Die „Flensburger Sündenkartei“
Oder: Das Verkehrszentralregister – was ist das eigentlich ?
Im Verkehrszentralregister des Kraftfahrtbundesamts in Flensburg werden nach Rechtskraft der richterlichen oder ordnungsbehördlichen Entscheidung Eintragungen vorgenommen. Die Höhe der Punkte richtet sich dabei nach dem Tatvorwurf. Einfachere Ordnungswidrigkeiten (z. B. Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 21 km/h, Telefonieren mit Handy während der Fahrt, Bußgeld ab 40 €) werden mit einem Punkt eingetragen, schwerwiegendere Verstöße (z. B. Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um mehr als 26 km/h, Betreiben eines verkehrsunsicheren Fahrzeugs) mit drei Punkten, Straftaten (z. B. fahrlässige Körperverletzung, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) gar mit 5 oder 7 Punkten geahndet.
Bei Erreichen eines Punktestandes von 8-13 Punkten erfolgt eine kostenpflichtige Verwarnung der zuständigen Straßenverkehrsbehörde, die einem die Möglichkeit einräumt, an einer verkehrserzieherischen Maßnahme teilzunehmen, die sich je nach Punktestand punktemindernd auswirkt. Bei einem Punktestand von 14-18 Punkten wird diese Maßnahme zwingend angeordnet. Bei mehr als 18 Punkten wird in aller Regel die Fahrerlaubnis entzogen.
Die Punkte bleiben einem nicht ewig erhalten. Je nach Schwere des Vorwurfs darf die Eintragung nach zwei, fünf oder zehn Jahre- nicht mehr verwendet werden. Diese Frist wird Tilgungsfrist genannt. Die Punkte werden nicht sofort gelöscht, sondern erst nach Ablauf einer sog. „Überliegefrist“. Diese beträgt ein weiteres Jahr. In dieser Zeit darf der Inhalt der Eintragungen aber nicht übermittelt und über sie keine Auskunft erteilt werden. Nur d er Betroffene selber bzw. sein Rechtsanwalt/Verteidiger erhalten Kenntnis über die tilgungsreifen Eintragungen. Die Überliegefrist besteht deswegen, weil es bei der Eintragung der Punkte bzw. der Meldung durch die Behörde/das Gericht zu erheblichen Verzögerungen kommen kann. Die Punkte werden nur gelöscht, wenn keine neuen Eintragungen hinzukommen. Wenn neue Punkte eingetragen werden, beginnt eine neue Tilgungsfrist – und zwar für alle Eintragungen, die neuen und die alten ! So kann es durchaus passieren, daß man eine erhebliche Punktzahl aufweist, obwohl man „nur“ einmal pro Jahr auffällt.
Im Jahre 2005 hat der Gesetzgeber diesen Mechanismus entscheidend geändert. Findige Betroffene waren angesichts der alten Gesetzeslage, bei der die Rechtskraft der Entscheidung für den Zeitpunkt der Eintragung entscheidend war, zu einem sog. „Punktemanagement“ übergegangen. Die Rechtskraft neuerer Verstöße wurde nach Möglichkeit durch Einlegen von Rechtsbehelfen und Beweisanträgen so lange hinausgezögert, bis der alte Verstoß gelöscht werden mußte. Nach Ansicht der Bundesregierung hatte dies fast Ausmaße eines Mißbrauchs angenommen, so daß eine Neuregelung erfolgte. Es kommt heute also nicht mehr auf den Zeitpunkt der Rechtskraft eines Bescheids oder Urteils an, sondern auf den Tatzeitpunkt. Meines Ermessens hat sich der Gesetzgeber damit keinen Gefallen getan; die Zahl der Rechtsbehelfe/Gerichtsverfahren hat noch eher zugenommen. Insbesondere in unserem ländlichen Gebiet mit einer bisweilen katastrophalen Versorgung durch den öffentlichen Nahverkehr wird insbesondere bei drohenden Fahrverboten oder einem erheblichen Punktestand nach wie vor der Kampf aufgenommen. Das „neuere“ Punktemanagement geht jetzt in die Richtung, daß man versucht, den Ablauf der Überliegefrist zu erreichen (was bedingt, daß die Betroffenen von Anfang an versuchen, die Angelegenheit hinauszuzögern). Das schafft man entweder nur, indem man sich an die Verkehrsregeln hält oder durch Fachkenntnisse des Verteidigers über den Verfahrensablauf bei Behörden und Gerichten. In einigen Großstädten wie Köln oder Düsseldorf vergehen Monate, bis die Angelegenheit nach Einspruch im Rahmen einer Hauptverhandlung überprüft werden.
Es kann nur abgeraten werden von dubiosen Angeboten, wie sie immer wieder mal vornehmlich im Internet auftauchen. So berichtete der Spiegel in seiner Online-Ausgabe jüngst wieder davon, daß man in einschlägigen Internetforen Personen finden kann, die einen Verkehrsverstoß auf sich nehmen und hierfür pro Punkt ca. 300,00 € kassieren (oder mehr bei drohendem Fahrverbot). Die Behörden können nicht in jedem einzelnen Fall kontrollieren, ob die Angaben stimmen oder plausibel sind. Lediglich vereinzelt wird versucht, gegen solche Auswüchse strafrechtlich vorzugehen. Die strafrechtliche Ahndung ist aber mehr als schwierig.