieser Problematik entschieden wird, ist nun gar nicht mehr abzuschätzen. Wie ein “normaler” Geschädigter bei der derzeitigen Verwirrung mit einer für ihn erforderlichen Klarheit und Sicherheit herausfinden soll, wieviel ihn das Ersatzfahrzeug bei dem einen Unternehmen und wieviel bei dem anderen Unternehmen kostet, das wird ihm der BGH nicht beantworten. Sicherlich ist der Denkansatz, der Geschädigte könne sich insbesondere bei fehlender Notlage bei diversen Unternehmen erkundigen, vertretbar. Praktisch realisierbar ist er aber nicht. Der BGH hält die Frage der Zugänglichkeit für eine Entscheidung “im Einzelfall”. Fein rausgehalten.
Abschließend ist noch zu betonen, dass der pauschale Hinweis auf die Fraunhofer-Untersuchung oder die Vorlage irgendwelcher Mietwagenangebote (meistens nicht auf das Unfalldatum bezogen, sondern kurz vor dem Rechtsstreit) nach wie vor nicht ausreicht. Der Tatrichter kann in Ausübung seines Ermessens gem. § 287 ZPO den Mietzins ermitteln, “..solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken”.