Leitsatz:
Wird eine Geldbuße in einem verkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren nicht festgesetzt oder nur eine Verwarnung ausgesprochen, ist der Abrechnung der Verteidigervergütung die Gebührenstufe des in der Bußgeldvorschrift angedrohten Bußgeldes zugrundezulegen.
AG Stuttgart, Urteil vom 14.08.2008, Az. 1 C 3415/08
(veröffentlicht in: VRR 10/2008, S. 400 mit Anmerkung Burhoff, NJW-spezial 2008, S. 731, Besprechung Schneider; DV 4/2008, S. 172; online hier: http://www.burhoff.de/burhoff/rvginhalte/571.htm)
Besprechung der Entscheidung:
Der spätere Kläger beauftragte mich mit der Verteidigung in einer verkehrsrechtlichen Bußgeldsache. Er war beim Abbiegen in sein Grundstück unaufmerksam gewesen und hatte einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht (Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO). Gegen ihn wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Im Rahmen der sich dann anschließenden Verteidigung habe ich die üblichen Tätigkeiten entfaltet (Erstberatung, Akteneinsicht, weitere Besprechung, Fertigung einer Einlassung) und konnte eine Einstellung des Verfahrens erreichen. Gegenüber der WGV Rechtsschutz-Schadensservice GmbH aus Stuttgart wurde aus dem Rahmen einer Geldbuße von 40,00-5.000,00 €‚ eine Grundgebühr gem Nr. 5100 VV RVG , eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 5103 und eine Befriedungsgebühr gem. Nr. 5115 VV RVG jeweils in Höhe der Mittelgebühren zzgl. Auslagen und Mehrwertsteuer abgerechnet. Der Abrechnung wurde also die zweite Gebührenstufe zugrundegelegt.
Die beklagte Rechtsschutzversicherung ist demgegenüber der Auffassung, es sei bei der Abrechnung die erste Gebührenstufe (bis 40,00 € Geldbuße) zugrundezulegen. Die Verwaltungsbehörde habe den Verstoß nur mit 35,00 € Verwarnungsgeld belegen wollen.
Dieser Auffassung erteilte nunmehr das Amtsgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 14.08.2008, Az. 1 C 3415/08, eine deutliche Abfuhr und verurteilte die beklagte Rechtsschutzversicherung zur Restzahlung. Das Amtsgericht ist dabei zutreffend der hiesigen Auffassung gefolgt, wonach sich die Einstufung nach dem angedrohten Bußgeld richtet, wenn eine Geldbuße nicht festgesetzt wurde. In Vorbemerkung 5.1, Abs. 2 S. 2 und 3 VV RVG heißt es hierzu:
Vorbemerkung 5.1:
(1) Durch die Gebühren wird die gesamte Tätigkeit als Verteidiger entgolten.
(2) Hängt die Höhe der Gebühren von der Höhe der Geldbuße ab, ist die zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebühr zuletzt festgesetzte Geldbuße maßgebend. Ist eine Geldbuße nicht festgesetzt, richtet sich die Höhe der Gebühren im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde nach dem mittleren Betrag der in der Bußgeldvorschrift angedrohten Geldbuße. Sind in einer Rechtsvorschrift Regelsätze bestimmt, sind diese maßgebend. Mehrere Geldbußen sind zusammenzurechnen.
Der Bußgeldkatalog sieht als Androhung für den Verstoß die Verhängung eines Bußgelds von 50,00 € (lfd. Nr. 44 BKatV) vor. Die Abrechnung erfolgte daher zu Recht auf der zweiten Gebührenstufe.
Es handelt sich bei dieser Rechtsauffassung der Versicherung um einen häufigen Irrglauben. Eigentlich sollte schon das Lesen der Vergütungsvorschrift erhellende Klarheit bringen. So aber hat das Abenteuer die Versichertengemeinschaft, die ja so gerne von der Versicherungswirtschaft zitiert wird, noch zusätzlich unnötiges Geld gekostet.
Das Urteil ist im Volltext nachfolgend einsehbar.
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